Lomo LC-A – Update

Ich möchte nicht nörgeln, nur wenn mir freudestrahlend ein Beutel mit analogen Kameras überreicht wird, dann handelt es sich – ich möchte mal nett in meiner Formulierung sein – zu 75 Prozent um Schrott. Sicherlich ruft das eine oder andere Objekt wehmütige Erinnerungen in mir hervor, doch Begeisterung sieht etwas anders aus. So auch bei diesem Beutel, der mir kürzlich überreicht wird. ‚Juhu, eine Beirette!‘ bekunde ich mein Entsetzen. Der ‚Fotograf‘ von Welt hält seine erste Kamera in besonderen Ehren. Bei mir war es die Beirette, doch ich verleugne sie schamlos in meiner Biografie. Stattdessen verweise ich lieber auf die Exa 1b, die ich Jahre später und auch nur geliehen benutzen durfte. Dafür nenne ich heute mehrere Exa’s mein Eigen, was wohl dem Kampf gegen ein Beirette-Trauma anzulasten wäre.

Und so beschränkt sich – anfänglich – meine Freude auf ein Ilford Delta 100 aus dem ominösen Geschenkbeutel, dessen MHD schon eine Weile abgelaufen ist. Eher beiläufig fällt mir eine schwarze Plastikkiste mit transparenten Deckel in die Hand. Die Form der Dose ist eigentlich modern. Doch was ich an schrecklichem Deutsch auf dem Klebchen lese, lässt mir die Gesichtszüge entgleiten: Danach soll es sich um eine Original Lomo LC-A handeln. Auch das Handbuch stellt diese Behauptung auf, was die Kamera aber letztendlich und zu meiner vollsten Freude bestätigt: Die 25 Prozent Nichtschrott in dem Tragebeutel ist eine legendäre Analogkamera der Neuzeit! Glück muss der Lichtbildprophet haben!

Ohne Knopfzellen geht an der Kamera nichts. Da die Leica R3 ebenfalls den Typ LR44 benötigt, beschaffe ich ein Dutzend dieser Silberlinge. Der erste Film, ein Rollei Superpan 200, bis auf die Brennweite alles auf Auto gestellt und ich bin nach dem Entwickeln von der Präzision dieser Kamera überrascht. Mich stört dieses vollautomatische Fotografieren. OK, ich könnte eine Blende vorgeben, dann stellt die Lomo LC-A die Belichtungszeit ein, aber das ist doch wie schmutziger Sex ohne beidseitigen Orgasmus. Das will ich nicht. Beim nächsten Rollout packe ich bei Sonnenschein ein ISO25 Film in die Kamera, um beim ‚Aus der Hüfte schießen‘ auf meine geliebte Unschärfe zu kommen. Dafür ist sie echt handlich, wenn auch der Knopf des Auslösers in Form und Position irgendwie anders gestaltet sein könnte.

Die Lomographie glorifiziert die Lomo LC-A, leitet von ihr den Namen der Bewegung ab und vergewaltigt dennoch das Original. Wie komme ich darauf? Die Lomografen bringen mit der Lomo LC-A+ und weiteren Absonderlichkeiten eine ganze LC-A-Familie heraus, langen im Gegenzug ordentlich beim Preis zu. Ähnlich ihren Plastikbombern, die allesamt den aufgerufenen Preis nicht Wert sind. Als Besitzer einiger dieser Stilblüten darf ich mir diesen bissigen Kommentar erlauben. Und ja, ich rechne noch heute in D-Mark zurück, was den Schmerz um den Wert des heutigen Geldes potenziert. Genug auf die Damen und Mannen der Lomografischen Gesellschaft in Wien und anders wo verbal eingedroschen. Die analog-affinen Leute kaufen das Zeug, was schlimm genug ist, und die Lomovista’s fühlen sich in ihren ‚Zehn Goldenen Regeln‘ bestätigt.

Ich besitze also ein Original und nicht diese nachgemachte Klapperkiste der Lomografischen Gesellschaft. Mein fast-vollautomatisches Schätzchen braucht nur eine neue – selbst zugeschnittene – Lichtdichtung, das entsprechende Material habe ich ja für die Leica R3 bereits besorgt. Derart beglückt habe ich wohl fortan eine Hosentaschenkamera, mit langsamen Filmmaterial geladen, damit in den Aufnahmen die Unschärfe stimmt.

Update Januar 2019
Einen Sommer lang war die Lomo LC-A im Einsatz und ich habe unter anderem an meiner Reihe ‚Menschen in der Großstadt‚ gearbeitet. Die Lomo LC-A hat sich zur soliden Hosentaschenkamera entwickelt, der auch scharfe Aufnahmen gelingen kann. In der Bucht stieß ich auf ein Angebot: Ungetestetes Sammlerstück, bei dem auch die Lichtdichtungen zerbröselt sind, folglich als defekt zu verkaufen deklariert. ‚Die Lomo LC-A ist ein solides Stück Kamera, was soll da kaputt gehen‘ denke ich bei mir und schlag zu. Und richtig: Drei neue Batterien eingesetzt, Lichtdichtung neu geschnitten und eingeklebt, das gute Stück funktioniert. Ich habe eine zweite einsatzbereite Original Lomo LC-A!

Autor: makkerrony

Makkerrony, der Macher des Lichtbildprophet, ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben. Ein Mensch behauptete mal, Makkerrony sei ein guter Fotograf, hat allerdings einen denkwürdigen Geschmack. Jemand anderes meinte, Makkerrony könne einen Haufen Hundescheisse fotografieren und es sehe gut aus. Ein Model lehnte die Arbeit mit dem Lichtbildprophet ab, weil seine Bilder so aussehen, als müsse sich das Model anstrengen.