Sorry, ich komm da nicht mehr mit!

Ich bin dieser Onlinewelt entrückt. Beinahe völlig entglitten! So, als habe ich mich in eine Rakete gesetzt, One Way-Ticket zum Mars. Weit genug weg von dieser virtuellen Welt, dass ich selbst das lauteste Geschrei nicht hören kann. Der Mars sollte doch genügen, oder?

Also ganz am Anfang meiner Netzkarriere war ich begeistert, sogar Mitglied in namhaften Onlinetreffs für Fotografen und Modelsucher. Der ‚Mausmaler‘ oder ‚RoPu‘ hatte einen Namen, denn man selbst gelegentlich Offline aussprach. Solange ich das Frischfleisch lieblich bis provokativ zeigte, war die Masse – wenn auch meist anonym – da.

Doch irgendwann war mir das Ganze zu blöd: Ich möchte in erster Linie für mich und meine Seele Bilder machen, die dann gerne auch Online besichtigt werden können. Euer Bauchpinseln soll nicht mehr mein Gradmesser sein. Schwups blieb die Masse aus, genauso wie die Modelle. Ich war nicht ganz traurig darüber, ergab sich daraus mehr Ruhe und Zeit für die kreative Arbeit.

Ich war also raus aus dem, wo man sich aber aufhalten sollte, laut langläufiger Meinung. Kein Gezicke mit den Kollegen, die ohnehin immer besser und erfolgreicher sind als ich es je sein könnte. Jedenfalls so die Meinung der Krähen. Irgendwann war der Abstand wirklich so groß, dass ich nichts mehr mitbekommen habe. Ich wunderte mich nur, dass einst große Meister kleinlaut wurden oder ganz die Bildfläche verlassen haben.

In den letzten neun Monaten war Zeit genug, an mich Fragen zu richten und vielleicht auch Antworten zu geben:

War es gut seinen eigenen Weg zu gehen? Immerhin wird jetzt mit einer gewissen Regelmäßigkeit betont, dass ich eine andere Sicht auf die Dinge habe. Die An- und Fragen werden immer weniger. Die weibliche Haut will sich schön und nicht als Kunstobjekt sehen.

War es gut Kontakte zu kappen? Meist haben sich die einst treuen Seelen selbst verabschiedet. Haben ihre eigenen neuen Lieben, die größten Sorgen und wie immer keine Zeit.

War es gut lokal statt global zu denken? Kommunikation mit allen Sinnen ist nur vor Ort möglich. Je mehr Sinne von der Kommunikation ausgenommen werden, umso größer werden auch die Missverständnisse im Laufe der Unterhaltung.

Ich suche Antworten und schaue, was der ambitionierte Fotograf heute tut. Von Luft und Liebe leben natürlich nicht. Er ist genauso umtriebig wie damals. Daran hat sich nichts geändert. Was sich geändert hat ist die gesteigerte Selbstvermarktung: Man gründet seinen eigenen Verlag, verlegt Bücher und/oder gibt eigene Magazine heraus.

Oder man entwickelt Gedanken rund um ein Projekt und betreibt Crowdfunding für die Schnappsidee. Diese Idee der Eigenfinanzierung scheint bei Modellen weit verbreitet zu sein. Manche wandern ins Milieu der Webcam-Fotografie ab, strampeln in den sozialen Kanälen herum und versuchen da ihr Glück. Andere verticken per Geldeinsammeln Nackedeiaufnahmen. Das hat schon was von Protitution im Abostyle.

Ach ja, es wird weiterhin geworkshopt, nur richtet man jetzt eine ‚master class‘ aus oder wird zum Organisator von fotografischen Ausflugsreisen. Gegen Luxusaufschlag versteht sich. Podcast als Pseudo-Talkshow hat ausgedient. Der aufmerksamkeitsgeile Protagonist gibt stattdessen lieber mehrere Magazine heraus. Wenigstens hat die Verbreitung des Wir-Syndroms unter den Alleinunterhaltern nachgelassen. Stattdessen nimmt das Postfaktische im Lebenslauf zu: Eine begonnene Kreativausbildung (Lehre oder Studium) wird erwähnt, der erfolgreiche Abbruch und gänzlich fehlende Abbschluss dagegen nicht. Lieber greift man auf Selbstdruck-Zertifikate ahnungsloser Hilfsgurus zurück.

Spricht der pure Neid aus mir? Bestimmt! Wer sich mit solch wichtigen Dingen wie ein eigenes Magazin befasst, dem bleibt keine Zeit für die Kunst. Dementsprechend leiden die Machwerke an Substanz, zeigen eine Ansammlung an Posen, bei dem das Modell wechselt. Und wie es mit jeder Fortsetzung in Film oder Serie ist, irgendwann ist die Luft raus. Es sei denn, man macht eine neue Wichsvorlage. Viel Luft für viel Geld und einen Satz Paar feuchte Hand.

Warum kommen nur Spinner und Poser auf solch blödsinnige Vermarktungsideen und nie die wirklich guten Macher. Warum diese Taktraten, um binnen kürzester Zeit viel Aussschuß zu produzieren und in die Sättigung zu gehen. Masse für die Massen, alles für den schnellen Erfolg?! Wenigstens verschwindet dieser Schund recht bald von der Bildfläche. Anders wäre es auch nicht auszuhalten, selbst wenn Dank Digitalisierung des Buches und/oder Magazins kein Baum für Papier sterben musste.

Autor: makkerrony

Makkerrony, der Macher des Lichtbildprophet, ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben. Ein Mensch behauptete mal, Makkerrony sei ein guter Fotograf, hat allerdings einen denkwürdigen Geschmack. Jemand anderes meinte, Makkerrony könne einen Haufen Hundescheisse fotografieren und es sehe gut aus. Ein Model lehnte die Arbeit mit dem Lichtbildprophet ab, weil seine Bilder so aussehen, als müsse sich das Model anstrengen.