Ende Pausenbilder – Es geht analog weiter!

Am 10. August diesen Jahres zeigte der weltberühmte Lichtbildprophet hier die letzte Bildarbeit, die im mittlerweile aufgelösten Atelier Flackerlight angefertigt wurde. Es handelt sich um einen Ronymol-Abzug auf überlagertem ORWO-Dokumentenpapier. Die Aufnahme selbst ist bereits ein paar Jahre her. Anfang 2024 habe ich damit begonnen, alte Aufnahmen auf ORWO-Dokumentenpapier abzuziehen und sie auf diese Weise neu zu interpretieren. In den Prozess hinein platzte die Entscheidung, Flackerlight dichtzumachen und in unserem Betonpalast einen Raum als Heimatelier zum Knipsen und Klecksen einzurichten.

In der Folge waren seit dem 11. August 2024 hier tagtäglich eine Aufnahme aus dem digitalen Archiv des Lichtbildprophet zu sehen. Die digitalen Arbeiten standen unter dem Motto Classic Digital oder Digital Poison. Was für eine dumme Frage, vor allem auch in Hinblick um den Hype der sogenannten Künstlichen Intelligenz: Mit seinen Fehlern und Schwächen haben analoge Bilder den deutlichen größeren Gestaltungsspielraum, man muss nur die Imperfektion zulassen. Mehr geht einfach nicht, egal wie intelligent der Computer und sein Programm sein mag. Und so stellt sich bei mir schnell Verdruss ein, wie angekündigt 77 Tage hintereinander digitalen Schund und Schmutz zu zeigen.

Auch wenn beim Umzug nicht alles so lief wie geplant, war die lange Pause nicht wirklich notwendig. Anfang September entsteht die erste Bildarbeit in der neu eingerichteten Dunkelkammer und Mitte September geben wir die Räume des Atelier Flackerlight an den Vermieter zurück. Selbst ein Shooting haben die Lichtbildperle und ich gemacht, um ein erstes Gefühl für das neue Atelier und die Tageslichtsituation zu bekommen. Es kann also im Heimatelier weitergehen, wie es Mitte August im Atelier Flackerlight geendet ist:

Handgemachte Qualitätsabzüge auf überlagertem ORWO-Fotopapier von vor 1990, das seines Alters wegen in der Dunkelkammer viel Zuwendung braucht und einen anderen (analogen) Blick auf die Fotografie erfordert.

6 aus 37

Es geht in diesem (Kurz-)Beitrag nicht um Lotto spielen, um Gewinntipps für irgendein Onlinecasino oder das Zocken allgemein. Es geht, wie sollte es hier anders sein, um eine Bilderserie und eine Variante, meine Negative mal anders als mit dem Lithverfahren abzuziehen.

In der Regel verwende ich Schwarzweissfilme, auf die 36 Kleinbildaufnahmen passen sollen. In der Praxis sind es überwiegend 37 Aufnahmen. Es können auch ein paar mehr Aufnahmen sein, nehme ich zum Beispiel die Lomo LCA als Grundlage für meine Behauptung. Aber der gemeine Durchschnitt, so denke zumindest ich, wird bei 37 Aufnahmen liegen. Gibt es doch auch hin und wieder Schwarzweissfilme mit nur 24 Aufnahmen.

Beim Stöbern und Entern in der Bucht, ich zähle mal Kleinanzeigen mit dazu, hat die Lichtbildperle über 1000 Bögen ORWO Dokumentenpapier aufgerissen. Dieses technische Fotopapier lässt sich der Theorie nach wie normales Fotopapier entwickeln und fixieren. In der Praxis braucht der Hauch von DDR-Fotopapier im A4-Format einen harten, vorzugsweise mit Hydrochinon gepimpten Kontrastentwickler. Momentan nutze ich als Basis TETENAL Dokumol, gestreckt mit Lith A aus dem Hause Moersch und die Suppe von mir liebevoll Ronymol getauft.

Blättere ich in den Lebensläufen größerer Lichtbildkünstler als ich einer bin, werden gerne mal alte Negative mit neuen Verfahren abgezogen. Und da der Dokumol allmählich die Farbe ins Bernsteinbraun wechselt, habe ich beschlossen, mit der Kombi Ronymol – ORWO Dokumentenpapier das Negativarchiv durchzusehen und meine Highlights aus den 37 Aufnahmen eines Negatifilms sechs Abzüge anzufertigen.

Warum gerade sechs?

Die Antwort ist banal: Auf meinem Trocknungstisch passen nur sechs A4-Fotoabzüge. Ausserdem fehlt es mir an Beschwerung. Diese Dokumentenpapier ist so dünn, dass es an den Ecken verschwert werden muss, um es am Kräuseln beim Lufttrocknen zu hindern.

Spaziergang in einem Albtraum

Die letzten Tage waren wettermäßig so schön, dass ich trotz weniger Grad über Null allein zur inneren Erbauung losziehe und die Lomo mit einem uralt Svema Foto 250 ausführe. Im Vorfeld finde ich wenig bis gar nichts zum Entwickeln dieses Films aus dem Jahre 1989. Standardsuppe. Was ist Standardsuppe? Auch ein fotografiebegeisterter Kollege haut mir den Begriff „Standardsuppe“ verbal um die Ohren. Ich gebe mir keine Blöße und mime gerne den Unwissenden: „Was für eine Standardsuppe? Ich kenne keine Standardsuppe.“ Die Antwort bleibt mir mein Gegenüber schuldig. Wer ist der Unwissende von uns beiden?

Mein Standard sind 1 + 25 Rodinal und der MakkerRony-Move. Aber außer mir wird Letztgenannter keiner kennen und doch ist es Standard, mein Standard. Und ich bin eine beachtenswerte individuelle Persönlichkeit, die es nach Gutmenschrecht bis zum Sankt Nimmerleinstag zu pampern gilt.

Ich versuche aus den Werten zum Svema Foto 100 und 400 eine Linie zum 250 zu ziehen. Da die Lomo LCA ohnehin nur eine Empfindlichkeitseinstellung in ganzen Schritten erlaubt, wird der Svema Foto 250 als EI 200 belichtet. Eine etwas längere Belichtung sollte wenigstens zu einem Teil alterungsbedingte Schwächeerscheinungen kompensieren. Den Rest muss die Entwicklung bringen. Nur welche Zeit? Auf der Packung stehen 9 Minuten Entwicklungszeit, das kriege ich mit meinen Russischkenntnissen noch hin. Nur welcher Entwickler ist gemeint? Bestimmt eine Standardsuppe, die sich mir nicht erschließt.

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Ein Buch von Seite 99 bis 111

Ich schreibe gerade ein Buch. Schreiben ist etwas übertrieben, denn ich weiss nicht, ob ich je ein Wort zu dem Buch beitragen werde. Das Buch, es handelt über ein Abschnitt in meinem Leben. Kleiner Abschnitt. Es geht um einen Neuanfang, sich wiederfinden und weitermachen ohne stehen zu bleiben. Nach der „Schock-Diagnose“. Die Diagnose Krebs ist für mich kein Überraschungsmoment, keine Schock-Diagnose. Trotz „Heilung“ ist Krebs für mich Realität, ist Teil meines Alltags. Deshalb kann das Buch nicht mit der Seite 1 beginnen oder ein Vorwort haben. Genauso wenig wird dieses Buch ein Ende haben, geschweige denn einen Epilog. Das Gute ist vergänglich, trotzdem geht das nicht.

Ich lasse Willkür walten, weil ich es in freien Gedanken als Bild- und Worthandwerker kann. Das Buch ohne viel Worte beginnt bei Seite 99 und findet sein Ende in der Seite 111. Nun denkt der Fantasielose an dreizehn Seiten. Ein Buch mit dreizehn Seiten, wer will so etwas haben, wo doch auch wenig Worte zu lesen sind? Zu groß ist eure Verallgemeinerung. Ich sage nicht, dass nur dreizehn Seiten sind. Das Buch von Seite 99 bis 111 hat mehr Seiten als Verstand und Vernunft erahnen lassen. Die Fantasie, sie schreibt mehr Seiten und tut sie einfach zwischen die anderen Seiten. Und doch bleibt es bei Seite 99 bis 111.

Schon vor Wochen habe ich begonnen das Anfang und Ende des Buches zu schreiben. Auf meine Weise. Die Seiten lagen lange herum, mir fehlte das Weiter im Kopf. Ich denke gerade positiv. Für mich. Es fühlt sich so sinnlos an. Über das Dazwischen waren keine Gedanken frei. Ich dachte, es wird nicht viel sein. Corona, Pandemie, Lockdown, eine weite Anreise und jeder hat seine Geheimnisse. Es könnte alles ganz anders sein als es den Anschein hat. Mein Kopf, er tat ihr Unrecht und hat vieles aussortiert was überhaupt nicht aussortiert gehört. Wir haben uns oft, wenn nicht sogar viel gesehen. Es ist genug, wenn nicht sogar vieles da, was ich auf dreizehn Seiten und mehr ihr zeigen kann. Mein Kopf und ich, wir sind gleiche Seelen in ungleichen Welten.

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Altes Zeug für neue Lichtbilder

In den letzten Wochen habe ich damit begonnen, auch beim Knipsen mit altem Filmmaterial zu arbeiten. Aktuell bedeutet das, dass gut abgelagerter Kodak Tri-X und ORWO NP22 im Atelier zum Einsatz kommen. Für draußen sind noch ein paar ORWO NP20 da, die sich in der Lomo LCA vergnügen dürfen. Beim Fotopapier ist es wie gehabt das ORWO Fotopapier und der Lith-Prozess. Auf einigen Verpackungen war ein Datum mit der Jahreszahl 1975 aufgestempelt. Fast ein halbes Jahrhundert altes Fotomaterial übt seinen kreativen Dienst in meiner Dunkelkammer aus.

Beim Zukauf von Filmmaterial bin ich ehrlich gesagt etwas vorsichtig. Trotz meines Hang zur Imperfektion sollten die Negative gut brauchbar sein. Ist das nicht der Fall, mache ich das Negativ zum Positiv und decke kurzerhand die Rückseite weiß ab. OK, bei Kleinbildmaterial lohnt sich das „PosaNeg“ allein aufgrund der Größe nicht, doch ich habe noch ORWO FU5 in der Größe 18 x 24 cm, was ich genauso wie beschrieben als Positiv verarbeite. Auch hier wieder die Lith-Entwicklung. Da das Entwicklen des Positivs auf dem Negativ nicht ganz so trivial wie beim Fotopapier ist, fällt das Ergebnis meist etwas kräftiger aus. Der Farbigkeit wegen hilft folgender Trick: Das PosaNeg ein paar Minuten in Selentoner baden, nach dem Wässern im Farmerschen Abschwächer die Vorlage solange baden, bis das gewünschte Ergebnis gegen Weiß als Hintergrund entstanden ist.

Ohne ihre Streifzüge durch die Bucht, bei der sich das eine oder andere Schnäppchen auftat, wäre ich nicht auf die Idee gekommen, derart altes Schwarzweiß-Material einzusetzen. Eigentlich gab es keinen Grund einen Zweifel zu haben, dass es nicht seine Arbeit macht. Es sind eher die Verkäufer, die angeben alles sei in Ordnung und dann hat man das Kuckucksei im Netz. Glücklicherweise sind alle bisher aufgetretenen verdeckten „Mängel“ handelbar, sorgen sogar für Highlights der Imperfektion. Was Entwicklungszeiten für die alten ORWO Filmmaterialien angeht, hilft die alte DDR-Fachliteratur weiter. Dabei behandle ich den NP22 beim Belichten wie einen ISO 100-Film und gebe statt der fünf Minuten im Rodinal 1 + 25 zwei Minuten drauf. Den NP20 behandle ich wie einen ISO 50-Film, der an die 9 Minuten im 1 + 25-Rodinal entwickelt wird. Die Erfahrungswerte erweisen sich bei mir als brauchbar.

Beim Abzug auf altem abgelaufenen Fotopapier kann ich direkt beim Lithen gut auf die Eigenheiten des Materials reagieren. Was bei der einen Packung Fotopapier funktioniert, läuft beim anderen, scheinbar gleichen Fotopapier ganz anders. Und so ist jeder Abzug nahezu individuell. So kann ich beim abgelaufenen Film nicht herangehen. Hier muss ich vorsichtig agieren und möglichst nur einen Parameter ändern. Anderenfalls ist der Film und damit ein Shooting Ausschuss. Auch das blieb mir bisher erspart. Die Abzüge lasse ich an der Luft trocknen. Wenn ich beim Versuch, das Fotopapier an der Kante zu glätten, ein leichtes Knacken höre, dann wird die Bildseite mit einem Alkohol-Glyceringemisch (4 + 1) behandelt. Nach einer Trockenzeit ist die Gelatineschicht wieder etwas geschmeidiger und bricht nicht so schnell. Es ist halt Fotopapier, was über 30 Jahre und mehr irgendwo im Keller oder auf dem Dachboden lag.