oder: Vom Ungeist HDR und seinem Tone Mapping in der Fotografie
Ich halte mich, in gewissen Grenzen, für einen kommunikativen Menschen. Einzige Bedingungen: Es mögen keine Horden über mich herfallen. Wohl und fein dosierte Menschenansammlungen sind für mich OK. Für große Aufläufe halte ich mich absolut ungeeignet. Ein Widerspruch meines Ich’s, gebe und rede ich gern über Wissen und Ansichten.
Als kreativer Mensch brauche ich Kommunikation. Vorzugsweise natürlich über meine Kunst – der Esel nennt sich zuerst – und die der anderen. Und jetzt beginnt es auch schon. Ein Problem, wenn nicht sogar ein großes Problem. Die Kunst der anderen, die mich interessiert, ist relativ dünn gesäht und nicht jeder möchte, weil doch sehr speziell, darüber reden. Diejenigen, die sich zum Reden anbieten und anbiedern, mit denen möchte ich eigentlich nicht reden. Es sind keine persönlichen Dinge, eher mangelnde Flexibilität in den Gedanken. Sie, die Gedanken, müssen im Korsett des Handels immer frei sein.
Allein wenn ich mir anschaue, was zum Besten gegeben und frecherweise auch noch von Leidenschaft geredet wird, dann übergeben sich meine Augen, das Gehirn und der Magen im Gleichtakt. Da ist die Perfektion der Digitalaufnahme, gnadenlos bis in den letzten Bildpunkt überzeichnet. Da ist die Reizüberflutung durch Farbe und Kontrast. Da ist die Sucht nach Details, ausgelegt in endlos widersprüchlichen Tone Mappings.
Wären satirische Elemente in den Bildern enthalten, würde ich das permanente Überzeichnen als Karikatur der Moderne akzeptieren. Aber nein: Die Macher und Seher finden so etwas wahnsinnig toll, dass sie sich die visuellen Entgleisungen sogar an die – eigene!!! – Wand hängen. Das ist Lärm, Lärm für die Augen und den wachen Geist. Wie sähen es die Seher, käme stattdessen die gesamte Geräuschkulisse des Berliner Hauptbahnhofes aus diesem Schund an eurer Wand? Würdet ihr es immernoch bejubeln?
Nein, ich mag da nicht mitmachen wollen. Eure modernen Postulate sind Schranz auf Nirvana, ganz laut in Dauerschleife gespielt. Ich habe nichts gegen Nirvana, im Gegenteil. Nur kommt es auf die Dosis und eine gewisse Grundstimmung nach Laut an. Euer glatt gebügeltes und charmefreies HDR ist eine Dauerprovokation, Bildkunst auf Viagra. Es ist, frei dem Technikgott preisend, kein Handwerk. Ihr jongliert via Regler mit der Mathematik, ohne auch nur einen blassen Schimmer davon zu haben, was ihr tut. Ihr nutzt und konsumiert ohne nachzudenken. Und nennt den ‚Fick to go‘ bitte nicht Leidenschaft! So schnell wie dieses Bild entstanden ist, so schnell habt ihr es wieder vergessen.
Die Entwicklung des Digitalen in den letzten Jahren finde ich bedauerlich. Sämtliche Werte werden über Bord geworfen, Hauptsache man packt noch etwas Unnützes ins Kameragehäuse und lässt es sich als Kamerahersteller teuer bezahlen. Selbst da, wo man Werte vermuten könnte und wenig Technik gefragt ist, haltet ihr doppelt und dreifach die Hände auf. Vielleicht liegt darin die Ursache des Postfaktischen, des Lügens aus Gründen der persönlichen Argumentation. Wenn man mir immer wieder zeigt, wie toll die Großstadt des Nachts leuchtet, wenn ich mit meiner Reglerakrobatik fertig bin, dann glaube ich eines Tages daran, wohl wissend, dass dem nicht so ist. Man habe für sein Equipment viel Geld bezahlt, allein in der Geldmenge kann kein Irrtum oder gar ein Fehler liegen!
Ihr Techno-Melancholiker entfernt euch – wohl im Namen der Fotografie – mit dieser übersteigerten (Sur-)Realität in demselben Stil, wie ich die Realität aus meinen Werke vertreibe. Wenn auch gegensätzlich, so ist dies die einzige Basis zwischen euch und mir. Das rechtfertigt nicht, dass wir miteinander reden müssen. Ich möchte es nicht, denn Tone Mappings bei Nacht sind etwas für Warmduscher und Weicheier!