Zwei mal drei Traktat – Bildgestaltung (V)

Jede Änderung an der Kameraeinstellung, eine andere Wahl des Aufzeichnungs- und/oder Ausgabemedium oder die Variation eines Prozessparameters zieht einen Ratenschwanz an Konsequenzen mit sich. Gerne empfehle dem Anfänger, sich ruhig der MuP, der Methodik des unbekümmerten Probieren hinzugeben um anschließend mit Hilfe der jeweiligen Prozessparameter die visuelle Wirkung zu analysieren. Auf diesem Weg lässt sich gerade im Umgang mit einer Kamera mehr Wissen aneignen als das Lesen didaktisch schlechter Bücher oder Blogbeiträge, die aus Unwissenheit oder eingeschränktem Aktionsradius besagten Rattenschwanz negieren.

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Heute müssen Bilder unserer schnelllebigen Zeit gerecht werden, deshalb binnen weniger Wimpernschläge ergründbar sein, selbst wenn es an Tiefe und Substanz fehlt. Unsere primitivsten und niedersten Gedanken ergänzen den vermittelten Inhalten und schon entsteht in unserem Geist ein instinktgesteuertes Konstrukt. Derart auf Geschwindigkeit getrimmt, kann man nur vom Kurzzeitseher sprechen, dessen Urteil ein klarer Fall für den Sondermüll ist.

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Bilder werden heute wie Fast Food konsumiert: Es muss schnell gehen, Geschmack und Genuss spielen dabei keine Rolle. Besuche ich solch ein Schnellrestaurant, dann soll das Essen Berlin genauso wie Hamburg oder im angrenzenden Ausland schmecken. Sowohl der Ort als auch das Essen ist von untergeordnetem Interesse und damit ohne signifikante Änderung beliebig austauschbar.

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Um unter diesen Bedingungen überhaupt eine Botschaft zu vermitteln, muss der Bildinhalt direkt und unter Anwendung der maximalen Härte aufbereitet werden. Moralische wie ethische Grenzen werden immer weiter verschoben, bis keinerlei Hemmschwellen mehr vorhanden sind. Durch direkte Ansprache verlieren solche Bilder schnell an Wirkung, folglich erzielen sie nicht mehr ihre ursprüngliche Absicht. Der Konsument, der diesen Teufelskreis durchbrechen möchte, bedarf einer visuellen Umerziehung und der Einsicht, dass der Faktor Zeit sein größtes zu erbringendes Opfer ist.

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Der Betrachter lässt sich zur Erkundung eines Bildes Zeit, ist bereit für visuelle Überraschungen und Erlebnisse. Idealerweise sollte der Betrachter keinem Denkmuster verfallen sein, folglich offen für Interpretationsweisen sein, die er bisher noch nicht angewandt hat. Seine Gedanken unterliegen keinen Regeln und Zwängen. Aspekte der technischen wie technologischen Umsetzung rücken als Sekundärinformation in den Hintergrund, wenn nicht sogar, dass sie völlig redundant sind. Es wird nur der Inhalt und nicht die Entstehung betrachtet.

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Im Handwerk und in der technischen Perfektion sieht der Betrachter keinen direkten Zusammenhang. Im Gegenteil: Götzen und Lobgesänge auf die heilsbringende Technik empfindet er binnen kurzer Zeit als langweilig. Die direkte Kommunikation zwischen Bild und Betrachter bietet kaum Raum für tiefgreifende Zwiesprache des Geistes. Handwerk bedeutet Einzigartigkeit und dies in jeder einzelnen Ausführung einer Arbeit. Das Motiv bleibt dasselbe, die Interpretation weicht in Details ab.

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Der am Bild interessierte Fotograf codiert den Inhalt des Bildes. Die Mittel sind vielseitig: Aufnahmeformat, Aufnahmetechniken, Aufnahmemedien, Ausarbeitung, Ausgabemedium und so weiter. Sein Vorgehen ist kontrolliert (Künstlerische Fotografie) oder er lässt im Entstehungsprozess Zufälle zu (Experimentelle Fotografie). Der Fotograf ist nicht an der Maximalprovokation interessiert, vielmehr gibt er einfache Gegebenheiten wieder, die durch geeignete Maßnahmen Freiräume der Interpretation bieten. So soll beispielsweise der Betrachter im Bild nicht direkt sehen, dass eine leicht bekleidete Frau tanzt. Vielmehr soll der Betrachter diese Szene sich selbst erdenken.

Autor: makkerrony

MakkerRony ist der Maker des einzigartigen, mehrfach prämierten und weltweit unbekannten Lichtbildprophet. Er ist eine Lichtgestalt der vornehmen Zurückhaltung und des gepflegten Dilettantismus.