Ausbeute

Die weitläufige Meinung?
So eine eigene Webseite im Internet ist ja DIE digitale Hausnummer und Visitenkarte schlechthin.
Also man bekommt ja soviel tolles Feedback.
Die Leute bestürmen einen und geben ganzganzviel an den Macher zurück.
Und dadurch, dass man in aller Munde ist, hat man Werbung ohne Ende.
Ist quasi wider Willen ein megaerfolgreicher Influencer, kann sich entspannt zurücklegen und die Kohle zählen.
Wenn man es erst einmal wie der photoalchemistische Lichtbildprophet und Lichtbildpoet geschafft hat, dann läuft das Geschäft von ganz allein.

Realität?
Meine Realität:

Ich durchforste gerade den Blog und finde – eine kurze Zeit nutzte ich das wordpresseigene Kontaktformular – zwölf Anfragen*:

1. Man bietet mir Fotochemie und Geräte für das Offene Atelier an, sucht im Gegenzug einen 13 x 18-Vergrößerer. Damals habe ich den Anfragenden geantwortet, dass ich keinen Vergrößerer dieser Größenordnung habe. Außerdem wollte ich wissen, was er konkret abzugeben hat. Auf eine Antwort warte ich bis heute … und das ist 2 1/2 Jahre her.

2. Jemand schreibt mir, dass ich eine interessante Seite habe, vielleicht passt es ja und ‚ich höre von dir‘. Worum geht es, bitte?

3. Ein privater Gruß an mich nach abgeschlossener Chemo-Therapie.

4. Aufwendig im Text und angenehm zu lesen bewirbt sich eine junge Dame als Modell. Später treffen wir uns in einem Lokal. Ich werde das Angebot ablehnen: Nach der Geburt ihres Kindes möchte sich die junge Frau neu beweisen. Dagegen ist nichts einzuwenden, doch ich erhalte eine Aufzählung von Einschränkungen. Zudem scheint die Dame sujetmäßig eingefahren zu sein und wird sich mit meinen Arbeiten nicht identifizieren können. Später sehe ich neuere Aufnahmen von ihr, vom beschriebenen Blick über den Tellerrand ist nichts zu sehen. Es ist derselbe Standard wie sie sich schon vorher hat ablichten lassen, die gleiche digitale Langeweile wie vorher auch.

5. Ich werde gebeten einem Schüler beim Vortrag zum Abitur zu helfen (Schwarzweiß-Abzüge vom Negativ). Natürlich helfe ich, ein Feedback wie die Prüfung gelaufen ist gibt es nicht. Das motiviert bei der nächsten Anfrage pauschal abzusagen.

6. Jemand schreibt, er sei im September in Berlin, möchte zwei Bilder von mir kaufen und ich möge die Bilder für ihn reservieren. Das ist nunmehr über zwei Jahre her. Hätte ich nach dem Jahr des Septembers fragen sollen?

7. Ich werde gefragt ob ich noch etwas mache und was ich für eine Ausrüstung habe. HÄÄ? Ist das eine Verwechslung oder hat die Chemo-Therapie einen Teil meines Gedächtnisses ausgelöscht, dass ich den Anfragenden vergessen habe? Ich bohre nach, der Typ wird pampig und ich blockiere letztlich seine Mailadresse.

8. Ein Mann lässt sich gerne nackt fotografieren, ich suche noch Modelle und er – der Mann – würde gern. Ja, ich fotografiere auch Akt. Doch das steht nicht im Vordergrund, genauso wenig bin ich eine pseudoerotische Ersatzhandlung. Das Modell-Angebot wird von mir ignoriert.

9. und 10. Ich bekomme Angebote zu Glasnegativen, altem Film- und Fotomaterial. In der Tat kaufe ich neues ‚fremdes‘ Material dazu, lege aber das Projekt ‚Lichtbildpoet‘ vorerst auf Eis.

11. Eine Frau und ihr Lebensgefährte wollen im Atelier und beim Fotografischen Frühschoppen vorbeischauen. Ich antworte, es kommt eine kurze Reaktion und dann ist Ruhe.

12. Ein schleimiges Loblied auf den Lichtbildprophet und die Anfrage, ob ich Werbetexte ohne den Verweis darauf, dass es Werbung ist, veröffentlichen würde. Solch Anfragen sind nicht neu und auch nicht selten. Ignore!

Nicht in dieser Aufzählung ist mein persönliches Highlight, die kackfreche Anfrage nach der Seriennummer eines Programms. Der Anfragende hat gesehen, dass ich über das Tool geschrieben habe, hat selbst ‚keine Kreditkarte‘ zum Erwerb einer Lizenz und meinte nun, er könne mir beim Erstatten eines Teils meiner Kosten den Key entlocken.

Frisch aus dem Mailprogramm eine Anfrage als Modell, sehr kurz gehalten und sprachstilistisch wohl dem Google Übersetzer entsprungen. Meine Antwort folgt, etwas länger, doppelt so lang kurz. Daraufhin kassiere ich eine Absage, weil Modell – wieder im für mich unverständlichen Googledeutsch – einen Bezahljob zu suchen scheint: Ich soll auf einen billigen Zweizeiler hin für ein weiblich Wesen vor meiner Kamera zahlen? Keine Referenzen, Beispiele oder was weiß ich? Ich kontere: ‚Du hast Recht, ich möchte für meine Fotografien nicht bezahlt werden. ;)‘.

Wie bekloppt ist diese Welt!

In der Tat lobe ich keine Bezahl-Modeljobs aus.
Betrachte ich meine Lichtbild-Liebhaberei und Dunkelkammer-Akrobatik, so kann ich mir bezahlte Modelle nicht leisten.
Des Weiteren durfte ich die Erfahrung machen, dass bezahlte Modelle nicht mit einem gewissen Interesse bei der Sache sind. Es gibt halt Geld für die Weibchenakrobatik und dafür tun sie fast alles.
Was ich bieten kann sind Unikate, handgemachte Unikate. Keine schnelle Stangenware aus dem Fotolabor.
Letztlich investiere ich Zeit und trage die Kosten verbunden mit der Hoffnung, die Modelle haben Geduld, wenn es mal eine Weile dauert.
Wenn es mich überkommt, lade ich zum Essen ein oder tue etwas anderes Gutes auf meine Kosten.
Mehr geht nicht.

Ich verzweifle an dieser minderbemittelten Kommunikationskultur.
Natürlich sind nicht die ‚Schuld‘, die mich anschreiben.
Ich verfüge eben nicht über hellseherische Fähigkeiten des Erahnens, was der Schreiberling eigentlich von mir will.
Also bin ich selbst Schuld, Phrasen und Miniatursätze nicht richtig deuten zu können.

Ich lobe mir die weniger Ausnahmen.
Und selbst darunter sind dann noch ein paar madige Pflaumen.
Was dann übrig bleibt, ist weit weniger als der von der Spreu getrennte Weizen.
Aber es sind gute und oft auch intensive Kontakte.

* Die Daten im Original sind natürlich ganz europäisch datenschutzsicher mit geschlossenem Auge gelesen und anschließend gelöscht. Für immer und ewig.

Autor: makkerrony

MakkerRony ist der Maker des einzigartigen, mehrfach prämierten und weltweit unbekannten Lichtbildprophet. Er ist eine Lichtgestalt der vornehmen Zurückhaltung und des gepflegten Dilettantismus.

Ein Gedanke zu „Ausbeute“

  1. Aus dem wahren Leben und wenn es da nicht die Guten gäbe, man würde vermutlich verzweifeln.
    Freundliche Grüße vom Mittelrhein, Olaf

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