Das kann jeder, selbst ich!

Der PhotoFürst ist ein Arsch mit Ohren. Ein richtiger und leibhaftiger Arsch mit Elefantenohren und Mäuseschwanz. Trotzdem ist es mir gelungen mit ihm ein freundschaftliches Bekanntschaftsverhältnis zu führen. Einmal im halben Jahr treffen wir uns für ca. drei bis vier Stunden. Danach ist für 5 Monate und 30 Tage wieder Ruhe.

PhotoFürst lullt seine weiblichen Opfer mit Worte ein. Er hält sich für den Zampano der lokalen Foto-Szene und absoluten Model-Förderer. Wenn das Durchknallen seiner Damen und sich anschließend bezahlen dafür lassen damit gemeint ist, dann mag es eben so.

Eines muss ich dem PhotoFürst zugute halten: Zumindest öffentlich stellt er nicht die Behauptung auf, ein Meister seines angelernten Fachs zu sein. Das macht er nur in den „wichtigen Vor- und Nachgesprächen“. Aber das ist eine Volkskrankheit unter den Fotografen und ohne staatlich verordnete Impfpflicht nie auszutreiben.

Und wo ich schon dabei bin über den PhotoFürst zu reden, dann muss ich noch eines Preis geben. Wegen seines Alias wollte ich mich schon „Schafigraf Knopfauge Liebguck“ nennen. Es ist kein Scheiß, sondern bittere Realität. Nur die Tatsache, dass keine Online-
Model-Datenbank solch lange Künstlernamen akzeptiert und ein Domain-Name dieser Art derart unpraktisch ist, hielt mich von der Wahnsinnstat ab.

Der PhotoFürst und ich schauen bei einem Gläschen Martini mit Tonic verdünnt fern. Darin ruft Jonathan Meese gerade „Die Diktatur der Kunst“ aus. Als säße ich im Sportpalast, springe ich von meinem Einsitzer-Sessel auf und bejuble meinen neuen Messias Meese.

„Du hast schon imma nen Schatten jehabt. Aber dat der so jroß is Alter … boah!“

Das ist der PhotoFürst: Alter und boah!

„Alter, du bist echt nicht sauba im Kopp.“

„Warum? Die Diktatur des Geldes wird durch die Kunst ersetzt. Wir beten nicht mehr den Euro, Dollar und Gold an. Stattdessen huldigen wir Bildern, Literatur und Musik. Der Künstler ist der Manager der Zukunft. Und jeder der sich dem widersetzt, bekommt
Einzelhaft im Museum.“

„Ick jeh pissen Alter. Vielleicht haste dir danach beruhischt. Boah, die Drogen die du nimmst möchte ick och mal einwerfen.“

Während sich PhotoFürst im Klo erleichtert, werfe ich mein MacBook an und suche Informationen über Jonathan Meese zusammen. Ich möchte den Halbgott in irgendeiner Weise für die Kunstdiktatur begeistern. Wenigstens nachdenklich stimmen.

„Schau mal. Hier sind ein paar Arbeiten vom Meese.“

Arglistig schaut der PhotoFürst in die Google-Bildauswahl. Ich weiss, dass er das Haar in der Suppe, die Erbse unter dem Kissen, aber zumindest den rollenden Furz auf der Gardinenstange sucht.

„Ey Alter, watt der macht, det kann ick och!“

Ich springe auf, renne in mein Arbeitszimmer. Suche ein Blatt Papier und einen Stift. Das ist gar nicht so einfach, wenn man Informationen, Texte und Bilder nur noch digital verwaltet. Ich fingere ein Blatt aus dem Laserdrucker. Kurze Zeit später habe ich sogar einen Kugelschreiber gefunden.

„Hier! Mach!“

„Watt soll ick machen. War gerade. Würd da jetzt nisch rinjehen. Stinkt.“

„Du sollst mir den Meese machen. Malen, zeichnen … nur soll es etwas sein, was nach Meese aussieht.“

„Alter, willste mir veraschen? Ick mach doch nisch so ne Kinderkacke.“

Ich lege das Blatt Papier und den Stift genau vor ihn hin.

„Du hast nur ne große Klappe. Eure Durchlaucht ist sich zu fein in Kunst zu machen. Oder du weißt, dass es doch nicht so einfach ist und willst dich jetzt nur nicht blamieren. ALTER!“

Tatsächlich nimmt PhotoFürst den Stift in die Hand, setzt an und lässt ihn kreisen. Das Ergebnis ist ein eher platt gewalztes @.

„Was ist das?“

„Messie“

„Meese, wie Messe nur mit langen E am Anfang“

„Alter nerv mir nich. Watt dein Meese macht is Dünnpfiff, aba vom Feinsten. Schade, hättste im Klo ankiecken können. Hab aba jespült.“

Ich liebe die proletenhafte Ausdrucksweise des PhotoFürsten. Nur bei Frauen bekommt sie einen zart-sanften Schmelz auf Hochdeutsch-Spiegel. Um es mit seinen Worten zu sagen: Unter Männern ist er eine ganz ordinäre Sau.

Ich verzichte auf die weitere Provokation meines Gastes. Immerhin werden wir uns fast ein halbes Jahr nicht sehen. Dennoch kann ich es mir nicht verkneifen noch einmal nachzutreten.

„Sonnenallee war doch ein geiler Film“

„Wie kommste denn da druff, Alter. Klar, geiler Film. Kommt det heute?“

„Nein. Nur so.“

Der Spannung wegen lege ich eine kleine Pause ein.

„Meese macht auch Bühnenbilder …“

Der PhotoFürst schaut mich an. Am liebsten würde ich mir sein Ohr greifen und ihn den Satz in seinen Gehörgang brüllen.

„… auch für die Sonnenallee!“

Leicht angewidert dreht der PhotoFürst seinen Kopf in Richtung Fernseher. Ich schalte zu ProSieben, da laufen gerade diese Top-Modelle vor Heide Klum. Das ist die heile Welt des PhotoFürsten. Er kann sabbernd vor der Glotze sitzen und von schönen Zeiten
träumen. Ab und zu lasse ich mir einen Ellenbogencheck mit dem Hinweis: „Alter, kieg dir ma die Olle an“ gefallen. Wenn er wieder weg ist, habe ich sechs Monate Ruhe vor ihm.

Autor: makkerrony

Der Macher des Lichtbildprophet ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben.