Lomography Holga 120GN

Sie haben die Fahne der Analogfotografie hochgehalten, als sich die mehrheitlich mit Blindheit geschlagene Menschheit entschlossen hat, ihr Heil in der digitalen Fotografie zu finden. Ein paar Wenige ließen sich nicht verführen oder dann doch wieder davon überzeugen, das kein Pixel ein Silberkorn im Schwarzweiss- oder Farbfilm ersetzen kann. Doch mal ehrlich: Die heroische Tat des Fahnenboy’s verdient eine uneingeschränkte Anerkennung, jedoch verleiht sie nicht das Recht Schindluder zu treiben.

Unter dem Deckmantel der Lomographischen Gesellschaft werden Kameras vertrieben, die sich in der Mehrzahl den Namenzusatz „Chinesischer Plastikkracher“ redlich verdient haben. Blauäugig und auf das semiprofessionelle Wort eines Filmverschwenders hörend habe ich mir die Holga 120GN zugelegt. Ich wollte Lo-Fi auf 120er Rollfilm fotografieren, doch der Polymerschrott machte mir zunächst einen Strich durch meine Rechnung.

Dass es dem Häufchen Plastikelend an Masse fehlen wird war mir klar. Den Geniestreich mit Zusatzgewicht der Canomatic & Co.-Baureihe beherrscht eben nicht jeder, selbst wenn die lomografischen Kameras aus derselben chinesischen Fabrik stammen sollten. Es muss so etwas wie eine Frage der Ehre unter den Blendern geben.

Zurück zu meiner Holga 120GN. Glücklicherweise spiele ich mit ihr ohne eingelegten Film herum und wundere mich über den extrem leisen Verschluss. Ein Blick beim Auslösen gegen das Licht und ich bin geschockt: Der Verschluss verweigert seinen Dienst. Ich packe das Miststück von Kamera in meinen Waffenschrank und bin zunächst bedient. Ein paar Wochen später treffe ich ein Model, sie bringt ihre lomografischen Schätze mit und ich darf sie bestaunen wie anfassen. Die Kameras versteht sich.

Alles was ich sehe ich Plastik, eine billige Verarbeitung und Taschenspielertricks, um die Kosten der Fertigung niedrig zu halten. Höre ich dann, was man für den überirdischen Müll nebst Filme haben möchte, geistert mir der Begriff des Wuchers im Kopf herum. Für das Geld kann man sich im Kameraantik-Markt eindecken und bekommt deutlich mehr für sein Geld.

Irgendwann raffe ich mich auf, bewege den Lamellenverschluss der Holga zum mitspielen und ziehe mit dem Prachtexemplar einer fragwürdigen Unternehmenskultur los. Nach ein paar Aufnahmen fällt der hintere Gehäusedeckel ab, weil die Metallbügel ihre Haltkraft verloren haben. Zynischer Kommentar eines weiblichen Besserwisser: Als Lomograph weiss man, dass man nach dem Laden des Films die Kamera am besten mit Isolier- oder Klebeband verschließt!

Ich habe nichts dagegen, dass das Fotografieren zelebriert wird. Mir ist auch klar, dass die lomografischen Kameras nicht in einer Stückzahl gefertigt werden, dass man sie zum teuren Lomo-Film verschenken kann. Doch mit etwas mehr Liebe zum Detail und deutlich weniger Gehabe um die Idee der Lomographen kann man auch aus Plastik alltagstaugliche Gegenstände herstellen. Man muss nur die Euro-Zeichen aus dem Kopf verbannen und grundsätzlich wollen!

Kann ich auch etwas positives zur Holga sagen? Theoretisch kann ich mit ihr Aufnahmen im 4,5 x 6 cm Hochformat machen. Ein entsprechender Adapter für den Kamerainnenraum lag bei. Außerdem ist die Öffnung für das manuelle Bild-Zählwerk variabel. Verzichte ich nun auf den Adapter und stelle den Durchguck auf die Filmrückseite trotzdem auf die 4,5 x 6 cm-Zahlenfolge, dann entstehen nette Panoramen (Beispiel 1 und Beispiel 2).

Mehr Lobenswertes fällt mir zur Holga 120GN nicht ein. Den Wunsch nach einer Lo-Fi-Fotografie ähnlich der Holga-Reihe erfülle ich mir mit der Certo-phot!

Autor: makkerrony

Der Macher des Lichtbildprophet ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben.