Benimmregeln

Gelegentlich verirren sich neben dem geliebten Spam notgeiler Russenbräute auch Nachrichten an mich, die den Anschein erwecken, sie sein wirklich an mich persönlich gerichtet. Also es bedarf einer gewissen Kenntnis, formuliert man in der Form einen Inhalt an mich aus. Dazu gehört zum Beispiel Modell stehen oder das Offene Atelier.

Nun erwarte ich ja nicht, dass man sich mir formvollendet nähert. Dazu gehört zum Beispiel mit Großwesir oder Eure Heiligkeit angeredet zu werden. Ich habe es mal so gelernt, dass wenn ich mit Irgendetwas an jemanden herantrete, mich kurz vorzustellen. So etwas geht heute fast gar nicht. Vielleicht hat das Fehlen dieser Höflichkeitsfloskel etwas mit der Privatsphäre und so zu tun.

Ich bin ja dafür, möglichst ohne Umschweife zur Sache zu kommen. Nur vergisst der oder die Schreibende, dass ich nur den Nachrichtentext und keine potentiellen Gedanken und Nebengedanken erfahre. Daraus ergibt sich mir beim Lesen die Frage, was will Der- oder Diejenige von mir. Ein Beispiel:

„Hallo, bin auf deine Seite gestossen und finde es interessant. Vielleicht passt es ja und ich höre von Dir!“

Was will mir diese Nachricht sagen? Da ich es zulasse, dass Suchmaschinen meine Seite indizieren dürfen, ist es die logische Konsequenz sie auch finden zu können. Nur weiss ich nicht um das „ES“, dass das Stossen interessant macht. Was soll passen? Und wenn alle Eventualitäten passen, warum hört man mich dann?

„Würde Ihnen Fotochemie und Geräte anbieten, im Gegenzug meine Frage: Ist es möglich ihr Labor für 2 Stunden mitzubenutzen. Für Vergrößerung eines 13×18 Negatives.“

Ich kann in etwa abschätzen, was der Anfragende von mir will. Er hat Glück, ich bin gut drauf und antworte ihm, dass das Vergrößern dieses Negativformates nicht möglich ist. Es folgt die Antwort:

„Hatte es mir fast schon gedacht, könnte aber durch Zufall sein. Falls Sie einen Mittstreiter gegen minimale Bezahlung suchen, bin Selbstständig, suche Aufträge.“

In der Signatur erfahre ich jetzt, dass es sich um einen Fotografenhandwerksmeister mit Lehramtsbefähigung handelt. Der Anfragende wie Beinaheschenkende hätte den Zusatz nicht tun sollen. Von jemanden dieses Bildungskalibers erwarte ich nahezu perfekte Kommunikationsmanieren.

Im Zusammenhang mit dem Offenen Atelier ist die private Initiative auf Spenden und Unterstützungen angewiesen. Nur wo kein Geld eingenommen wird, kann auch keines minimal für bezahlte Mitstreiter ausgegeben werden. Des Weiteren hilft Nachlesen weiter: Unter Werkzeuge findet man im Abschnitt Dunkelkammer jene Gerätschaft, die für Vergrößerungen verwendet werden können. Man muss sich eben nur Zeit nehmen, um gut informiert in eine Kommunikation zu gehen. Plumpe Jobsuche statt Geschenke: Nein Danke!

Ich bin wirklich erfreut, melden sich Mitmenschen auf mein Modelgesuch. Angesichts meines „Stils“ kennt meine Dankbarkeit keine Grenzen, zahle ich in der Regel für Shootings drauf. Hauptsache ich kann meine Handschrift pflegen und die Modelle lassen mich nahezu uneingeschränkt inklusive Barfuss-Fotografie gewähren.

„Ich habe Ihre Webseite im Internet gefunden und hat meine Interesse geweckt. Ich bin …“

Angesicht der nachfolgenden Kurzvorstellung und eines kleinen Bewerbungsschreibens als Modell verkneife ich mir das Klugscheissen, dass man Webseiten immer nur im Internet finden wird. Hier scheint jemand Interesse zu haben. Die Sache hat nur einen kleinen Haken: Alle mitgeschickten Fotos sind Selfies. Und wer sich mit Selfies bei einem „Fotografen“ wie mich vorstellt, der stößt – aus reiner Erfahrung – auf viel Skepsis. Solche Modelle verkennen in der Regel die Realitäten. Selfie-Spass versus harte Shootingarbeit.

Im weiteren Gesprächsverlauf versuche ich auf diesen Unterschied hinzuweisen. Gesprächsabriss, Wiederaufnahme mit dem Hinweis, dass die Technik Schuld ist. Versuch ein Treffen für Vorgespräch zu arrangieren, der Tag und eine Etwa-Uhrzeit kann gerade noch festgelegt werden, für den Ort reicht es nicht mehr! Wieder Schweigen, mittlerweile über Wochen!

Was soll das? Ich verstehe es vollkommen, will der Mensch über Gebühr gebauchpinselt werden. Muss man deshalb zum Mittel greifen: „Die Fotografen stehen bei mir reihenweise Schlange und wollen nur mich ablichten. Ich bin ja so begehrt und ihr Doofbacken nicht.“? Scripted reality ist was fürs Fernsehen, das wahre Leben sieht etwas anders, viel realistischer aus. Da ist kein Platz für solch ein primitiven Bockmist.

Liebe Leute die sich mit irgendetwas an mich wenden: Meint ihr ich finde es lustig was ihr veranstaltet? Ich kann weder eure Gedanken lesen, noch habe ich Zeit oder Geld zu verschenken. Ich gebe gerne, sei es im Offenen Atelier oder um Bilder abseits des Mainstreams zu bekommen. Nur bitte ich mit Respekt behandelt zu werden. Dazu gehört, dass ich in einer Form kontaktiert werde, wie ihr sie in eurer Kindheit garantiert gelernt habt.

Ich will keinen Lebenslauf lesen. Bedenkt beim Schreiben einfach, dass euch der Lesende eures Inhalts nicht kennt und dementsprechend Randinformationen benötigt. Überlegt vor dem Schreiben ob ihr das wollt wonach ihr anfragt. Erst Dinge zur Schenkung anbieten und in der zweiten Mail nach Jobs betteln ist taktisch eine glatte Fehlleistung. Dasselbe gilt für Modellanfragen. Ich würde mich freuen, wenn in Zukunft wieder etwas Stil und Anstand in den Schriftverkehr einzieht. Danke!

Autor: makkerrony

MakkerRony ist der Maker des einzigartigen, mehrfach prämierten und weltweit unbekannten Lichtbildprophet. Er ist eine Lichtgestalt der vornehmen Zurückhaltung und des gepflegten Dilettantismus.