Hauptsache nachhaltig gekleckst

Was ich heute tue muss nachhaltig sein und wird auf meine CO-Zwei-Billanz angerechnet. Sie hat mindestens neutral zu sein oder soll mehr CO-Zwei binden als das was ich nutze verursacht hat. Was das im Detail wirklich bedeutet, das kann ich nicht sagen, denn ich verstehe es nicht. Ich weiss nur: Hätte ich ein paar Milliönchen auf dem Konto, könnte ich mich vom bösen CO-Zwo freikaufen und weiter das Zeug in die Atmo blasen.

In meiner Kindheit wurden Lumpen, Flaschen und Altpapier gesammelt, zur Sero-Annahmestelle gebracht und damit etwas Geld gemacht, um ins Kino zu gehen und sich ein Stieleis zu gönnen. Bei den heutigen Ankaufpreisen und Kosten für ein Kino-Ticket ist es nicht verwunderlich, dass die aktuelle Jugend wenig Wert auf Lumpen, Flaschen, Altpapier, dafür auf Kupferleitungen und anderes Buntmetall legt. Außerdem guckt dem Sero der Stalin aus den Augen und musste zwingend rekonstruiert werden. Im Sinne der Nachhaltigkeit bitter. Die Verbitterung im Alter rührt allein aus liegen gelassenen Chancen. Da nehme ich mich nicht aus.

Das heutige Sero, Grüner Punkt genannt, kassiert bei jeder Verpackung mit, auf dem das Logo prankt. Diese Wertstoffe mag man gerne haben, ordentlichst vorsortiert versteht sich. Vielleicht noch gebügelt und zusammengelegt? Auch beim Trennen und Sortieren fühle ich mich überfordert. Ich bin kein Werkstofftechniker und tue mich schwer Verbundkunststoff vom normalen Einschicht-Plastik zu unterscheiden. Vieles benötigt keinen Kunststoff, insbesondere dann nicht, steht Bio & Co. drauf. Bei Papier und Pappe wird auch rumgemekelt, statt Amazon-Kartons hätten die Papierwürmer lieber Edleres. Was auch immer das ist. Es entsteht in mir der Eindruck, man möchte gar nicht recyceln, stattdessen nur von den Logo-Einnahmen leben.

Der Lichtbildprophet, insbesondere die Klecksereien sind voll nachhaltig. Eigentlich auch die fotografische Lichtbildstrecke mit der Verarbeitung überlagerter Film- und Fotomaterialien, wäre da nicht die böse böse Chemie. Damals, wo alles noch gut gewesen sein soll, da bedeutete Chemie Fortschritt. Heute müssen Löwen an Möhren statt an leckeren Gnus knabbern. Das ist Fortschritt, heute. Das finde ich nicht schön. Die Masse sieht nur das vergleichend Schöne, nicht die individuelle Schönheit. Was ist nachhaltig? Kann oder muss alles nachhaltig sein? Was ist alt? Wenn ich es nicht mehr brauche und wegwerfen möchte? Ich finde im Alten viel Schönes, frei nach Wabi-Sabi. Selbst Kitsch hätte da vieles zu erzählen.

Hin und wieder landen alte Schinken aus den Kitschfabriken im Flackerlight und ich darf das Machwerk überklecksen. Mal heisst es vom „Auftraggeber“ man mag es eher ruhiger oder möchte viel rot. Aussortierte Kunst für die Masse gebe ich ein zeitgenössisches und individuelles Aussehen. Da ist das angefangene Malen nach Zahlen-Werk, was nie seine Vollendung fand. Auf eine Leinwand gedruckter Blumenzauber, eine angeranzte englische Flagge … im Wahn der Nachhaltigkeit und des kreativen Upcycling überkleckse ich alles. Ich bin ein pinselschwingender Judas, der mit seiner Kunst dem Kitsch den Kampf ansagt. Und nachhaltig ist.

Autor: makkerrony

MakkerRony ist der Maker des einzigartigen, mehrfach prämierten und weltweit unbekannten Lichtbildprophet. Er ist eine Lichtgestalt der vornehmen Zurückhaltung und des gepflegten Dilettantismus.

3 Gedanken zu „Hauptsache nachhaltig gekleckst“

  1. @ Lichtbildprophet: Die Steine sind so toll, jeden Tag sehe ich sie und erfreue mich an ihnen und entdecke immer wieder etwas Neues und bin immer wieder total begeistert🥰

  2. @ ZweifelnHochZwei: Man muss sich nur Zeit nehmen und genauer hinschauen, dann finden sich so tolle Sachen, aus denen man noch ein kleines Kunstwerk machen kann … siehe die Steine 🤓

  3. Ein schöner Beitrag. Toll, dass du so nachhaltig kleckst und so viel wieder verwertest😊
    Durch dich habe ich gelernt nochmal zu überlegen, ob man nicht doch aus manchen Dingen, die ich wegweschmeißen würde, noch was machen kann und ist mir auch bewusst geworden was man so alles upcyclen kann. Danke🥰

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