Nippelalarm

Nach einer gefühlten Ewigkeit ist es uns wieder gelungen, Zeit miteinander zu verbringen. Wir unterwegs, per Fuss durch die stockfinstere Nacht. Ganz sozial vernetzt wische ich auf meinem iPhone herum.

„Scheiß Empfang in der Gegend“ unterbreche ich die für einen Städter monotone Geräuschkulisse des Waldes.

Ohne eine Regung starrt sie stur gerade aus. Ich weiß: Irgendetwas stimmt nicht mit ihr! Für mich überraschend mustern mich ihre Augen, kurz und entschlossen: „Mit wem schreibst du dich da?“.

Daher weht der Wind! Ich befriedige in der Einöde meinen Kommunikationsbedarf, während sie brav meine nachtaktive Wanderleidenschaft erträgt.

„Mit niemanden. Ich versuche nur die Tour rund um unser heutiges Nachtlager dahingehend zu ergründen, wo ich vielleicht Kontakt zur Außenwelt habe. Aber hier draußen geht ja gar nichts.“

Ihr anschließendes Schweigen interpretierte ich so, dass das Thema damit erledigt ist. Typisch Mann, weil falsch gedacht!

„Was ist das da für eine unbekannte Nummer in deiner Anruferliste?“ polterte es lautstark aus ihr heraus.

Ich tat nicht nur so, sondern ich war wirklich ahnungslos: „Was für eine unbekannte Nummer?“.

„Na in deiner Anruferliste. Das ist die Handynummer von dieser Schlampe, die dich im Fotostudio so blöd angemacht hat.“

Ohne zu wissen, um wen es eigentlich geht und wie die weitere Diskussion verlaufen wird, habe ich keine Lust mich mit ihr auf diesem Niveau weiter zu unterhalten. Wegen der Dunkelheit erahne ich ihren Gesichtsausdruck am Tonfall der Stimme. Es liegt eine gewisse Gereiztheit in der Luft.

„Meine Nippel werden nicht hart“ poltert sie schnippisch heraus. „Die Tussi meine ich. Die wollte, dass du sie angrabschst. Und genau die Schlampe hat dich angerufen. Weil der Herr sein Handy immer lautlos stellt, hast du es nicht gleich gemerkt. Und jetzt versuchst du sie zurückzurufen. Vielleicht werden ihre Nippel gerade nicht hart.“

Ich hasse solche Eifersuchtsszenen.

Ja, sie stand für ein Akt-Shooting nackt vor mir und ja, ihre Nippel ließen jede Form einer Erregung und sei es nur vorgetäuscht vermissen. Ich bot ihr kaltes Wasser und Eiswürfel an. Sie war von meinen Vorschlägen nicht begeistert, schien mehr oder gar anderes von mir zu erwarten. Ich lehnte ab, durch mein aktives Zutun irgendetwas an ihren erschlafften Brustwarzen zu ändern.

Mit einer gewissen Enttäuschung in ihrem Gesicht und einem „Ach ist schon gut“ wandte sie sich von mir ab. Wenn ich damals gewusst hätte, welch Drama sich heute aus dieser Situation entspinnt, hätte ich zugegriffen und nicht nur ihre Nippel solange berührt, bis sie das Gardemaß zweier 12 Millimeter Kesselnieten erreicht hätten. Nur, um mich hier und heute schuldig und ertappt zu fühlen.

„Ich habe zwar den Anruf in Abwesenheit gesehen, konnte aber die Nummer nicht zu ordnen. Nach der Nummer damals im Fotostudio habe ich ihre Kontaktdaten gelöscht. Auf solch eine doofe Anmache habe ich keinen Bock!“ erwidere ich.

Ich höre ihr Schnaufen und bin somit vorgewarnt, dass mein Kopf bereits in der eng anliegenden Schlinge sitzt.

„Die Schlampe hat sich bei Facebook angemeldet und ist dort in deiner Freundesliste drin. Wieso, wenn du angeblich den Kontakt aus deinem Adressbuch gelöscht hast?“

„Über Facebook halte ich mit vielen Leuten Kontakt, mit denen ich mal zu tun hatte. So habe ich die Möglichkeit nachzufragen, wenn ich ein Foto für irgendwas brauche. Ich find das ganz praktisch so.“

„Erzähl doch nicht“ höre ich sie sagen, während eine Baumwurzel unseren seichten Schlurfschritt unterbricht. „Du willst dich mit ihr treffen. Bestimmt bereust du es, sie damals abgewiesen zu haben. Die ist einfach scharf auf dich und du hast eine Gelegenheit verpasst sie durchzuvögeln. Ich kenn dich zu gut mein Freund.“

Wenn ich wüsste wo ich bin, würde ich den Waldweg umgehend verlassen und mitten durch zum Campingplatz zurückkehren. Ich liebe ihr rotblondes Haar und die nur schemenhaft zu deutenden Sommersprossen auf ihrer jugendlichen Haut. Ihre Eifersucht und die damit verbundenen Szenen einer Beziehung würde ich lieber heute als morgen als Sondermüll entsorgen.

Keiner Schuld bewusst weiß ich nicht, was den heutigen Abend noch retten kann. „Du hast mein Facebook-Passwort. Logge dich ein und guck nach, ob und was ich mit ihr schreibe.“

„Ich wusste es, du schreibst dich mit der Schlampe!“

„Sag bitte nicht Schlampe zu ihr. Du kennst sie nur von Fotos.“

„Du nimmst sie auch noch in Schutz? Ich muss sie nicht kennen um zu wissen, dass sie nun mal eine Schlampe ist. Wer sich an einen Mann ranmacht der vergeben ist, der ist für mich eine billige Schlampe! SCHLAMPE! SCHLAMPE!“

Sie hat im Moment so etwas von Bruno Ganz in “Der Untergang”, als er den Fegelein sprechen wollte.

„Oh!“ entfleucht es mir, wohl wissend damit einen großen Fehler begangen zu haben.

„Was soll das heißen?“

Ich versuche erst gar nicht meinen unkontrolliert geäußerten verbalen Einwurf umzuwidmen. Schlimmeres lässt sich nun auch nicht mehr verhindern. Stattdessen greife ich zu jener Waffe, die mich von ihr geäußert immer zur Weißglut bringt. Ich pariere mit einem „Nichts“.

„Erzähl nicht solch einen Scheiß. Du wolltest sagen, dass ich auch eine Schlampe bin. Immerhin war ja der Herr auch vergeben und ich habe mich in deine Beziehung eingemischt.“

„Ich wollte damit nicht sagen, dass du eine Schlampe bist.“

„Dann hast du es aber gedacht“ folgt ihre Retourkutsche.

„Nee, es war eher das Einmischen in eine Beziehung.“

„Wieso und warum einmischen? Was die Nippel-Trulla veranstaltet hat, ist doch voll assi. Wie kann ich mich so an einen Kerl ranmachen. Und außerdem hat sie Hängetitten.“

Während wir eine steile Rechtskurve durchlaufen, kehrt für ein paar Sekunden Ruhe ein. Zugern würde ich jetzt ihr Gesicht sehen. Möchte wissen, auf welchem Ast ich gerade sitze und woran gesägt wird.

Wenn ich jetzt anfange, ihr unsere Geschichte brühwarm unter die Nase zu reiben, dann wird das Wochenende in einer handfesten Krise enden. Dabei meine ich es noch nicht einmal böse. Es war an der Zeit, dass sich etwas ändert. Und der Rotschopf neben mir war der Auslöser.

„Klar, ich bin eine Schlampe. Ich habe den armen Mister Unschuld verführt und seine Ehe ruiniert.“

„Wenn es mal so einfach gewesen wäre …“ ich versuche meine Gedanken zu sortieren. Was damals zwischen uns geschehen ist, war jener Aussetzer, wo Mann mit dem Genital und nicht mit seinem Gehirn denkt.

Junge Frau posiert in bester Weibchenakrobatik vor dem Fotografen. Sie kommt ihm näher, während er eine Aufnahme nach der anderen schießt. In der Atmosphäre entsprechen wenige Zentimeter Körperabstand bereits einer Berührung.

Zwischen uns lag eine erotische Spannung, die sich entweder im wilden Liebesspiel, einem kühlen Bad oder im Abholzen des Regenwaldes entladen kann. Sie entschied sich für einen Griff in meinen Schritt, was meinen Denkprozess noch mehr in diese Körpergegend lenkte. Was dann geschah, ist das klassische Rein-Raus-Spiel in der ersten Ausgabe einer neuen zwischenmenschlichen Verbindung.

„Ach, wie ist denn deine Version? Es scheint ja mit uns nicht ganz so wie von dir erhofft zu laufen.“

Es gibt Zwiegespräche, die können trotz aller Zuneigung und Sympathie nicht positiv verlaufen. Das gilt vor allem dann, wenn sie in einer emotional aufgeheizten Atmosphäre stattfinden. Anstelle die sternenklare Nacht zu genießen, endlich einfach innezuhalten und nur die Ruhe in sich aufzunehmen, muss ich mich um Möchtegern-Schlampen streiten.

Meine aktuelle Beziehung war eigentlich als Shooting geplant. Nach einer holprigen Startphase ist es uns gelungen, aus der Nummer mehr als ein einmaliges Gastspiel zwischen Ameisen und Tannenzapfen zu machen.

„Ich habe mir nichts erhofft und genauso wenig bin ich die Unschuld in Person. Das mit uns ist einfach so passiert. Alles hat gepasst …“

„Wir kennen uns ja nun auch schon ein paar Jahre und ich stand nicht immer mit Klamotten vor deiner Kamera.“

„Darum geht es nicht. Unser Kontakt davor war nur auf die Fotografie beschränkt. Du warst eines meiner Modelle und ich stand hinter der Kamera. Heute stehen wir uns als Mann und Frau gegenüber.“

„Es klingt so, als hätte ich dir dein Lieblingsspielzeug weggenommen oder gar kaputt gemacht. Dann heul doch und zieh dir ein Kleid an“ sagte sie und ihre Stimme bekam einen weinerlichen Unterton.

„Mädel, ich bereue nichts und sehe unsere Beziehung genauso wenig als Fehler.“

„Ich bin nicht dein Mädel! Höre auf mich wie ein kleines Kind zu behandeln, auch wenn du etwas älter bist als ich!“

„Als ein Kind habe ich dich nie betrachtet. Solch eine Beziehung wäre mir zu kompliziert. Außerdem finde ich die jugendliche Unbekümmertheit einfach zum Kotzen.“

„Wenn das so ist, warum hast du dann etwas mit mir angefangen? Hättest doch sagen können, dass ich dir zu jung bin und du lieber ein etwas ruhigeres Fahrwasser suchst.“

„Ich habe nichts gesucht!“

Einen kurzen Augenblick bin ich am überlegen, mit etwas Süßholz raspeln die missliche Lage positiv aufzuwerten. Aus pragmatischen Gründen verzichte ich darauf. Stattdessen bleibt sie stehen. Ich greife zu den Zigaretten und nach dem ersten Zug wendet sie sich mir zu.

„Hättest ja mit mir nichts anfangen müssen.“

„Sicher, aber irgendwo war dann doch Liebe im Spiel und ich wollte eben nur mit dir zusammen sein.“

Die Glut der Zigarette zeigt ihr Gesicht im warmen Rot. Eigentlich kenne ich es von den vielen Fotos zu genüge. Trotzdem mag ich es lieber leibhaftig anschauen. Dann sind da noch ihre blauen Augen. Ich fahre mit meiner Hand über ihre Wangen. Mit sanftem Druck hält sie dagegen.

Es vergeht Zeit. In der Ruhe, die der Wald um uns herum zulässt. Eine gefühlt Ewigkeit, entspricht sie tatsächlich nur einer Zigarettenlänge.

„Worum haben wir uns eigentlich gestritten?“ möchte ausgerechnet sie von mir wissen.

„Es ging um harte Nippel ohne Liebe. Aber das ist egal. Lass uns einfach weiter den Moment der Ruhe genießen.“

Autor: makkerrony

Makkerrony, der Macher des Lichtbildprophet, ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben. Ein Mensch behauptete mal, Makkerrony sei ein guter Fotograf, hat allerdings einen denkwürdigen Geschmack. Jemand anderes meinte, Makkerrony könne einen Haufen Hundescheisse fotografieren und es sehe gut aus. Ein Model lehnte die Arbeit mit dem Lichtbildprophet ab, weil seine Bilder so aussehen, als müsse sich das Model anstrengen.