3D Rendering

Beängstigender Weise stelle ich fest, dass die Altersgelassenheit mehr und mehr Besitz von mir ergreift. Habe ich im Weihnachtsrausch 2019 digitale Fotografien und Bildbearbeitungen hier im Lichtbildprophet rausgehauen, so verspüre ich dieses Jahr den Drang mein Archiv der 3D Renderings zu öffnen.

Eigentlich fing alles, also dieses Pseudokreative hier, mit Bildbearbeitung und 3D an. Irgendwann war genug Material da, eine eigene Webseite zu starten und die Machwerke als Hintergrundbilder für den Desktop/Schreibtisch anzubieten. Der Mausmaler und die Mausmalerei war geboren. Damals lief alles noch über ein Modem und wenn ich Online war, dann konnten die Fressfeinde nicht telefonieren. Das muss so um 1997/1998 gewesen sein. Ich hatte noch was zu sagen, denn wenn ich dem Modem Befehl gab zu starten, war ein laufendes Telefonat beendet.

Noch heute ist es in meinem Kopf, wie ich ins Lindencenter gestiefelt bin und mir Bryce, damals noch zu MetaCreations gehörend, gekauft habe. Ja, ich habe Software gekauft. Parallel dazu nutzte ich Terragen und auch da erwarb ich einen Lizenzschlüssel, um druckfähige Grafiken rechnen zu können.

Der Kauf des Landschaftsgenerator Bryce war richtig und wichtig für mich. Irgendwann klopfte man bei mir an und wollte Landschaftsvorlagen, die man mit Modeaufnahmen kombinieren wollte. Es kam dann auch der Tag, da hielt ich die Prospekte in der Hand und von dem eingespielten Geld kaufte ich mir bei GRAVIS einen iMac in Graphite. Ich war stolz wie Bolle.

Das 3D Rendering hatte es bei mir nie leicht. Parallel war da die Bildbearbeitung mit Photoshop & Co., das Fotografieren und das Schreiben von Artikeln über die digitale Bilderwelt. Je nach Auftragslage des „freien“ Schreiberlings musste ein Thema beackert werden und darin ging es viel zu oft um den Hype der digitalen Fotografie und Bildbearbeitung.

Irgendwann hatte ich mir den Status erarbeitet Themen der Redaktion vorschlagen zu können. Hin und wieder wurden 3D Themen von den Verlagen akzeptiert. Und hier zeigte sich die Symbiose, in der der Mausmaler und Autor lebte: Softwarehersteller boten ihre Programme zur Rezension an und ich durfte mit den Programmen danach weiterarbeiten.

Die Liste der von mir verwendeten Programme wurde immer länger und nicht alles waren Gaben der Hersteller. Hier und da kaufte ich ein Programm, um es als Werkzeug gezielt zu benutzen. Und so liest sich die Liste der wichtigsten Tools wie folgt: Bryce, Poser, Vue, GroBoto, Terragen, Artmatic und Cinema 4D.

Es blieb zur damaligen Zeit in meinen Ausstellungen nicht aus, die überwiegend fotografielastig waren, auch 3D Renderings zu zeigen. Mein Ziel war es zu verschleiern, das Computergrafiken neben digitalen Fotografien hingen. Gerade die 3D Renderings wurden als analoge Fotos gelobt. Das es sich um eine Orgie der Bildmanipulation handelte, darauf kamen die wenigsten. Um nicht zu sagen niemand.

Im Laufe der Zeit änderte sich vieles. Bryce hat mehrfach den Besitzer gewechselt und wurde nicht weiterentwickelt. Ersatz fand ich in Vue. Doch deren Programmierkultur stieß mich ab. Statt eine Version mal fehlerfrei zum Laufen zu bringen, brachte man Versionssprung um Versinssprung heraus und wollte dafür Geld. GroBoto wird nicht mehr weiterentwickelt, läuft nicht auf neueren Systemen. Terragen wird zu kompliziert. Poser allein ist nicht als Bühne für meine digitalen Inszenierungen geeignet, dasselbe gilt für die Artmatic-Tools. Bleibt Cinema 4D.

Irgendwann bin ich dazu übergegangen, mittels 3D Studioausleuchtungen zu simulieren. Das war spaßig und irgendwie ein guter Pausenfüller, wenn mir keine Modelle zum Fotografieren zur Verfügung standen. Ansonsten gab es eine Entwicklung, mit der ich der Zeit irgendwie voraus war. Ich schuf 2D Verktorpfade, lud sie in Cinema 4D und formte daraus 3D Objekte. In meiner Gedankenwelt wollte ich daraus reale Stücke schaffen, die man sich als Kunstobjekt auf den Schreibtisch etc. stellen kann. Nur wie herstellen?

Die Lösung, der bezahlbare 3D Drucker, kam erst Jahre später auf. Einmal unternahm ich den Versuch besagte Objekte drucken zu lassen. Innerlich habe ich mich jedoch von dieser Idee zu weit entfernt und fand nicht die Begeisterung, den verlorenen Faden wieder aufzunehmen. Warum 3D? Ich muss mich an keine Realität halten, kann meine Physik und eigene Welt erschaffen. Warum dann das Ende mit 3D Arbeiten? Einmal bemängelte jemand, dass die Lichtsetzung nicht „realistisch“ sei … was nie meine Absicht war. Diese Dummheit zu denken, dass 3D „fotorealistisch“ sein muss, hat mich zutiefst erschrocken. Vor allem, die fehlende Fantasie.

Im Nachgang betrachtet war mein Ausflug ins 3D Reich eine geile Zeit. Meine Webseite war eine digitale Visitenkarte und es kamen einige Projektanfragen herein. Es ist schon ein tolles Gefühl, ziert eine Arbeit ein CD Cover, wird als Artikel-Hintergrundbild in Brasilien gedruckt oder für Buchcover verwendet. Vielleicht war es auch die Goldgräberstimmung im Internet, die das möglich gemacht hat. Oder es war im Cyberraum noch nicht so laut, dass man die leisen Stimmen hören konnte.

Zum Ausklang eines verrückten Jahres öffne ich wieder mein Archiv und hole diesmal computergenerierte Lichtbilder heraus, die ab morgen hier lose sortiert ausgestellt werden. Irgendwie wird auch hier mit einem virtuellen Lichtstrahl ein selbstentworfenes 3D Gebilde abgetastet und in ein 2D Bild umgewandelt, eben das 3D Rendering. Und wer weiss, ganz weg ist 3D in mir nicht. Vielleicht gebe ich eines Tages das Geknipse und Gekleckse auf, kaufe mir eine passende Software, um anschließend meine kreierten 3D Objekte auf meinem 3D Drucker auszudrucken. Und 3D Grafiken wie früher? Schaut euch die Komplexität und Preise der Pakete an, die mittlerweile aufgerufen werden. Das sind keine Handwerkzeuge mehr, das sind Luxusschlitten für elitäre Typen mit kleinem Puller.

Für die Genießer gut aussehender barfüßiger Frauen habe ich eine gute Nachricht: In der Wochenendausgabe des Lichtbildprophet gibt es echte Haut analog geknipst zu sehen. 😉

Autor: makkerrony

Der Blog 'Lichtbildprophet' ist dem fotografischen und gemalten Bild verpflichtet, erhebt keinen Anspruch auf Perfektion und ordnet sich selbst dem Dilettantischen Depressionismus zu.