Das Recht aufs Vortäuschen

Zehn Minuten des gemeinschaftlichen Liebesspiels sind Vergangenheit. Danach tritt jene Stille ein, die mich immer wieder irritiert.

„Ich habe den Eindruck, als wäre die ganze Sache eben eine Pflichtübung für dich gewesen.“

„Warum? Alles ist schick und du hattest deinen Spaß.“

„Und wie ist es mit dir?“

„Ich hatte meinen Spaß.“

In der Summe an von mir befriedigter Frauen fehlt es an Erfahrung. Was ich aber zumindest glaube ist, dass sie danach wesentlich entspannter neben Mann liegen müsste. Der Glaube daran mag dem Machismo entspringen. Doch dem inneren Gefühl, in den letzten zehn Minuten ist irgendetwas schief gelaufen, kann ich nicht widersprechen.

„Du warst nicht ganz bei der Sache. Ich merke es an deinen Händen und wie du mich berührst. Stellenweise wirkte es sehr verkrampft und hat stellenweise wehgetan.“

„Ach so? Davon habe ich nichts gemerkt. Ich war so wie immer.“

Warum auch immer fühle ich mich schlecht. Etwas fummeln und knutschen als Vorspiel, dann rauf auf das paarungsbereite Weibchen. Mit dem Schwanz im Feuchtbiotop der Gegenseite herumgestochert, bis zum schleimigen Finale. Nebenbei sagt die Zubeglückende ihren Text aus „Uh“ und „Ah“ auf und treibt so den männlichen Nimmersatt zusätzlich an.

Nach dem Vollzug des Paarungsaktes nebst Samenerguss ist seitliches Abrollen und in Gedanken ein befreiendes „Auch erledigt“ angesagt. Was hat das mit Liebe zutun? Es klingt eher nach Fließbandarbeit.

„Als Frau habe ich ein Recht darauf einen Orgasmus vorzutäuschen!“ erwidert sie mir barsch.

„Warum?“ frage ich.

Ihrem Gesicht sehe ich an, dass Langeweile und geduldiges Ertragen meiner sexuell motivierten Aktivität in pure Wut umschlägt.

„Wenn ich dich nicht ranlasse, dann bist du am nächsten Tag unausstehlich“ faucht sie mich an.

Während sie sich von mir abwendet, brodelt in meinem Inneren ein Gedanken-Cocktail aus „Scheiß Emanzipation“ und beziehungstechnisch wertloser Prostitution nur dem Manne zuliebe. Ich sollte jetzt nichts mehr sagen, denn nur noch ein „Ich kann über Wasser gehen“-Wunder kann die Stimmung für den restlichen Tag retten.

„Entschuldige bitte, aber du hast mich ins Schlafzimmer gelotst. Obwohl ich eigentlich nicht in der rechten Stimmung war. Mehrmals hatte ich es gesagt und du hast mich wie einen ausgelaugten Marathonläufer kurz vor dem Zieleinlauf angefeuert, weiter zu machen“.

„Du wolltest nicht? Dass ich nicht lache!“

„Was wollte ich dir sonst damit sagen?“

„Du kannst doch gar nicht anders. Wenn es nach dir geht, würden wir uns dreimal am Tag hier treffen.“

„Jetzt übertreibst du. Es gibt durchaus Tage, wo mir überhaupt nicht der Sinn nach Sex steht.“

„Ach, und wann sind die?“

„Wenn ich von der Arbeit kaputt bin, Stress oder es mir nicht gut geht.“

Ich fühle mich gerade im falschen Film. Sagte ich: „Wenn Frauen nein sagen, meinen sie immer ja“, müsste ich eine Kanonade zu blöden Macho-Sprüche über mich ergehen lassen. Stattdessen benutzt mich eine Frau gegen meinen Willen, täuscht mindestens einen Orgasmus vor. Der Tatbestand sollte reichen, mir ein Quartier im Männerhaus zu suchen. Die Geschichte des vergewaltigten Mannes verkaufe ich dann an die BILD.

Um der peinlichen Situation zu entfliehen, begebe ich mich ins Bad. Im Türrahmen stehend drehe ich mich zu ihr um und frage: „Wie war ich?“.

Keine Reaktion.

Nachdem ich in der Nasszelle verschwunden bin, höre ich noch ihr lautes Gelächter.

Autor: makkerrony

Der Macher des Lichtbildprophet ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben.