Höhlenmalerei

Es fällt mir irgendwie schwer, mich seit oder nach dem 21. November 2016 neu einzusortieren. Dachte ich erst, dass die positive Nachricht in mir einen kreativen Anfall auslösen wird, richten sich meine Gedanken gegen den zelebrierten Matsch unserer Zeit. Ich halte mich auch nicht zurück, hier und da meinem Unmut Luft zu machen. Das schafft neue Freundfeinde fürs Leben.

Statt Kreativität und Liebe auf der ganzen Welt wühle ich lieber in Kisten, in denen ich Unvollendete oder Ausschuss einsortiert habe. Weshalb es zu dieser Klassifizierung gekommen ist, kann ich heute nicht mehr nachvollziehen. Einiges an dem Beinahe-Müll gefällt mir ausgesprochen gut. Also wird es einem finalen Feinschliff unterzogen, gescannt, nummeriert und handsigniert.

In dem Zusammenhang finde ich auch eine Reihe Sofortbilder auf impossible-Film der ersten Generation. Wenn ich sehe, was im Laufe der Zeit daraus geworden ist, dann müsste ich den Holländern verbal die Ohren langziehen und mein Geld zurück verlangen. Auf der anderen Seite ist es aber genau das, was ich als Künstler praktiziere: Weg vom Ideal und vieles dem freien Lauf überlassen.

Ja klar, nur kontrolliere ich in diesem Fall den Prozess nicht. Und das ist etwas ganz anderes. Mich hat der Verfall überrascht, weil ich eine Weile das Material links liegen gelassen hab. Es gab keinen Gedanken in mir, dass teilweise schöne Sofortbilder schneller verfallen als es mir lieb ist. Es ist eine Erkenntnis auch aus den letzten Wochen und Monaten: Wenn ich gegenständlich nicht anwesend oder dabei bin, können so viele Dinge geschehen bis dahin, das mein Werk eingerissen und als nicht mehr notwendig erachtet für immer terminiert wird.

Innerlich ein schwerer Schlag in die Magengegend, mit diesem Gedanken klarzukommen, stellt es doch viel Liebe, Zeit, Geld und Engagement von mir in Frage. Um daran etwas zu ändern, sollte ich die nächsten Kontingente der eigenen Nachhaltigkeit über meinem Tod hinaus widmen.

Was fange ich mit jenen Arbeiten an, die dem schnellen Verfall – plötzlich und unerwartet – geweiht sind? Wie gehe ich mit jenen Bildinhalten um, die eher aleatorisch veranlagt sind statt ein womöglich realistisches Motiv zeigen? Der Zerfall ist das Ergebnis des Versuches, das Sofortbild wiederzubeleben, ohne alte Patente zu berühren. Irgendwie handelt es sich also um Fragmente der Technologie, obwohl die gealterten Bilder den ursprünglichen Gedanken dieser Verschlagwortung nicht treffen.

Obwohl selbst nie live gesehen, erinnern mich die betreffenden Sofortbilder an Höhlenmalereien. Da sind meine naiven Bildbeschreibungen, nicht der Art technisch ausgefeilt wie heute üblich. Den Rest erledigt die Zeit und eine wohl falsche Wahl chemischer Zutaten beziehungsweise meine Lagerung im Karton, so dass manch Bildinhalt nur schwer oder gar nicht mehr zu erkennen ist.

Fotografische Höhlenmalerei! Ich möchte diesen Begriff fortan nutzen. Es bedarf des längeren Blicks auf das, was die Zeit ohne mein Zutun kaputt gemacht hat. Keine Schärfe kann eine Höhlenmalerei verständlich machen. Es ist das wache Auge, das erkennt und deuten kann. Es bedarf des kindlichen Blicks, des Freiseins vom Erwachsenen, um das Spielerische jenes Zeit zu erkennen. Vorzugsweise verbinde ich mit meiner „Höhlenmalerei“ Arbeiten auf schwarzweiss impossible-Material der ersten Generation. Dadurch engt sich die Anzahl der Bilder gewaltig ein, führt zu keinem inflationären Gebrauch meinerseits.

Autor: makkerrony

Makkerrony, der Macher des Lichtbildprophet, ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben. Ein Mensch behauptete mal, Makkerrony sei ein guter Fotograf, hat allerdings einen denkwürdigen Geschmack. Jemand anderes meinte, Makkerrony könne einen Haufen Hundescheisse fotografieren und es sehe gut aus. Ein Model lehnte die Arbeit mit dem Lichtbildprophet ab, weil seine Bilder so aussehen, als müsse sich das Model anstrengen.