Die ganze fotografische Unwahrheit

Zum Schlachtruf-Vokabular des deutschen Wutbürgers gehört die Lügenpresse. Diese ihrerseits macht eher halbherzig auf Echauffiert und versucht sich in liebloser Selbstkritik zukünftig reinzuwaschen. Die Rede muss nicht unbedingt vom Großformat-Tagesblatt & Co. sein. Die Manipulation der Masse hat die ganze publizierende Branche erfasst, egal ob die Worte auf Papier gedruckt, statisch am Bildschirm oder in bewegten Bildern gezeigt werden. Nichts geschieht ohne eine gewisse Absicht und vor allem um Geld zu verdienen.

Vor ein paar Jahren erhielt ich von einem Kieler Medienunternehmen den durchaus lukrativen Auftrag, regelmäßig Bilddienstleister zu testen. Für den ersten Durchlauf lies man mir freie Hand. Und so nahm ich zwei Anbieter in den Test auf, die einst geschäftlich miteinander verbunden waren, deren Wege sich dann aber getrennt haben. Seitdem bekämpft man sich mit scheinbar allen Mitteln.

Qualitativ zählten beide Anbieter zu den besten Produzenten, den Unterschied machte vor allem der Preis für den Kunden. Während Hersteller A durch seine enge Verbindung zu einer deutschen Foto-Community preislich kräftig zu langte, konnte Hersteller B bei gleicher Qualität zum halben Preis liefern. Kennt man in etwa die Herstellungskosten für eine Fotoabzug, hat Hersteller B immernoch gut verdient.

Eben wegen dieser Diskrepanz konnte Hersteller A nicht den Test gewinnen. Das rief die Geschäftsführerin des Unternehmens auf den Plan, die einen Vertreter auf mich ansetzte. Ziel war es, das Testurteil dahingehend abzuändern, dass Hersteller A unbedingt ganz oben auf dem Podest steht. Ich konnte und wollte dem nicht entsprechen: Der Leser hätte bei gleicher Leistung einen doppelt so hohen Endpreis beim Testsieger (Hersteller A) als klaren Fall der Bestechlichkeit des Autors interpretiert.

Nun ist die Geschäftsführerin des Herstellers A eine menschlich unangenehme Person. Jedwede – öffentliche – Kritik der Kunden endete mit verbalen Entgleisungen ihrerseits. Und so dauerte es nicht lange, bis es entsprechende elektronische Schmähbriefe über mich gab, schließlich muss die Leserschaft über meine Inkompetenz aufgeklärt werden. Wie gesagt: Ich wusste über das gespannte Verhältnis zwischen Hersteller A und B und mir war das unsympathische Gebaren des geschäftsführenden Unwesens beim Hersteller A bekannt. Ich wusste also, auf was ich mich eingelassen habe und was mich erwartet!

Es kommt noch besser. Ein paar Monate später. Wieder sollten Bilddienstleister getestet werden. Diesmal wollte man weniger Krawall und eine Trennung zwischen Anbieter mit und ohne Farbmanagement. Beide Entscheidungen der Redaktionen konnte ich verstehen. Doch problematisch fand ich die Bitte, irgendwie den Hersteller C positiv herauszustellen, da man beabsichtigt mit ihm eine Zusammenarbeit einzugehen. Nun, es war nicht das erste Mal, dass ich einen bezahlten Nebenjob hingeschmissen habe, weil ich zum billigen Vasallen degradiert wurde:

Da war eine spezielle Software, die der Hersteller im Glauben neue Kunden gewinnen zu können kostenlos zum Download anbot. Ohne groß nachzudenken ruft das mindestens die halbe Internetwelt auf den Plan, die nun versucht die Daten herunterzuladen und was letztlich zur wochenlangen Blockade des Servers führt. Mit dem Verweis auf die speziellen Eigenschaften der Software erlaubte ich mir den Hinweis an den Leser, erst einmal zu schauen, ob er das Programm wirklich bräuchte und dann mit dem Download zu beginnen. Dem verantwortlichen Redakteur war das nicht genug Gleitmittel in den Hintern des Lesers und er änderte die entsprechende Passage in eine Animation Pro Download um. Darüber wurde ich vor der Veröffentlichung nicht informiert und erlaubt mir zu kündigen.

Die Moral von dieser Geschichte: Frau Geschäftsführerin hat mich noch nach Jahren so lieb in ihr Herz geschlossen, dass sie ihre Rachgelüste meinte auch weiterhin befriedigen zu müssen. Doch sie ist ein feiges Wesen, was nie selbst das Gespräch mit mir gesucht hat. Jedes Angebot eines verbalen Schlagabtauschs unter vier Augen, wegen meiner auch mit anschreien, kratzen und an den Haaren ziehen, hat sie abgelehnt.

Ein neues Kapitel: Vor ein paar Jahren trudelte unaufgefordert eine Fotozeitschrift in meinen Postkasten. Es handelte sich, so stellte ich bald fest, um eine Neuerscheinung und einen der Autoren kannte ich von einem anderen Blatt. Wohl über diesen Kanal wollte man mich beglücken und zum weiteren Kauf des Blatts animieren. Erfreulich war, dass sich jenes Magazin nicht der analogen Fotografie verwehrte. Vom Gesamteindruck machte das Heft aber den Eindruck eines Ramschladen, ließ in meinen Augen eine klare Linie vermissen. Deshalb schenkte ich der Publikation keine weitere Aufmerksamkeit.

Jahre später las ich, dass es an der Zeit wäre, ein Fotomagazin für Frauen herauszubringen. Es soll nicht so sehr um Technik gehen (Frau fotografiert intuitiv!), stattdessen wollen die Macher den Lifestyle in den Vordergrund stellen (Frau geht lieber shoppen!). Apropos Macher: Die Initiatoren der per Crowdfunding gestarteten publizistischen Revolution sind zwei Frauen und zwei Männer und sind in der unmittelbaren Nähe der zuvor genannten Fotozeitschrift angesiedelt. Nun darf man als Mann nicht gegen solch ein Projekt wettern, weil das machomäßiges Gehabe ist. Doch ich bleibe bei meiner Meinung: Dieses Magazin bedient eher Klischees und vergrößert die Kluft zwischen den Geschlechtern.

Zur zweiten Ausgabe des Magazins, auf das die fotografierende Frau schon immer gewartet hat, wird dasselbige vollmundig zum Bestseller gekrönt. Größenwahn lässt grüßen! Nach vier Heften ist der feminine Bestseller plötzlich vom Markt verschwunden, die Vater-Fotozeitschrift gleich mit. Leider wurde nicht viel Tamtam um die Einstellung gemacht, was ich sehr bedaure. Es zeigt mir, dass man schon von vornherein nicht sehr überzeugt von seinem Projekt war. Stattdessen sollte das Startgetose nur einen Bedarf erzeugen, der in Wirklichkeit nicht vorhanden war. Anders formuliert: Manipulationsversuch der Masse a la Steve Jobs.

Zeit für ein Fazit? Alles was jeder anfässt ist ein Erfolg oder wird zum Erfolg gelogen. Wer sich in den Weg stellt, der wird – egal wie – kaltgestellt. Bleibt der Erfolg aus, dann zieht man heimlich, still und leise den Schwanz ein oder gibt lauthals dem Rest der Welt die Schuld. Das ist einfach, weil der Griff an die eigene Nase viel zu mühselig und vor allem unangenehm ist.

Wir nehmen es lieber hin, dass das, was wir zu lesen bekommen, eine 1:1 Kopie desjenigen ist, der eine Information lanciert wissen will. Das aktuelle Z-Promi-Pärchen in Trennung war eigentlich Auslöser dieses Essay angelegten Beitrags: Es sollen ja jetzt Fotos dem Medienmarkt angeboten worden sein, auf denen die untreue Ehefrau mit noch einem ganz anderen Mann rummachen soll. Und das auch noch über ganze drei Jahre hinweg! Auf der Webseite der Postille lese ich fettgedruckt, dass man die kompromittierenden Fotos nicht zeigt! Ein paar Artikel früher erfahre ich, wer angeblich die undichte Stelle sein soll, der die Untreue an die Öffentlichkeit gebracht hat. Gott sei Dank gibt es Smartphones und gute Kumpel, die vorgeben hilfreich zu sein! Schuldig ist und bleibt eben der andere!

Hat das was mit Moral, Anstand oder Ethik zu tun? Garantiert nicht, denn den erstgenannten Artikel finde ich mehrmals im deutschsprachigen Netz, teilweise als blanke Kopie oder nur leicht abgewandelt. Ich frage mich, inwieweit diese Fremdgeh-Story nicht eine großangelegte PR-Strategie ist, um irgendeinen Bullshit zu promoten. Eben wie diese Kiste mit dem abgebrochenen Zwerg, der bei der Eröffnung einer Schönheitsklinik eine Stewardess, deren Name nicht genannt werden darf, flachgelegt haben soll? Besagte Dame ohne Name rühmt sich in einem Statement auch noch ungeniert, dass beinahe jeder an sie ran darf, Hauptsache er ist irgendwie prominent. Und der Zwerg darf nebenbei erwähnen, dass er mit seinem neuen Comedy-Programm auf Tour geht! Wie schön sich doch ein Kreis schließen kann.

Wäre diese Rund um die Uhr-Manipulation nicht so traurig und hätte sie nicht beinahe jeden Bereich unseres Lebens erreicht, dann könnte man darüber ja lachen. So ist es einfach eine Sache zum Heulen! Der Chef einer Supermarktkette, die jetzt liquidiert wird, bezichtigt den Chef einer anderen Supermarktkette den Verkauf an einen anderen Konkurrenten verhindert zu haben. Eine Woche später penetriert man mich mit dem Vorwurf, dass der Chef der Pleite-Supermarktkette seine Angehörigen ausspioniert hat. Das alles steht natürlich in keinen Zusammenhang, immerhin hat sich im Zwitscherdienst eine Front gegen die Verhinderer des Verkaufs aufgebaut, was man auch als Boykott bezeichnen könnte.

Ohne zum Verschwörungstheoretiker werden zu wollen frage ich mich, wovon diese mediale Dauermanipulation wirklich ablenken soll! Allein der Unterhaltung kann das alles nicht dienen, da muss mehr dahinter stecken. Denn das Vertrauen, was durch diese Treibjagden verspielt wird, kann man nie zurückgewinnen. Denn wie heisst es so schön: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, auch wenn er dann die Wahrheit spricht!

Dieses Essay verzichtet darauf, lebende oder verstorbene Personen, existierende oder liquidierte Firmen namentlich zu nennen. Es geht nicht darum mit dem Finger auf Einzelne zu zeigen und die Mehrzahl der Angesprochenen geht leer aus. Vielmehr soll das System der Manipulation gezeigt werden. Ich könnte mir aber vorstellen, dass man an der einen oder anderen Stelle leicht erkennen kann, wer oder was gemeint ist. Das tut mir natürlich leid und ist nicht beabsichtigt!

Autor: makkerrony

Makkerrony, der Macher des Lichtbildprophet, ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben. Ein Mensch behauptete mal, Makkerrony sei ein guter Fotograf, hat allerdings einen denkwürdigen Geschmack. Jemand anderes meinte, Makkerrony könne einen Haufen Hundescheisse fotografieren und es sehe gut aus. Ein Model lehnte die Arbeit mit dem Lichtbildprophet ab, weil seine Bilder so aussehen, als müsse sich das Model anstrengen.