Ein Intro

Es gibt so etwas wie ein Bauchgefühl. Meines sagt mir: Du befindest dich an einem Scheideweg!

Da ist fünf Mal die Woche dieselbe Leier: Pünktlich 5:10 Uhr klingelt der Wecker. Die einzige Abwechslung ist die innere Uhr. Reißt sie mich vorher aus den Schlaf, erspare ich mir den nervtötenden Weckruf.

Aufstehen und leicht torkelnd den Weg in die Küche suchen. Dem Bestücken der Kaffeemaschine geht die Frage voraus, ob der Abwasch des Vorabends überhaupt ein Befüllen des Wassertanks zulässt. Sechs Teile Wasser, Filtertüte rein und drei Löffel gemahlenes Kaffeepulver. Knopf gedrückt und kurze Blickkontrolle, ob die höchste Aromastufe leuchtet. Wenn nicht, gab es einen Stromausfall oder die Fressfeinde haben den Kaffeebereiter von der Spannungsversorgung getrennt. Einer muss ja dafür verantwortlich sein.

Ich hasse rasieren, tue es aber jeden Morgen eines Werktages. Während der Reinigung meiner Beißerchen ein kurzer Waagen-Check. Das Gewicht ist im Toleranzbereich und die Sünden des Abends somit vergessen. Klamotten an und auf der Loggia eine Zigarette angebrannt. Die Kiste läuft, mir wäre eher nach schweigen und einfach nur schauen wie Marzahn so langsam erwacht.

Tageshoroskop. Aufhorchen beim Krebs. Am Ende die Frage: Reicht es zum Glückspilz des Tages? Kurzer Aufschrei, währenddessen meine Strassenschuhe ihre Füsse suchen. Auf zur Tram und die Frage, kommt der leere Einsetzer mit Sitzplatzgarantie oder die reguläre Strassenbahn im stehenden Mitfahrmodus. Umsteigen, irgendwo einen Sitzplatz ergattern, Buch ausgekramt und gelesen, während Trent Reznor mich lauthals auffordert, ihn zu töten.

Bevor ich für die nächsten neun oder zehn Stunden durch den Seiteneingang in die Welt des Campus abtauche, noch eine Zigarette angeraucht. Peter Behrends Bau, Wolken und Himmel und das Morgenlicht checken. Passt oder passt nicht ist egal. Letztendlich greife ich doch nicht zur Kamera. Rechtsschwenk und ich betrete die heiligen Hallen. Für die nächsten Stunden habe ich den braven Angestellten im Auftrag der Ausbildung studierwilliger Jugendlicher zu mimen.

Die Zeit des Verstellens ist abgelaufen. Eine Haltestelle in Gegenrichtung angelaufen sichert zu 75% einen Sitzplatz. Eine Zeit, in der die seltenen Einsetzer fahren, steigert die Chance auf sensationelle 99,99%. Das hat nichtmal Erich zu seinen Glanzzeiten geschafft. Das verbleibende Restrisiko ist der verfrühten Abfahrt der Tram oder einem Mitmenschen geschuldet, der noch unbedingt und ganz dringend etwas von mir möchte.

Jeden Werktag dieselbe Prozedur. Kaum Änderungen am Plan und wenn, dann sind sie mit längeren Warte- und Fahrzeiten verbunden. Doch ich lese und lasse mich akustisch beschallen. Ich tauche in eine andere Welt ab, sinniere über mein Leben und was ich als nächstes anstelle.

Mid Life Crises? Muss, darf und oder kann ich sie haben? Mit fast fünfzig Jahren und in manchen Dingen ein Spätzünder sollte es möglich sein. Also lache ich mir zwei junge Dinger an und mache auf Sugar Daddy! Der Gedanke macht mir Angst, bedeutet nur Stress. Ohne Zweifel befinde ich mich in einer ruhigen Umlaufbahn und möchte daran nichts ändern. Erst Recht nicht im Doppelpack! Also nur eine Jüngere. Klingt nach materiellen Verlustgeschäft und es ist – versuchungshalber keine Anwärterin in Sicht.

Die Aus- und Umtauschgedanken sind sexfixiert. Ohne Zweifel würde die Umsetzung auf wenig Gegenliebe stoßen. Wirklich? Wirklich! Es gibt einen Grund, mehrere Gründe. Trotzdem habe ich keine Lust das Spiel zu spielen.

Ich schreibe. Das hat mir bisher immer geholfen, egal ob der Text anschließend in den Papierkorb gewandert ist oder irgendetwas anderes daraus wurde.

Autor: makkerrony

Makkerrony, der Macher des Lichtbildprophet, ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben. Ein Mensch behauptete mal, Makkerrony sei ein guter Fotograf, hat allerdings einen denkwürdigen Geschmack. Jemand anderes meinte, Makkerrony könne einen Haufen Hundescheisse fotografieren und es sehe gut aus. Ein Model lehnte die Arbeit mit dem Lichtbildprophet ab, weil seine Bilder so aussehen, als müsse sich das Model anstrengen.