Leica R3 – UPDATE

Sie ist (fast) ein Geschenk. Also der, der sie mir gegeben hat, äußerte sich nicht präzise wie ein Mann:

Ich schenke sie dir!‚ oder
Mach einen guten Preis und sie gehört sofort dir!‚.

Stattdessen höre ich nur verbale Drugserei. Ist es heute Usus, dass kaum ein Zeitgenosse Entscheidungen treffen möchte. Es beschleicht mich eher das Gefühl, als habe der Jetztmensch Angst sich in irgendeiner Form oder konkreten Meinung festzulegen. Lieber eiert man um den sprichwörtlichen heißen Brei herum, den es so gar nicht gibt. Überall Ausflüchte und lieblose Ausreden statt die klare Ansage.

Trotz der unklaren Besitzverhältnisse habe ich mir die Leica R3 etwas genauer angesehen. Es ist eben eine Leica, auch wenn die R3 in meinen Augen der Anfang vom Ende der Marke Leica ist. Die Firma Leica war es, die der Masse das Kleinbildformat brachte. Sicherlich dauerte es mit dem Totalen Sieg im Kleinbildformat noch weit bis nach Ende des Zweiten Weltkrieges, doch der Grundstein und damit auch eine gewisse Salonfähigkeit des Kleinbildformats war gelegt. Kleinbild verlangt, im Gegensatz zum Rollfilm oder der Fotografie auf Platte, die Vergrößerung, um Bilder abziehen zu können. Das muss die breite Masse auch erst verstehen und bereitwillig sein, dafür Geld in die Hand zu nehmen.

Die Leica R3 ist eine fast vollelektronische Analogkamera. Ohne Batterie steht nur eine Belichtungszeit (1/90 Sekunden) im X-Modus zur Verfügung und bleibt nur die Belichtungseinstellung über die Filmgeschwindigkeit und Blendeneinstellung. Der Wikipedia-Legende nach entstand die R3 aus einer Zusammenarbeit mit Konica. Die Produktion der Kamera wurde später nach Portugal ausgelagert. ‚Meine‘ R3 ist mit ‚Made in Portugal‘ gelabelt. Wenn ich etwas Gutes über die Kamera sagen soll, dann ist es ihr Gewicht. Wieviel sie auf die Waage bringt ist mir egal, sie ist schwer und damit in den Händen eines Grobmotorikers genau richtig.

In dem mir überreichten Zustand hatte die Leica R3 ein paar Macken. Die Mechanik der Belichtungskorrektur stimmte nicht mit der Anzeige überein. Folglich musste ich den betreffenden Skalenring um einen Lichtwert versetzen. Die Belichtungsmessung basiert auf einen CdS-Sensor, weshalb ich beim kamerainternen Belichtungsmesser lieber zur langsameren Belichtungszeit (M-Modus und sonst nichts) tendiere. Die Lichtdichtung war sehr bröselig, weshalb bei frühlingshaften Sonnenlicht einige Streifen das Negativ zieren. Originale Lichtdichtungen gibt es nicht, stattdessen werden zum Beispiel auf ebay handgeschnitzte Unikate für ca. 20 Euro (40 D-Mark) angeboten. Wenn man bedenkt, dass 10 Meter schwarzer Zellkautschuk (5 mm breit, 1 mm hoch) keine 5 Euro kosten, kann man mit etwas handwerklichem Geschick auf solch Wucher verzichten. Ein scharfes Cuttermesser, ein Stahllineal und eine doppelte Lage Dichtung entlang der gelben Fensteröffnung an der Filmkassette sind hilfreich. Abschließend das Gehäuse gereinigt und die Leica R3 ist wieder voll einsatzbereit. Im übrigen: Habe ich erwähnt, dass ich Schnittbildindikatoren hasse? In der Leica R3 und dem 50 mm-Wechselobjektiv ist so ein Mistding verbaut.

Doch im Moment treiben mich Gedanken um, die mobile Fotografie auf Kleinbild und Rollfilm nahezu vollständig einzustellen. Viel lieber möchte ich mich im Moment auf die Fundstücke konzentrieren. Wenn mir selbst der Sinn nach Fotografie steht, dann möchte ich eigentlich ausschließlich mit meiner Linhof auf Direct Positive Paper fotografieren. Die Spannung um das eine Unikat ist nur vergleichbar auf Sofortbild zu belichten. Alles andere kann mich im Moment nicht erfüllen. Es liegt wohl an meiner inneren emotionalen Flaute und die tagtägliche Erinnerung an die Endlichkeit des Lebens.

Update 31. Januar 2019
Schnäppchen-Alarm in der Bucht. Ein privater Verkäufer bietet eine R3 für sensationelle 45 Euro an. Da er von der Kamera keine Ahnung hat, bietet er sie ganz nach ebay-Unsitte als defekt an. Hätte er mal im Halbwissenmoloch Internet nach dem Handbuch gesucht und in zwei LR44 investiert, wäre ihm die Erleuchtung, eine vollfunktionsfähige Kamera in der Hand zu halten gekommen. Stattdessen beschreibt er treudoof wie sich die Kamera ohne Batteriepower verhält und man nicht weiß, wozu die X-Stellung da ist. Aus der Beschreibung wissend, dass die Mechanik läuft, gehe ich das Risiko ein, kaufe den Apparat und spendiere ihm noch ganz frisch aus dem Paket entnommen zwei Energiespeicher. YES: Kamera funktioniert. Äußerlich macht sie den Eindruck einem ambitionierten Knipser gehört zu haben und erwartungsgemäß sind die Lichtdichtungen hinüber. Zudem scheint sich ein Vollprofi am stümperhaften Versuch des Lichtdichtungstausch versucht zu haben, hat dabei aber zu starres Material verwendet. Folglich sperrt die Rückklappe und die Lichtdichtung zur Filmpatrone muss auch raus. Gott sei Dank habe ich noch ein paar Meter meiner samtweichen Neopren-Dichtung.

Heimlich, still und leise rückt die Leica R3 neben der Lomo LCA und meiner Nikon-Flotte zu den Kameras zum Gebrauch auf. Sie ist eine Poserkamera, die kleine Mädchen und unwissende Profifotografen in Ehrfurcht erzittern lassen soll. Ich bleibe bei der Meinung, dass die R3 (auch diese Kamera wurde in Portugal gefertigt) der Anfang vom Ende der Ära Leica ist.

Update 10. Oktober 2024
Ich wusste nicht, dass meine Worte über die Knipskiste Staub aufwirbelt: Da referenziert Wikipedia auf Ausländisch auf den weltberühmten Lichtbildprophet, weil ich „Made in Portugal“ in Portugal. Das ist Wikipedia. Ob es eine Ehre ist, ich habe Zweifel daran und verweise auf meine Schmähschrift „Bachelor of Wikipedia„.

Dann erreicht mich zum zweiten Mal eine Mail von ein und demselben Leica-Fan. Toll ist, dass meine Texte gelesen werden und es mal wieder Feedback abseits der Spameinträge und -nachrichten angeblich fickwütiger Zuckerschnecken gibt. Ich möchte die Euphorie dämpfen: Die beiden Leica R3 nebst Objektive oxidieren in meiner (Kamera-)Waffenkammer vor sich hin. Kameramäßig bin ich mit der Nikon F70 oder der Lomo LC-A unterwegs. In der Zwischenzeit ist ein Teil meiner Kameras verkauft oder entsorgt, wenn sie keinen Käufer gefunden haben. Im Heimatelier knipse ich mit den Holzkameras 13 x 18 oder 18 x24. Selbst meine geliebte Exa 1b oder die Certo-phot langweilt sich. Ich bin über die Jahre bescheiden geworden, verzichte auf viel Technik, was ich nicht aktiv nutze und keine Miete an mich zahlt, fliegt aus dem Betonpalast.

Autor: makkerrony

Der Macher des Lichtbildprophet ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben.

Ein Gedanke zu „Leica R3 – UPDATE“

  1. Kontakt per Mail vom 10. Oktober 2024:

    GUTEN MORGEN, DIE R3 IST MEINE LIEBLINGS LEICA. HABE ALLE MODELLE, AUCH MOTOR UND DRIVE, AUSSER GOLD UND DAS SONDERMODEL „LHSA“. PRÜFEN SIE NOCHMAL DIE KOOPERATION „KONIKA“. ICH BIN MIR SICHER ES IST BEI DEN R MODELLEN „MINOLTA“ GEWESEN. DANKE FÜR IHREN BERICHT. HAT SPASS GEMACHT IHN ZU LESEN. GRÜSSE AUS DEM SCHÖNEN VOGELSBERG, (Name entfernt, Anm. d. Makkerrony) EDIXA FAN SEIT 1962

    Meine Antwort vom 10. Oktober 2024:

    Guten Morgen,
    danke für Ihr Feedback. Ich meine, Sie hatten mich zum Thema Leica R3 bereits mal angeschrieben. Bzgl. der Kooperation Konika/Minolta beziehe ich mich in meinem Text – wie geschrieben – auf die Aussage in Wikipedia zum Zeitpunkt, als der Beitrag geschrieben wurde. Insofern sehe ich keinen Grund, neu zu recherchieren oder den geschlossenen Beitrag zu ändern. Zwar ist es mit meinen Augen auch nicht mehr alles gut, Sie brauchen dennoch nicht Ihre Nachricht in Großbuchstaben schreiben. In der Netiquette bedeutet alle Buchstaben groß schreiben, dass Sie laut schreien. Beste Grüße, Makkerrony

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