Besuch

Wann haben wir uns eigentlich das letzte Mal gesehen?

2019 kann es nicht gewesen sein. Wir wollten mal schauen den Vergnügungspark Plänterwald zu besuchen. Es blieb bei der Absichtserklärung, was vielleicht ganz gut war. Denn so gab es heute bei unserem Wiedersehen eine warme, sehr herzliche und lange Umarmung.

Wenn aus meiner Sicht irgendetwas diese Freundschaft geprägt hat, dann war ein besonderes Treffen während meiner Chemotherapie: Alt-Marzahn, ein sonniger Tag und wir sitzen draußen auf der Bank im Dorfkern. Wir reden viel, wohl hauptsächlich über mich. Über die Krebserkrankung, Heilungschancen und vieles mehr. Für den Moment damals ist mir vieles egal, denn ich habe jemand mit dem ich reden kann.

Dabei hatten wir am Anfang unserer Freundschaft Probleme mit unserer Kommunikation. Ich glaube sie wollte, dass wir uns mehr schreiben. Dagegen hatte und habe ich etwas. Bei aller Verbundenheit und Zuneigung, es sollte etwas Besonderes bleiben, dass wir uns schreiben. Kein tägliches Update, eher die freudige Überraschung, vom jeweils anderen zu hören. Kein Schreiben des Schreibens willen.

Wir treffen uns, weil es die Zeit erlaubt und wir gemeinsam ‚Klecksen‘ wollen. Es sind meine ‚Zufallsbilder‘, die uns gegenständlich wieder zusammenbringen. Und wie wir so sitzen, Tee trinken und an einer Laugenbrezel knabbern, fällt das Thema auf das Entstehen, Gedanken und Ideen zu den Bildern. Ich gebe mich zunächst zurückhaltend. Meist wird nicht verstanden, was meine Motivation ist, dass ein Ziel oft auch erst mit der Zeit entstehen kann. Am Anfang ist alles offen, jedenfalls für mich und meine Bilder. Ich kann und möchte nicht den Planvollen geben, nur weil es nach dem großen und beherzten Künstler aussieht. Bin bin vieles, nur nicht das.

Aktuell steht einen neue Arbeit auf der Staffelei, Arbeitstitel ‚Blutmond‘. Irgendwann erzähle ich ihr von paamii’s Krebstod im letzten Jahr, meine damit verbundenen Erinnerungen an die Zeit über dem Kino Toni und der Fussboden in der Werkstatt des Plakatmalers. Wahrscheinlich treibt mich derzeit unterbewusst genau das an, die Kamera und Film gegen Spachtel und Leinwand zu tauschen. Zu tief saß der ‚Schock‘, dass paamii nach der Rückfall-Diagnose binnen drei … vier Monate verstorben ist.

Wir reden über die für den März geplante Ausstellung, deren Titel, das dazugehörige Bild und wie sich für mich aus gedanklichen und gegenständlichen Einzelstücken ein zusammengesetztes Ganzes ergibt. Sicherlich ist meine Bindung an das Thema größer als die des externen Betrachters, doch das scheinbar spielerische Durcheinander ergibt einen Sinn, hat zumindest im Nachgang eine Motivation.

Zwangsläufig laden wir beim Thema Perfektion. Sie möchte in ihrem Handeln perfekt sein. Ich halte entgegen, dass für mich ‚perfekt‘ eine Endstation ist. Wenn etwas perfekt ist, kann es nicht mehr überboten werden. Perfekt steigern? Das können nur Sprachklopse oder Propagandisten wie Goebbels & Co.. Perfekt ist ‚frei von Mängeln, vollkommen, endgültig abgemacht, nicht mehr änderbar‘. Perfekt ist ein Ende. Gilt nicht unsere wahre Liebe dem Nichtperfekten? Auch wenn wir meinen das Perfekte gefunden zu haben?

Gedankensprung – Nächster Tag

Ich lese ihre Nachricht in WhatsApp. Und als gäbe es eine Seelenverwandtschaft, schreibt sie mir über unser Treffen 2016, Alt-Marzahn, auf einer Bank im Dorfkern. Ihre Emotionen, Gedanken und Bedenken aus dieser Zeit. Sie ist ein introvertiert-emotionaler Mensch. Jedenfalls habe ich sie so immer erlebt. Nur Schritt für Schritt geben wir uns Dinge Preis, was unsere Verbindung irgendwie spannend hält und für immer mehr Vertrautheit sorgt.

Ach ja: Gemeinsam haben wir an einer Maske gearbeitet. In Grün, ihre Lieblingsfarbe. Und am Tag danach hat ihr die Arbeit immer noch gefallen. Mich stimmt es froh andere Menschen zufrieden oder gar glücklich zu machen. So falsch kann denn das, was ich tue, nicht sein.

Autor: makkerrony

MakkerRony ist der Maker des einzigartigen, mehrfach prämierten und weltweit unbekannten Lichtbildprophet. Er ist eine Lichtgestalt der vornehmen Zurückhaltung und des gepflegten Dilettantismus.