Nachgedacht: Edeka-Markt verkauft keine Messer mehr

Als hatte ich es im Mittelstrahl meines Morgenurins: Nach dem Ereignis in Hamburg kommt bestimmt ein Ganzganzschlauer und tierisch Besorgter, der momentan leider nicht im Mittelpunkt der Medien steht, auf die glorreiche Idee, Messer verbieten zu lassen. Bundesweit. Oder wenn Messer unbedingt sein müssen, dann muss die Spitze total abgerundet sein und die scharfe Klinge vollkommen abgestumpft werden. Diese Blindpese von Mensch könnte als Argument gegen jedes – ach so gefährliche – Messer hier in Deutschland nicht nur die potentielle Quasi-Terrorgefahr ins Spiel bringen. Nein, in anderen Ländern ist es sogar üblich, nur mit den Fingern zu essen. Der deutsche Reinlichkeitsfanatiker muss es denn nur wollen. Also mit seinen eigenen Fingern essen. Und seiner eigenen Sicherheit zuliebe wird er sich, nach dem totalen Messerverbot, dazu zurecht überwinden müssen. Nun lese ich diese Schlagzeile – Edeka-Markt verkauft keine Messer mehr – auf Deutschlands Boulevard-Großformat-Tageszeitung im Online-Portal und bekomme aggressive Schnappatmung.

Herr im Himmel, das mit dem Hirn regnen ist gewaltig in die Pfütze gegangen. Mit dem totalen Messerverbot ist es ja noch nicht ganz soweit. Noch nicht. Gesetzt den Fall, dieser Markt verkauft wirklich – nie wieder also – keine Messer mehr, was wird sich dadurch im Jetzt und Später konstruktiv ändern? Absolut nichts! Der Psycho-Kasper hat vorher nach Brot gegriffen. Vielleicht war die Berührung seiner Hand mit der Backware der Auslöser für die Wahnsinnstat. War gar genmanipuliertes Leitungswasser Schuld an dem Ausraster? Sprach ein Geist, ein höheres Wesen aus dem Kornfeld zu ihm? Mach ich mich gerade über etwas Ganzganzschlimmes böse lustig? Kann es nicht eher sein, dass eine Reihe anderer den Respekt vor dem, was leider geschehen ist, verloren haben.

Es beschleicht mich das dumme Gefühl, medial einfach nur Schlagzeile machen zu wollen. Der Grund für den Schritt, er ist sicherlich so trivial, dass er eigentlich gar keine Zeile wert ist. Wie die Schlagzeile eines anderen Online-Propagandaportals, welches in den sozialen Medien verkündet, dass ab 1. September Hartz IV um 300 Euro angehoben wird. Um die Ungerechtigkeiten auszugleichen. Das hat ein Oberrat so beschlossen. Oberrat? Ungerechtigkeiten abbauen? Gehirn in der Pfandleihe abgegeben?

Und da war das Video von gewalttätigen, um sich schlagenden Polizisten, die arme GEZ-Verweigerer ins Gefängnis prügeln. Doch warum steht auf den Rücken der Polizisten nicht ‚Polizei‘ in deutscher Sprache? Bestimmt wegen Multikulti und so. Seit wann werden GEZ-Verweigerer zusammengetrieben und gemeinschaftlich ins Gefängnis geprügelt? GEZ gibt es doch gar nicht mehr, oder?

Eigentlich könnte man über all diese Schlagzeilen laut lachen und an einen makaberen Scherz der Versteckten Kamera denken. Gäbe es da nicht diejenigen, die ohne nachzudenken den aufgetischten Mist glauben und lautstark ihr prolliges Halbwissen dazu dichten. Wenn man etwas verbieten und anprangern sollte, dann Dummheit. Wenn das aus irgendwelchen philanthropischen Gründen nicht möglich ist, dann sollte Dummheit mit einem öffentlichen Äußerungsverbot belegt werden. Bildungslegasteniker dürfen gerne zum Parole- und Meinungmachen in den tiefen kühlen Keller oder in eine dunkle weite Höhle gehen.

Dabei kann die Presse, wenn sie denn will, so richtig ans Herz gehen. Was für die sensiblen Tränensäcke tun. So stellt das am Anfang des Beitrags gescholtene Medium dem deutschen Durchschnittsleser die wohl zur Zeit am meisten zu bemitleidende Magdalena B. vor. Mit ihrer Zumselfrisur auf dem Kopf und bockig verschränkten Armen stellt sie – nach den schockierenden Enthüllungen des Wochenende – die Mutter aller Normalverdiener-Fragen: Darf ich meinen Porsche* bald nicht mehr fahren?

* Cayenne Diesel, 150 000 Euro

Autor: makkerrony

Makkerrony, der Macher des Lichtbildprophet, ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben. Ein Mensch behauptete mal, Makkerrony sei ein guter Fotograf, hat allerdings einen denkwürdigen Geschmack. Jemand anderes meinte, Makkerrony könne einen Haufen Hundescheisse fotografieren und es sehe gut aus. Ein Model lehnte die Arbeit mit dem Lichtbildprophet ab, weil seine Bilder so aussehen, als müsse sich das Model anstrengen.