Zwei mal drei Traktat – Bildgestaltung (IV)

Es gibt unterschiedliche Wege sich dem Thema Bildgestaltung zu nähern. Die Regel besagt: Alle mehr oder minder klugen Weisheiten aufzählen und den Hilfesuchenden in sein Unglück stürzen lassen. Meine Erfahrung besagt, dass das Thema auf der einen Seite sehr vielschichtig ist, auf der anderen Seite die Lösung und vor allem das Verständnis in der Vergangenheit der Fotografie liegt.

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Wie ich bereits angemerkte, haben sich in der Vergangenheit eine Reihe von technischen Weiterentwicklungen zur fotografischen Kunstepoche gemausert, die später mindestens zum geflügeltem Wort, wenn nicht sogar zu einer Regel wurden. Diese Abläufe wiederholen sich ein paar Mal, weshalb es sich für den interessierten Fotografen lohnt, sich einmal mit der Historie der Fotografie auseinanderzusetzen. Wikipedia & Co. sollten als Wissensmedium – weil äußerst lückenhaft – ausgenommen werden. Einen guten Einstieg bildet Kemp’s „Geschichte der Fotografie“ und/oder Brauchitsch’s „Kleine Geschichte der Fotografie“.

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Was soll der Blick in die Vergangenheit? Es geht nicht darum, dass Damals alles besser war. Vielmehr wird der Leser feststellen, dass heutige Diskussionen und Grabenkämpfe schon immer bestanden haben und es somit an der Zeit ist, diese aus der eigenen Diskussion und Meinungsbildung als erledigt oder unlösbar ad acta zu legen. Solche Radikallösungen haben den großen Vorteil, dass der eigene Denkprozess von unnötigem Ballast befreit wird und wirklich neue Ideen Freiraum finden.

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Das Abschweifen in die Vergangenheit hat noch einen anderen Vorteil: Sie werden auf längst verlorengegangenes Wissen stoßen beziehungsweise Erklärungen finden, weshalb es einer Regel, Gedankenbrücke oder ähnliches gekommen ist. In unserer unendlichen Arroganz durch den technischen Fortschritt Althergebrachtes den Tod durch Vergessen sterben zu lassen geht jede Menge Wissen verloren. Sei es, dass die Rahmenbedingungen ignoriert werden oder Technologien aussterben. Und so erweist sich für den Kenner manch hochgelobte Neuerung als die Reinkarnation bereits vergessenen Wissens. Man muss halt nur in älteren Titeln blättern.

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Die Konsequenz: Zu 99% ist das, was uns heute als Innovation teuer verkauft oder als kreative Idee umjubelt wird nichts weiter als aufgebackene Altware. Man erkennt solch Mogelpackungen relativ einfach: Jedes Meisterwerk gleicht dem anderen, das abgebildete Objekt kann gegen ein anderes ausgetauscht werden und binnen kurzer Zeit stellt sich beim Betrachter Langeweile ein. Im Grunde genommen handelt es sich wieder um einen gefälligen Eye Catcher, der die Masse anspricht und eine Technik beziehungsweise Technologie huldigt.

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Der wahre Innovationsgrad der Kreativität besteht durchaus darin bekannte Element aus Technik und Technologie handwerklich gekonnt zu etwas Neuem zusammenzufügen und dabei all jene Grenzen zu verschieben, die wir als guten Geschmack, Moral, Anstand oder der guten Sitte wegen kennen. Kreativität muss den Intellekt ansprechen und nicht unsere niedrigsten Instinkte provozieren, selbst wenn wir zunächst mit dem Ergebnis des Schaffensprozesses nichts anfangen können.

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Unser Wissen und unsere Kreativität basiert auf Erfahrung. Dieses eignen wir uns im Laufe des Lebens aus unterschiedlichen Quellen und Wegen an. Insofern kann ein Kunstwerk, welches wir heute ablehnen oder zudem man keinen Zugang hat, in ein paar Monaten oder Jahren aus einem anderen Auge wohlwollend betrachtet werden. Es ist lediglich die Frage, wie man sich in der nächsten Zeit weiterentwickelt. Und so ist mein Tipp bei Anfragen, etwas über Bildgestaltung lernen zu wollen: Die Bilder betrachten und in Gedanken auseinandernehmen. Dabei soll und muss Gefallen und Nichtzgefallen keine Rolle spielen.

Autor: makkerrony

Makkerrony, der Macher des Lichtbildprophet, ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben. Ein Mensch behauptete mal, Makkerrony sei ein guter Fotograf, hat allerdings einen denkwürdigen Geschmack. Jemand anderes meinte, Makkerrony könne einen Haufen Hundescheisse fotografieren und es sehe gut aus. Ein Model lehnte die Arbeit mit dem Lichtbildprophet ab, weil seine Bilder so aussehen, als müsse sich das Model anstrengen.