Babywindeln, Modellstehen und ein dynamisches Duo

Gerade ärgere ich mich wieder über die deutsche Dummheit. Im Moment werde ich verdächtigt nicht einschätzen zu können, ob sich der Kaltwasser-Absperrschieber noch schließen lässt oder nicht. Herr Hausmeister möchte vorbeikommen, inspizieren und ein Foto vom Objekt machen. Ich werde mal den Hausmeister fragen, ob die Hausverwaltungs- und Servive GmbH heimlich einen Instagram-Account betreibt und lässig nebenbei auf Influencer macht. Der Hausmeister und seine Vertreter fotografieren gerne: Kalte Heizkörper, defekte Lüfter des Umluft-Herds und getrocknete Wasserschäden nach den Jahrhundertfluten. Foto, Hauptsache Foto. Und weil ich ein potentieller Lügner sein könnte, muss das alles höchstpersönlich sein. Fuck Pandemie, Abstand und Verstand.

Amazon ist auch so ein Reizthema. Nach Aussage der Qualitätsmedien werde ich anhand meiner bisherigen Einkäufe vom Online-Riese zu weiteren Einkäufen verführt. Davon merke ich nichts. Von den tausend kleinen Dingen, die mir das Internet-Warenhaus einblendet, ist selten etwas sinnvolles und kaufenswertes dabei. Ich muss schon gezielt suchen. Für mich kurios wird es, wenn mir Babyartikel und ähnliches angezeigt werden. Dabei bin ich mir ziemlich sicher keinen Anlass gegeben zu haben, dass ich am Basteln eines sechsten Fressfeindes bin. Auf der anderen Seite lasse ich mich von Mullwindeln inspirieren: Wenn ich den Mullvlies auf einen Keilrahmen spanne, müsste ich das absonderliche Konstrukt beklecksen können. Gesagt, getan. Nicht viel nachgedacht und ein Zehner-Pack Mullwindeln und verschiedene Keilrahmen gekauft. Wenn Amazon mich anhand meines Einkaufsverhalten verführen wollte, dann sicherlich nicht so. Ich glaube die Ami’s halten sich für so elitär, dass sie ihren Kaufsklaven keine Kreativität zu gestehen.

Irgendwie würde ich wieder gern Knipsen wollen. Menschen. Barfüßig, weiblich und was fürs Auge. Mit der großen Holzkamera. Das Tulpenthema ist für 2021 abgehakt. Erfahrungen im Umgang mit dem betagten ORWO FO65 sind gesammelt und selbst frisches 13 x 18 cm Aufnahmematerial von Wephota liegt bereit. Doch zu mehr als Absichtserklärungen kommt es gerade nicht. Dabei meldet sich ganz urplötzlich ein Modell, mit dem ich vor Jahren das letzte Mal zusammengearbeitet habe und möchte wieder vor meine Kamera. Na juhu. Doch so schnell und plötzlich wie die Dame sich gemeldet hat ist sie auch wieder verschwunden. Es wird einen triftigen Grund dafür geben. Aber waren nicht fünf Minuten Zeit mich kurz über ein plötzliches Desinteresse oder überraschendes Ableben zu informieren? Innerlich benutze ich in solchen Momenten gerne Kraftausdrücke. Ich möge springen, für die anderen bleibt das Tun und Lassen nach eigenem Gutdünken.

In der vertrackten Situation lande ich selbst vor der Kamera. Ich halte mich nicht für derart Sehenswert, dass das auf Film gebannt werden sollte. Aber gut, wenn sie sagt, sie möchte das Menschenknipsen üben und ich sei der richtige Lehrer als auch das ideale Modell, dann kann ich ihrem Drängen und ihr selbst nicht widerstehen. Also stehe ich nun vor der Linse und „genieße“ das grelle Scheinwerferlicht. Irgendwann beginnt das Rumalbern und es kommt zu Aufnahmen, in denen ich mein Antlitz ertrage. Dabei sind zwei Aufnahmen, wo jeder den anderen in derselben Pose knipst. Und wo beide Abzüge im Fixierer liegen, kommt mir das „Dynamische Duo“ Batman und Robin in den Kopf. Egal wie man dieses Pärchen sehen mag. Von wegen Mündel und homoerotische Beziehung und so. Ich sehe sie, ich sehe uns und muss schweigen. Wir denken über eine Fotoserie „Dynamisches Duo“ nach und sie entwickelt bereits Ideen.

In all dem Hickhack um Selfies mit einem verklemmten Absperrschieber, Modelflaute, mit Farbe beschmiertem Mullvlies oder die liebe Liebe, die Welt da draußen lässt mich nicht kalt. Bei manchen Themen/Dingen verschlägt es mir die Sprache. Was geht bloß im Kopf dieser Menschen um, zum Beispiel: Impfzentren sind zum Impfen und nicht zum Diskutieren da. Wenn ihr bespaßt werden wollt, dann textet die Fliesen in eurem Scheißhaus zu. Oder: Wenn ich nur oft genug gesagt bekomme, ich habe ein Problem, dann habe ich wie selbstverständlich irgendwann auch ein Problem. Instagram blendet mir Werbung eines Beziehungscoach ein, zu deren Spezialität toxische und Dreiecksbeziehungen gehören. Das Toxische an einer gleichnamigen Beziehung ist die Unfähigkeit, nicht miteinander reden zu können. Ich fahre Fahrstuhl, allein und doch drängeln sich mir Unbekannte ohne Abstand und Anstand hinein. Lediglich die Frau zuckt kurz zurück, um dann doch dem Lockruf ihres Begatters zu folgen. Da setzt für einen kurzen Augenblick der Verstand ein, um letztendlich die Vernunft dann doch versagen zu lassen.

In den Medien Jubelgesang auf unsere Demokratie, die als Leuchtfeuer für alles andere zu dienen hat. Hinterfragt ihr euch und eure Selbstgefälligkeit gelegentlich auch einmal? Ich mag diesen Absolutismus nicht. Ich habe schon zu viele Wahrheiten gehört und danach gelebt. Gutmenschtum ist wie ein defektes Getriebe reparieren, bei dem heile durch kaputte Zahnräder ersetzt werden und am Ende Stock und Steif behauptet wird, dass nun alles wieder in Ordnung ist. Ich bin eher der Berufsskeptiker und muss mich nicht überall einbringen müssen. Es gibt so viele scharfe Kanten im Leben. Vieles klingt wie Verrat ohne jede Not. Wohl nur wenige haben im Lockdown eine Chance gesehen. Es bleiben die ein paar Mutigen, die sie nutzen. Ich möchte dabei sein.

Autor: makkerrony

MakkerRony ist der Maker des einzigartigen, mehrfach prämierten und weltweit unbekannten Lichtbildprophet. Er ist eine Lichtgestalt der vornehmen Zurückhaltung und des gepflegten Dilettantismus.

2 Gedanken zu „Babywindeln, Modellstehen und ein dynamisches Duo“

  1. Du und der Hausmeister, da ist doch immer wieder irgendetwas … 🤔
    Die Idee mit dem Mullwindeln find ich immer noch klasse. Ich räume bald mal wieder meinen Kleiderschrank auf, ich denke man kann bestimmt auch alte Shirts upcyclen, sei es wegen der Stoffstruktur oder auch wegen der Farben🤠
    Danke fürs vor der Kamera stehen🥰💚

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