Abwaschwasser-Entwicklung

Bei massentypischen Schwarzweiss-Positiventwicklungen ertappe ich mich immer wieder, auf den klassischen Bildausdruck hin zu entwickeln. Und als ob die Lichtschwäche in der hochgefahrenen Dunkelkammer die eigenen Scheuklappen zuziehen, reite ich den Stiefel bis zum Umfallen. Dabei schwebt mir etwas ganz anderes vor. Die Symptome sind mir nicht ganz unbekannt, leide ich selbst beim hybriden Workflow darunter. Meine eigentliche Intention ist eher einen quasi ausgewaschenen Stil ins Fotopapier zu entwickeln, der nur wenig Tiefen-Highlights setzt. Tichy lässt grüßen.

Es ist nicht damit getan, den Positiventwickler einfach zu verdünnen und mögliche Tonverschiebungen mit einem Selenbad zu korrigieren, selbst wenn sich die Entwicklungszeit dadurch verlängert. Irgendwie behält die dünnere Arbeitslösung jene Kraft, ein möglichst perfektes Schwarzweiss-Positiv abzuliefern. An der Belichtung etwas zu ändern ist da auch wenig Erfolg versprechend, gehen dadurch Details in den Lichtern verloren.

Letztgenanntes Argument ist mir wichtig. Selbst im Ausgewaschen-Look soll in den für mich wichtigen Bildabschnitten partiell eine sichtbare Abstufung erkennbar sein. Ich halte nichts davon, den Abzug erst etwas stärker zu belichten und zu entwickeln, um dann zum Beispiel mit dem Farmerscher Abschwächer gegenzusteuern. Das ist mir selbst in hohen Verdünnungen (zum Beispiel 1 + 100) ein zu gewagte Lotteriespiel.

Positiventwickler haben den Vorteil, dass sie verdünnt über Wochen bis Monate haltbar sind. Zwar lässt die Entwicklungskraft mit der Zeit nach, doch man kann die Arbeitslösung mit einem Schuss frischen Ansatz wieder aufstocken. Dieses sogenannte Replenishment ist nicht unbekannt, einige Entwickler werden genau daraufhin konfektioniert.

Replenishment klingt gut, dennoch sprechen für mich zwei Gründe dagegen. Ziel des Verfahren ist es, den Entwickler auf einem gewissen – guten – Entwicklungsniveau zu halten. Ich brauche keinen „guten“ Positiventwickler, den ich vorher dreiteile, um ihn wieder im ein Drittel aufzupäppeln. Das kommt nicht meinem gewohnten Arbeitsfluss in der Dunkelkammer entgegen.

Ein Entwickler enthält neben den Entwicklungssubstanzen auch Zusatzstoffe, die den Zerfall dieser Substanzen unterbinden sollen, sie sogar regenerieren. Das hat natürlich seine Grenzen, weshalb eine angesetzte Arbeitslösung nicht ewig halten kann. Insbesondere der Luftsauerstoff ist der Todfeind vieler Entwickler. Gedanken zum pH-Wert mache ich mir nicht.

Ein von mir hoch geschätzter Fotochemiker würde jetzt von „immer ihr Gepansche“ reden: Ähnlich dem Hermann-Teig steht in einer dickwandigen Kunststoffflasche ein Entwickleransatz in meiner Dunkelkammer. Besagte Flasche ist möglichst randvoll gefüllt. Dieser Ansatz wandert in die Entwicklerschale. Anschließend wird das Fotopapier normal belichtet und der Zustand der Arbeitslösung getestet.

Entsprechend der Entwicklungszeit und dem Schwärzungsgrad entscheide ich, ob ein paar Spritzer frischen Entwicklerkonzentrats dazu kommen oder nicht. Dabei spielt der Entwickler (Warmton, neutral, Kaltton, mit oder ohne Hydrochinon) selbst keine Rolle. Im Laufe der Zeit entsteht so ein Ansatz, der grundsätzlich nie modern-kontrastbetont entwickeln wird und dessen Entwicklungsleistung immer für eine Überraschung gut ist.

Im Sinne reproduzierbarer Ergebnisse ist dieses Vorgehen für Tonwertperfektionisten ein absolutes No-Go. Dennoch habe ich einige – für mich – gute Ergebnisse aus diesem Abwaschwasser (daher Abwaschwasser-Entwicklung getauft; Neudeutsch 2WD) gefischt. Immerhin besteht die Möglichkeit, mittels den bekannten Farbfolien auch am Papierkontrast zu drehen, so in gewisser Weise exotische Entwicklungen zu erzielen. Das Wandeln auf dem Grat des Umkippen der Arbeitslösung birgt natürlich das Risiko, dass der Bogen Fotopapier nahezu weiß bleibt. Ein paar Spritzer Konzentrat schiebt den Entwicklungsprozess wieder an.

Abgesehen von meinem Gusto beim Entwickeln des Positivs hat der Abwaschwasser-Entwickler für mich noch einen anderen Pluspunkt: Ich kann mit einem Bad am Sabattier-Effekt (Pseudo-Solarisation) arbeiten. Zwar dauert der erste Entwicklungsschritt etwas länger, dafür läuft nach der Zweitbelichtung der Prozess gut handhabbar ab.

Autor: makkerrony

Makkerrony, der Macher des Lichtbildprophet, ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben. Ein Mensch behauptete mal, Makkerrony sei ein guter Fotograf, hat allerdings einen denkwürdigen Geschmack. Jemand anderes meinte, Makkerrony könne einen Haufen Hundescheisse fotografieren und es sehe gut aus. Ein Model lehnte die Arbeit mit dem Lichtbildprophet ab, weil seine Bilder so aussehen, als müsse sich das Model anstrengen.