Broiler

Seit einiger Zeit, ich rede von Jahren, schleppe ich den Gedanken in mir herum, irgendetwas Fotografisches mit Puppen zu machen. Die Gedanken gehen gerade nicht sehr freundlich mit dem Spielzeug um. „Verdeckte Aggressionen“ würde sie jetzt bestimmt zu mir sagen und den Gang zum Seelenklempner, zumindest jedoch in eine Selbsthilfegruppe empfehlen. Ich meine, keine Aggressionen gegenüber Frauen zu hegen und selbst wenn es so wäre, müsste ich genauso aggressiv gegenüber Männer sein.

Vielleicht lebe ich in meiner Puppenfantasie die Gedanken aus, die ich einem Modell nicht zumuten möchte. Zu Digitalknips-Zeiten liess ein Modell zum Schein Reisszwecken in die Brust stechen. Alles Fake und absolut schmerzfrei. Die Reaktionen der Betrachter waren erstaunlich und haben gezeigt, wer eigentlich die abnormen Fantasien in seinem Kopf trägt. Mir wurde gratuliert, dass ich ein Modell gefunden habe, was diesen Schmerz auf sich nimmt. Ja, man wollte sich sogar das Modell für ähnliche Aufnahmen bei mir ausleihen. Abnormes Mistvolk.

Vor ein paar Tagen lief mir auf dem Tablet wieder so ein Puppenbild über den den Weg und schwups war der Wunsch da, jetzt, wo die Politik mit dem Mega-Lockdown droht, das Thema zu bearbeiten. Sie hebt vieles auf, hat aber nie mit Puppen gespielt. Also mache ich mich auf den Weg in den Amazonas und suche billige Puppen a la Barbie & Co. Und da ist es, ein 3er Set kopfloser Kunststoffpuppen aus wertvollem Plastik. Ich denke mir, wo es Puppenkörper gibt, muss es auch Puppenköpfe geben. Das Denken sollte ich sein lassen. Im Amazonas finde ich nichts oder ich bin einfach nur zu blöd zum Suchen.

Was fange ich mit drei Puppen ohne Kopf an? Der erste Gedanke dreht sich um die Broilerstellung. Der Bildungsbürger sagt, wenn er überhaupt etwas zum Thema Sex von sich gibt, Missionarsstellung dazu. Mit dieser einen Szene lässt sich jedoch kein Film sinnvoll mit 36 Bildern füllen. Es müssen Szenen her, die ohne Kopf Sinn ergeben oder keinen Kopf meiner Plastikmodelle benötigen. Mich erinnert die Situation an viele Vorgespräche mit potentiellen lebenden Kandidatinnen, die durch die Bank weg nicht in meinen Arbeiten erkannt werden wollen. Fokus Körper, der Mensch muss anonym bleiben. Aus vielen Gründen. Nachvollziehbar und doch sehr bedauernswert, geht damit die Identität des Individuums verloren.

Ich knipse mit dem iPhone vor. Zwei Puppen in der Broilerstellung platziert. Das ist bestimmt frauenfeindlich, sexistisch und megafrauenverachtend. Ich sollte mich dafür auch mächtig schämen. Nein, das tue ich nicht. Das ist Kunst. Oder doch nicht und ich bin femiphob? Nein, ich habe keine Angst vor Frauen. Ausser sie machen mir Angst. Dann habe ich natürlich Angst, wie jeder andere wohl auch. Meine Gedanken um den Broiler drehen sich nicht um Angst vor Frauen, egal ob selbstbewusst, dominant oder zur Demut veranlagt. Mit meinen drei Broilern möchte ich in Szenen auf witzige Weise auf den Kopf verzichten. Dieselbe Aufgabenstellung wie bei „normalen“ Shootings. Alles ist möglich, nur der Mensch darf nicht mit Kopf erkennbar sein.

Autor: makkerrony

Makkerrony, der Macher des Lichtbildprophet, ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben. Ein Mensch behauptete mal, Makkerrony sei ein guter Fotograf, hat allerdings einen denkwürdigen Geschmack. Jemand anderes meinte, Makkerrony könne einen Haufen Hundescheisse fotografieren und es sehe gut aus. Ein Model lehnte die Arbeit mit dem Lichtbildprophet ab, weil seine Bilder so aussehen, als müsse sich das Model anstrengen.

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