Verzögerungen

Da rufe ich die Erotische Seite des Fotografischen Depressionismus aus, der Aboleser des Lichtbildprophet rutscht aufgeregt auf seinem Klappstuhl hin und her und dann passiert hier nichts in Sachen barfüßiger Weibchen mit viel Ausstrahlung. Stattdessen lädt das Großmaul Ich nur ‚altes‘ Zeug hoch. Wenn ich mich in meiner realen Welt so umschaue, dann ist an meinem Verhalten aber nichts Auffälliges. Eben frei nach dem Gutmenschmotto und seiner Lieblingsausrede: ‚Andere machen es doch auch so‘. Erst einmal was laut in die Welt rausrülpsen und dann sehen wir weiter. Aber es geschieht etwas, was sich zumindest auf Instagram verfolgen lässt.

In der Tat lagen zum Zeitpunkt, als ich die Verkündigung verkündete, ein Stapel 18 x 24 cm gelithete Weibchenposen auf ORWO-Fotopapier zum Scannen bereit. Ich hatte aber keinen Bock, habe lieber ‚Game of Thrones – Die dritte Staffel‘ geschaut. Währenddessen hat die allgemeine Luftfeuchtigkeit vor allem die Ränder der Handabzüge fantastisch wellig werden lassen. Ich muss erwähnen, dass das gute alte ORWO-Fotopapier nicht mit dem heute üblichen Karton des Barytpapiers vergleichbar ist. Die Grammatur des ORWO-Papiers erinnert eher an gutes, jedoch nicht nobles Büropapier. Weiter mit dem sich wellenden Fotopapier: Ich versuche es – wie sonst auch – mit dem Pressen. Warum auch immer verschlimmbessert sich alles. Vielleicht liegt es wirklich daran, dass es die letzten Wochen in Berlin viel geregnet hat. In meinem Homeoffice verzichte ich auf Heizen, der lieben Umwelt, meinem Geldbeutel und dem benötigten Arbeitsklima zuliebe wegen. Die raschen Temperaturwechsel von kalt nach warm und wieder zurück tun da ihr Übriges. So ein Bogen altes DDR-Fotopapier kommt da nicht mit und schnell aus dem flachen Tritt.

Etwas länger gehe ich mit dem Gedanken schwanger, mir eine Presse zuzulegen. Ich bin nicht Obelix, um wieder und wieder große Hinkelsteine auf die Bögen in meiner Hilfsapparatur zu hieven. Geschweige denn, dass ich so viele große schwere Bücher mein Eigen nennen kann, um damit widerspenstiges Ostzonen-Fotopapier in Massen zu glätten. Mit dem Ziel, irgendetwas Brauchbares im Stil einer Blumen- bis Bücherpresse zu finden, begebe ich mich in die Bucht und nach Amazonien. Die Suche ist ernüchternd. Die Bucht bietet rostige Haufen Altmetall zum Preis jenseits von Gut und Böse. In Amazonien kommen potentielle Kandidaten aus China oder es handelt sich um Produkte, die stolze Spätgebährende für nachhaltig-vegane Kindernachmittage kaufen würden. Das reicht mir nicht. Pressen bis A4 und mit ordentlich mechanischem Druck muss möglich sein.

Eine Buchpresse macht einen guten Eindruck, kommt aber aus England. Vor mir liegend macht das Teil sogar einen viel besseren Eindruck. Lediglich die Spar-Flügelmuttern sind für den Preis eine absolute Zumutung. Wie soll ich da durch Drehen der Muttern Druck auf die Blätter ausüben? Zum Beispiel mit einem Flügelmutterschlüssel? Dafür möchte man um die 10 Euro in der Plastik, um die 20 Euro in der einfachsten Metallvariante haben. Hersteller und Verkäufer haben irgendwie die Bodenhaftung verloren. Ich muss mir neue, großflügligere Flügelmuttern suchen. Das Erlebte schreibe ich auch als Rezension auf Amazon nieder, vergebe drei von fünf möglichen Sternen. Das führt dazu, dass die Rezension bei Amazon erst einmal auf Eis liegt und 72 Stunden braucht, bis sie veröffentlicht wird. Zum Vergleich: Eine vier Sterne Rezension zur selben Zeit geschrieben, war ein paar Minuten später online!

Das ist also der aktuelle Stand: Die Erotische Seite des Fotografischen Depressionismus wird noch gepresst! Es wird eine Weile brauchen, bis hier etwas zum Jahresprojekt geschieht. Natürlich habe ich das große Datenorakel Google zum brennenden Thema ‚Handabzüge glätten‘ befragt. Ich finde viele Antworten, die vom Thema – selbstbekundet – keine Ahnung, dafür aber eine Meinung haben und sich etwas vorstellen können. Juhu, danach suche ich nicht. Wenn etwas halbwegs Seriöses zu lesen ist, dann bleibt es bei den üblichen Verdächtigen wie halbtrocken mit dem Pressen beginnen, glatt bügeln oder noch einmal in der Trockenpresse nachbehandeln. Mein gefundener Toptipp: Ein Vollhonk schlägt vor, einfach die welligen Ränder abschneiden. Und so etwas nennt sich Profi, der technisch perfekte Handabzüge machen will.

Um mich wirklich etwas wetterunabhängig von dem launigen – dünnen – ORWO-Fotopapier zu machen, bleibt wohl nichts anderes übrig, als die fertigen Abzüge auf stärkeres Papier aufzuziehen. Die Gelatineschicht machte bisher den Eindruck, als kann sie das Prozedere noch vertragen. Vorsorglich werde ich die verstärkten Handabzüge etwas wachsmäßig Pflegen müssen, um sie dann final doch noch einmal zu pressen. Eine aufwändige Prozedur, aber das gehört zum guten Bild nun mal dazu. Der professionelle Digitalknipser wird damit nichts anfangen können, vertraut er doch auf seinen Bildschirm, Tintenstrahlausdrucke oder Automatenabzüge auf Kunststofffolien. Der Narr weiß gar nicht, was ihm dabei entgeht.

Autor: makkerrony

Der Macher des Lichtbildprophet ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben.