Exa 1b

Wie startet die typische Fotografenbiographie? Onkel, Opa, Vater oder der Liebe Gott persönlich hat dem heute als Großmeister agierenden Kamerahalter eine Kamera proforma vererbt und man hat vor lauter Glück ab diesem Moment nie wieder von der Fotografie lassen können. In mir kommt bei dieser abgedroschenen Rührseligkeit immer ein Würgereiz auf, der nur noch durch das klassische Fotografenportrait – die vor eine Gesichtshälfte gehaltene Kamera – eine Steigerung widerfährt und in eine kaum zu bremsende Brechorgie mündet.

In meiner Kindheits- und Jugendphase gab es einige Kameras, die ich halten, durch sie hindurchgucken und sogar auslösen durfte. Daraus den Moment des fotografisch-kreativen Einschusses zu deuten ist glatt übertrieben. Es gab lediglich dieses beinahe erotische Zusammentreffen zwischen einer Exa 1b und mir. Nach diesen Berührungen einschließlich dem Auslösen von Aufnahmen haben wir uns beide für Jahre aus den Augen verloren.

Diese Kamera ist – für meine Verhältnisse – relativ klein und – glücklicherweise – schwer. Man kann mit ihr und einem eingesteckten Lichtschacht die Bauchnabelperspektive fröhnen, oder, um als hyperaktiver Fotograf kleine Mädchen auf den Boden liegend zu beeindrucken, das Prisma aufflanschen. Dazu kommt noch das einmalige Geräusch beim Auslösen der Exa 1b. Es ist so ein animalisches Klacken des Klappverschlusses. Nerds reden hier von einer Billigvariante im Verschlusswesen.

Besagter Kamerakontakt kam per Zufall durch einen befreundeten Nachbarsjungen zustande. Er besass diese Kamera, ließ sogar einen Dilettanten wie mich damit fotografieren. Nicht der Moment, eher diese Zeit in Berlin-Pankow in der Nähe des U-Bahnhofes Vinetastrasse, war prägend für mich. Sie gab mir einen wagen Eindruck von dem, was Fotografie vermag. Ich sollte erwähnen, dass ich von der analogen Fotografie rede.

Es hat weit mehr als zwanzig Jahre gedauert, bis Fotografie als solches für mich an Bedeutung gewonnen hat. Und es hat noch einmal ein paar Jahre gedauert, bis es zur Abnabelung vom digitalen Irrweg kam und ich mir eine Exa 1b mit Prisma zulegte. Die zweite Exa 1b folgte wieder Jahre später, war ein Geschenk und sie hatte endlich einen Lichtschachtsucher.

Aufgrund der knappen Ressourcen in Sachen Belichtungszeiten (4 Stufen + B) ist das Normalo-Fotografieren mit der Exa 1b schon eine gewisse Herausforderung. Je nach Lichtsituation kann man ruhig zu verwegenen Filmgeschwindigkeiten (zum Beispiel ISO 25/15°) greifen, die den historischen Gegebenheiten der Kamera gerecht werden. Ansonsten ist gerade ihre Beschränktheit und die Möglichkeit der Pull- und Pushentwicklung eines Films die Möglichkeit schlechthin, kreativ mit der Exa 1b zu arbeiten.

Für wen meine Beschreibung zu viel Emotion und zu wenig Technik ist, der kann gerne bei Camerapedia nachlesen oder das Datenorakel nach deutschsprachige Beschreibungen und anderen techniklastigen Erlebnisberichten zur Exa 1b befragen.

Autor: makkerrony

Makkerrony, der Macher des Lichtbildprophet, ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben. Ein Mensch behauptete mal, Makkerrony sei ein guter Fotograf, hat allerdings einen denkwürdigen Geschmack. Jemand anderes meinte, Makkerrony könne einen Haufen Hundescheisse fotografieren und es sehe gut aus. Ein Model lehnte die Arbeit mit dem Lichtbildprophet ab, weil seine Bilder so aussehen, als müsse sich das Model anstrengen.