Positiv mit Pyrogallol (Teil II)

Vorwort
Es geht mir zu verstehen, um – im Fall der Fälle – (Mit)Reden zu können. Ein Platzhirsch wird abgelöst, wohl weil er für die Industrie und Massenproduktion ungeeignet ist. Der Nutzer rennt wie ein Lamm den Verheißungen hinterher. Über die Zeit vergißt er sein Liebling, finde neue Freunde und einen neuen Geschmack. Ich möchte das Alte sehen und verstehen, um weitere alte Dinge zu erleben. Wie sie wirklich sind und nicht, wie man heute dem Hörensagen nach erzählt.

Zum ersten Teil

Pyrogallol gehört zu den ‚färbenden Entwicklern‘. Der Neudeutsche spricht vom ‚Stain‘. Eben diese Farbigkeit hat es mir angetan, ihr ist der Lichtbildprophet als ein Projekt gewidmet. Prinzipiell als auch im Fall Pyrogallol direkt. Dummerweise ist der derzeit noch erhältliche Entwickler mit Pyrogallol Bergger PMK darauf getrimmt, dezenten ‚Stain‘ zu erzielen. Und: Es handelt sich um ein Negativentwickler. Es ist ein leichtes den Negativentwickler auch auf Abzüge anzuwenden. Im Grunde genommen ist der Positivprozess nichts weiter als die Wiederholung der Negativentwicklung, nur für einen anderen Bildträger und den entsprechend besonderen Anspruch (zum Beispiel Feinkörnigkeit, Schärfe usw.) gemacht. Der Stain beim Pyro-Negativentwickler soll eine Barriere für Lichtanteile bilden, die sich positiv auf den Positivprozess auswirken. Ich möchte mittels Pyrogallol Farbigkeit in den Papierabzug bekommen! Wäre Pyrogallol nicht giftig und ich nach der Krebserkrankung etwas sensibilisiert im Umgang mit Chemie. Die Lösung ist Moersch’s Tanol auf Brenzcatechin-Basis.

Frisch gewagt ist halb gewonnen:
Die klassische Belichtungsreihe auf Fotopapier geht im ersten Wurf fast in die Hose. Der frische Tanol-Ansatz geht auf Foma Neutralton-Papier ab wie Schmidt’s Katze. Warum auch immer entscheide ich mich, einen Teil alte Tanol-Lösung zu behalten (250 ml) und diese mit einem frischen Ansatz der Arbeitslösung (A: 2ml, B: 2 ml, Wasser: 500 ml) aufzupeppen. Ich erinnere mich an meinen Lithprozess, bei dem ich ähnlich vorgehe. Versuche, immer mit frischer Tanol-Arbeitslösung zu hantieren, wollen am Abzug und in ihrer Farbigkeit nicht wirklich gelingen.

Wer bisher mit Hydrochinon & Co. gearbeitet hat, der wird mit dem Einbrechen der ‚Pseudo-Pyrogallol‘-Arbeitslösung seine ‚Freude‘ haben. Wieso ‚Freude‘? Umdenken ist angesagt und das fällt dem fotografischen Jünger von heute extrem schwer. PyroErsatz Brenzcatechin baut ab, wie schnell, sollte einfach mal selbst ausprobiert werden. Dazu einen Abzug mit seiner Standardzeit belichten, den belichteten Abzug in acht gleiche Teile zerschneiden und immer nach zwei Minuten einen Schnipsel in die Arbeitslösung werfen. Das Ganze geht über etwa eine Viertelstunde, in der hat der Tanol-Entwickler deutlich an Kraft verloren, ist aber nicht gänzlich tot. Es müsste nur die Belichtungszeit entsprechend dem Abbau des Entwicklungsvermögen angepasst werden.

Diese Charakteristik beim Entwickeln belichteter Papierabzüge ist aus meiner Sicht interessant. In den ersten fünf Minuten steppt in der Fotoschale der Bär und wird die Basis für die Schwärzung gelegt. Danach hat die Arbeitslösung Probleme, überhaupt noch Fortschritte zu erzielen. Wenn, dann sind es die Details der Lichter die sich zeigen. Ich weiß nicht, inwieweit man mit Pyrogallol-Ersatz Tanol ‚modernen Kontrast‘ in Papierabzüge bekommen kann. Weiche Negative, etwas länger belichtet, und auf Foma Warmtone bekomme ich einen leicht grünlastigen Sepiaton im mittleren Graubereich. Die beschriebene Entwicklung ist mit 5 bis 10 Minuten recht kurz.

‚Kontrastreichere‘ Negative lassen sich nicht so behandeln. Hier fällt die Färbung gefühlt etwas sanfter aus, dominiert schwarz bis dunkel grau, über die Länge färbt sich das Weiß des Papiers gelblich – orange. Ich finde gefallen an dem dezenten Schwarzweiß (kein Tiefschwarz), der dezenten Sepia-Farbigkeit und an der Art der Entwicklung. Zum einen muss die Belichtung des Positivs auf den Punkt sitzen, zum anderen ist – ähnlich wie beim Lithprint – nichts wirklich reproduzierbar. Ich denke, mit der Zeit und gesammelter Erfahrung ist der Pyrogallol-Ersatzentwickler Tanol eine interessante als auch überraschende Spielwiese. Ich frage mich, wie das Ergebnis bei einer Pinselentwicklung aussehen mag.

Bezüglich der Farbigkeit probiere ich Moersch Lith Omega als Zweitbad, kann aber das Ergebnis nicht wirklich deuten. Eher ist die Tanol/Pyrogallol-Entwicklung ein Wechselspiel aus dem Kontrastumfang des Negativs, der Belichtungszeit des Positivs und dem Frischegrad der Tanol-Arbeitslösung. Beim Spiel mit diesen Parametern gelingen mir kuriose Entwicklung, wirklich nachvollziehbar sind sie für mich im Moment noch nicht. Aber das hat weder etwas zu sagen noch zu bedeuten. Und letztlich ist es das, was ich möchte: Soll es reproduzierbar sein, immer auf dasselbe Ergebnis hinauslaufen, dann kann ich zur Digitalkamera, Photoshop und den Computer greifen.

Obwohl ich mit Tanol und einer Ersatzflüssigkeit arbeite verstehe ich, warum der einstige Platzhirsch Pyrogallol von Hydrochinon, Metol & Co. vertrieben wurde. Der Abnabelungsprozess muss jedoch schrittweise erfolgt sein: Zu unterschiedlich ist die Arbeitsweise der Entwickler. Heutige Entwickler überzeugen mit reproduzierbaren Ergebnissen über eine längere Standzeit, die Verarbeitungszeiten sind kurz und knackig. Pyrogallol-Ersatz Tanol (Brenzcatechin) ist individuell, möchte mit Sie angesprochen werden und erfordert – wie das Lithen – Eier in der Hose. Ich würde es mir wünschen, würde dieser Entwickler etwas mehr Beachtung bekommen, vor allem als ‚farbiger‘ Positiventwickler.

Rezepte? Mehr Ratschläge? Zahlreiche Tipps und Tricks? Kostenlose Beratung? Ich stehe ganz am Anfang und weiß im Moment noch selbst nicht, ob ich in dieser Richtung weitermache (z.B. mit Bergger’s PMK und echtem Pyrogallol). Was darüber geschrieben wird, weicht extrem voneinander ab, widerspricht sich gar. Oder ist einfach nur Voodoo-Geschwafel.

Was hält der interessierte Leser davon, sich zunächst einmal selbst etwas Wissen anzueignen? Sich schlau zu machen?

Etwas dünne Bretter bohrend, ist Jost J. Marchesi und sein ‚Handbuch der Fotografie‘ ein guter Einstieg für Neulinge. Edwin Mutter’s ‚Die Technik der Negativ- und Positivverfahren‘ (Die wissenschaftliche und angewandte Photographie) aus den sechziger Jahren ist schon etwas löchrig, aber vertieft und gibt erste interessante Hinweise. Was bleibt ist Josef Maria Eder und seine Werke. Vor allem ihre Nähe zu den Anfängen der Fotografie macht die Quelle – auch wegen der Unbekümmertheit – absolut interessant. Wer an urwüchsigen Rezepten interessiert ist, der schlage in Buchheister’s ‚Handbuch der Drogisten‘ nach. Drogisten waren vor Kodak, Agfa & Co. des Fotografen Alchimisten seines Vertrauens.

Bücher kaufen? Ja, wäre angesichts der Qualität der Werke mehr als angebracht. Zugegeben, die Literatur ist alt und die Autoren haben (bis auf Marchesi) mittlerweile das Zeitliche gesegnet. Internet Archive bietet die Möglichkeit, gezielt nach alten Titeln zu suchen. Viel Spaß beim Stöbern, ausprobieren und selbst erforschen.

Fortsetzung folgt!

Autor: makkerrony

Der Macher des Lichtbildprophet ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben.