Der Plan ist

Ab 2026 steht für mich zum ersten Mal das Thema Ruhestand auf dem Zettel. Mit 63 Lebensjahren und 35 Beitragsjahren wäre ein erstes „in Rente gehen“ mit ca. 14% Abschlag möglich. Zwei Jahre später, mit 65 Lebensjahren und 45 Beitragsjahren, wäre ein Absprung ohne Abschlag möglich. Noch einmal zwei Jahre draufgelegt und ich habe die Altersrente mit 67 Lebensjahren erreicht. Vorausgesetzt: Bis dahin ist Rente und Ruhestand überhaupt noch politisch korrekt.

In mehrfacher Hinsicht bin ich hin und her gerissen. Da ist zum einen die Scheidung und der Versorgungsausgleich. In dem Zusammenhang habe ich einige Rentenpunkte abgegeben und wollte zum Ausgleich bis zum Erreichen der Altersrente weiter arbeiten. Doch der Gedanke, noch fünf Jahre jeden Werktag in die Hochschule zu fahren, er fühlt sich für mich zur Zeit grausam an. Zwei Tage Wochenende sind mittlerweile zu wenig, um innerlich runterzufahren. Früher war die Ablenkung im Atelier Knipsen und Klecksen. Mittlerweile bekomme ich den Kopf gar nicht mehr so frei, dass ich am Wochenende überhaupt noch Knipsen und Klecksen mag. Es fällt mir schwer, mich so zu entspannen, dass ich in innerer Ruhe ein Buch lesen und dabei entspannt Musik hören kann.

Dabei gibt es einiges, was ich machen würde, wenn ich die Zeit und Muße dazu hätte: Lesen, Musik genießen, Menschen in der Großstadt knipsen, das Lichtbildpoet-Projekt, Barfüige knipsen auf Großformat, wieder mehr Spielereien in der Dunkelkammer anstellen und das Klecksen. Die Frage ist nur: Wann soll ich das alles machen? Antwort: Wenn ich Vollzeitrentner bin. So kurz vor Ende des Arbeitslebens auf Hartzer umsatteln klingt verlockend, widerspricht allerdings meiner Natur.

Die andere Seite der Medaille: Seit dem Ende der Chemotherapie Ende 2016 fühle ich mich dauermüde und zehn Jahre gealtert. „Das muss doch mal vorbei sein und ein Ende haben“ war die „beste“ Reaktion auf mein Gemüts- und Körperzustand. Ich ordne sie in die Rubrik „Unwissend“ ein. Nicht nur die Nachwirkungen der Gürtelrose sind ein Überbleibsel aus der Zeit der Chemotherapie. Auch das Nachlassen des Schmerzempfinden, Schmerzirritationen und spontane Krämpfe in der Beinmuskulatur zeigen noch heute ihre Wirkung. Aber damit müsste ja irgendwann einmal Schluß sein, wurde mir jedenfalls gesagt.

Mitte 2028, 45 Beitragsjahre und ich bin fast 65 Jahre alt, das ist das neue Ziel. Wirklich daran glauben kann ich nicht, denn meine aktuelle Motivation reicht für gerade einmal Mitte 2026, wären da nicht die etwa 14% Rentenabzug. An der Stelle bekomme ich außerdem so etwas wie ein schlechtes Gewissen: Die Perle müsste mich und meine Flausen viele Jahre mit ihrer Arbeit finanzieren.

Dann ist da noch so ein gesellschaftliches Ding: Geht es um die Rente der Babyboomer, kommt aktuell im Anfall des Neides die Forderung auf, dass meine Generation gefälligst länger zu arbeiten hat. 45 Beitragsjahre in Vollzeit, ohne irgendeinen Gedanken an Sabbatical oder eine kultivierte Work-Life-Balance, sind einfach nicht genug. Ich weiß, es geht um den Generationenvertrag und danach müssen meine vier Kinder meine Rente erwirtschaften. Es bleiben aber 45 Jahre Vollzeit, wobei die längste Auszeit die Zeit der Krebstherapie war.

Der Plan ist: Ich bin unschlüssig! Im Moment hocke ich in einem Motivationsloch und vage vorsichtig den einen oder anderen Blick über den Kraterrand. In einer Zeit, in der jeder Individualist seine Aufmerksamkeit fordert, seine angebliche Einzigartigkeit jedoch nicht Thema sein darf, in der die Vielfalt der Sichtweisen Scheuklappen trägt und die Unwahrheit die neue Wahrheit ist, macht Gemeinschaft keinen Spaß. Je länger ich mich mit Belanglosigkeiten auseinandersetzen muss, umso aggressiver macht mich die Situation. Ja, ich soll mehr arbeiten, doch dabei bitte gefälligst die Klappe halten. Ein guter Ruheständler ist der, der vor Erreichen seiner Altersrente noch während der Arbeit tot umfällt und vorher seine Rentenanteile an die hart arbeitenden Quality Time-Minijobber überschreibt.

Mal gucken, was sich machen lässt.

Autor: makkerrony

Makkerrony ist, also lebt er. Makkerrony ist der Macher des Lichtbildprophet, dem weltbekannten Blog anspruchsvoller Bildkunst, den wenige kennen. Makkerrony ist weiß, grauhaarig, plüschig und heterosexuell.

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