Keine Zeit – So liest sich das Buch

‚Arduino wurde unter anderem auch für Künstler gemacht, damit sie mittels Mikrocontroller kreativ arbeiten können‘ :was für ein niederträchtig-scheinfrommer Wunsch! Elektronik und Programmieren bleibt kryptisch. Node RED?! Genauso ein Möchtegern-Schwachsinn mit dem bedeutungsschwangeren Namen IOT – Internet der Ding -, viel Tamtam, bezahlte Vorschusslorbeeren und außer viel verbalem Dünnpfiff wenig dahinter, weil genauso kryptisch. Dennoch, ich bleibe dran und versuche mich mit dem Uno, Mega und einem Raspberry durch diese verseuchte Mittelerde nach Hobbitland durchzukämpfen.

Glücklicherweise steht mir eine umfangreiche Hausbibliothek zur Verfügung. Für die jungen Leser des Lichtbildpropheten: Früher gab es kein Internet, keine Smartphones und Tablets, geschweige denn Wikipedia, weshalb wir uns das Wissen aus Büchern (rechteckige Kisten mit Blättern drin) saugten. Also ich ab in diese Bücherei, suche mir ein hochgelobtes ‚Raspberry-Kochbuch‘ raus, das in zweiter Auflage auch den Pi 3 (meiner, im schmucken Himbeer/Weiß-Gehäuse) und die Verbindung zum Arduino behandelt. Alles einfach, alles leicht nachzuvollziehen, so jedenfalls die Meinung des Maker-Volkes, früher Bastler und Tüftler genannt.

Was bin ich froh, dass ich den Titel nicht gekauft habe!

Ich hätte eine Klage gegen den Verlag angestrebt: Beschriebene Skripte befinden sich nicht im angegebenen Downloadbereich. Selbst der ausländische Autor (es ist eine Übersetzung) bietet diese Skriptdatei nicht an. Codebeispiele, die angeblich alle selbst und höchstpersönlich geprüft wurden, funktionieren nicht. Es wird mit fremden Inhalten operiert, die seit Jahren nicht mehr gepflegt werden. Für diese dilettantische Meisterleistung ruft der Verlag 30 Euronen = 60 Deutschmark auf. Ich weiß warum man den Tatbestand des Wuchers abgeschafft hat. Dieses Buch – und ein paar andere auch – würde in diese Kategorie fallen.

Gespräch unter Kollegen, die beide auf Parallelbahnen an der Pseudoleichtigkeit der Arduino/Raspberrywelt arbeiten:

Ich: ‚Was meinst du denn, wie viel Zeit hat ein Autor, solch ein technisches Buch zu schreiben?‘
Kollege: ‚Na, zwei bis drei Jahre?‘
Ich muss lauthals lachen: ‚Ein Vierteljahr ist bei solch aktualitätsrelevanten Themen schon viel. Für meine Titel musste ich kämpfen, ein halbes Jahr haben zu dürfen.‘

Ja, ich habe selbst vier Buchprojekte abgeschlossen, ein fünftes und sechstes wegen diesem massiven Druck des Verlags abgebrochen. Denn: Der Autor schreibt auf eigenes Risiko. Es gibt keine Mindestvergütung, man muss als Autor auf gute Verkaufszahlen hoffen, um für den Stress entlohnt zu werden. Warum sind also die guten Autoren alle verschwunden, machen heute auf Power-Workshopleitung oder Reiseführer, und die Z-Liga der schreibenden Hiwi’s verfassen das, was ich für unverschämt hohe Summen kaufen soll? Der Turbokapitalismus ist im Autorengeschäft schon lange angekommen und treibt sein Unwesen mit halbwissender Präzision.

Kollege: ‚Das hätte ich nicht gedacht.‘
Ich: ‚Ich sollte mal ein Buch zu einer GIMP-Version schreiben, die von den Freizeitprogrammierern als große Neuerung angekündigt wurden. Einfach so ins Blaue und an eventuell verfügbare Beta-Versionen, damit der Verlag bei Veröffentlichung der Version – möglichst – als Erster auf dem Markt präsent ist. Mal abgesehen, dass mir die Art und Weise nicht gefallen hat, mir das Risiko zu hoch war: Dieses Buch konnte nur Scheiße werden und ich als Autor und mit meinem echten Namen hätte für die Geldgier des Verlags den Kopf hingehalten. Die rezensierenden Fotzköpfe auf Amazon und Hilfskritiker in ihren Blogs dreschen auf mich und nicht auf den Peitsche schwingenden Produktmanager des Verlags ein.

Zurück zu dieser ‚Alle müssen Arduino, weil so einfach‘ und ‚Raspberry ist so toll‘-Nummer. Egal was ich im Buch nachschlage oder am Computer aufrufe, alle lassen eine LED blinken oder machen das, was andere auch schon gemacht haben. Etwas Innovatives, was die Existenz dieser Miniaturcomputer rechtfertigt und was sich vom künstlerisch-wertvollen Dummy wie mich wirklich verstehen lässt, habe ich – noch – nicht gefunden. Alles ist Patchwork, wild zusammengesammelt, grob miteinander verhäkelt und eigentlich schon morgen überholt. Dafür bekomme ich primitive Installationsanleitungen, über Seiten ausgewalzt, die so keine Not tun. Die Notstrommeister schweigen sich an den entscheidenen Momenten aus, nicht wegen dem Know how, sondern weil sie selbst keine Ahnung haben oder eine Scheinwissenschaft aus gefühltem Halbwissen vertreten.

Im wahren Leben Koch in einer Großküche, zu Hause am Computer der Chefelektroniker mit Youtube-Kanal. Wenn es nicht so traurig wäre, dann könnte ich drüber lachen und Freudentränen vergießen. Es ist ja nichts dagegen einzuwenden, dass jemand sein Erfolgserlebnis beschreibt und mit der Welt teilt, doch dann sollten ein paar ingenieurwissenschaftliche Prinzipien gewahrt werden:

Persönliche Meinungen haben in einem Bericht nichts zu suchen.
Was zählt sind Fakten, belegbar oder mittels Protokolle nachgewiesen.
Reproduzierbarkeit für Externe.
Eingrenzen der Gültigkeit.
Im Fall der Fälle: Berichte aktualisieren und anpassen (bei entdeckten Fehlern, Produktaktualisierungen usw.)

Ist doch ganz einfach.
Ich habe fertig!

Autor: makkerrony

Makkerrony, der Macher des Lichtbildprophet, ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben. Ein Mensch behauptete mal, Makkerrony sei ein guter Fotograf, hat allerdings einen denkwürdigen Geschmack. Jemand anderes meinte, Makkerrony könne einen Haufen Hundescheisse fotografieren und es sehe gut aus. Ein Model lehnte die Arbeit mit dem Lichtbildprophet ab, weil seine Bilder so aussehen, als müsse sich das Model anstrengen.