Restaurierung versus Momentkopie

Als ich mich das erste Mal ranmachte und eine alte Aufnahme ‚restaurierte‘, tat ich es mit dem Ziel, alle ‚digitalen Register‘ zu ziehen. Im Ergebnis fiel mir die Armut der portraitierten Person auf, was so – im nichtrestaurierten Zustand – nicht zu erkennen war. Diese Erfahrung war so etwas wie ein Schock. Im Nachgang bin ich zukünftig deutlich moderater an die (digitale) Überarbeitung gegangen. Irgendwann habe ich diesen Pfad gänzlich verlassen.

Vor kurzem nahm ich mich ‚fremder‘ Glasplatten-Negativen an und habe davon Kontaktabzüge gemacht.

Das bedeutet nicht, dass ich die eigene Fotografie aufgebe oder aufgegeben habe. Ich möchte auch nicht auf Fotorestaurator oder Vintage-Imitator machen. Das steht mir als Dilettant nicht zu. Ich möchte alten Negativen, sei es von Glasplatte, Planfilm oder was auch immer mit dem Equipment im Offenen Atelier machbar ist, einen späteren Moment eines frühen fotografischen Moments wiedergeben. Nach Jahrzehnten des Dahinvegetierens auf einem Dachboden oder irgendwo in der Ecke eines Kellers, soll das dargestellt werden, was der Träger des fotografischen Negativs unter meinem Belichter noch hergibt.

Zunächst habe ich versucht mit aktuellen Materialien zu arbeiten. Die Ergebnisse sehen mir einfach zu modern aus, sei es vom Kontrast bis hin zum Schwarzweiß. Halte ich alte Fotoabzüge, die fast ein Jahrhundert auf dem Buckel haben, in meiner Hand, sehen sie anders aus. Alles um die Entwicklung herum wirkt den Schlag weicher, tiefes Schwarz ist eine echte Seltenheit, die Graustufen enthalten eine gewisse Farbigkeit, sind nicht so schonungslos optimiert wie heutige – auch analoge – Fotografien.

Nachdem mir eine große Anzahl alter ORWO Universal-Fotopapiere in die Hand gefallen sind, deren MHD vor über 35 Jahren abgelaufen ist, war mir klar, dass ich hier nur mit der Lith-Entwicklung arbeiten kann. Es beginnt das Finden der ‚richtigen‘ Belichtungszeit bei gewünschter Wiedergabe vieler Details und meinem Faible für ‚abgestandene‘ Lithentwickler. Damit nicht genug. ‚Meine‘ ORWO-Papiere sind teilweise recht dünn und die ‚Emulsionsschicht‘ ist mittlerweile ziemlich brüchig. Folglich muss das Bild vorsichtig auf Karton aufgezogen werden.

Auf modernen Papieren greife ich zum Selbstgemischten aus dem Moersch VGT- und Fatman Entwicklerbaukasten zurück. Gerade bei meinen ’normalen‘ Entwicklungen vom Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee zeigt die Feintrimmung des Fatman ‚Black Hole‘ genau das, was mir als eine klassische (Vintage-) Entwicklung vorschwebt. Beim Papier gebe ich wie gehabt Foma/Rollei Vintage den Vorzug. Ich möchte/muss an der Stelle auf meine Neigung verweisen, nicht mit frischen Ansätzen einer Arbeitslösung zu arbeiten. Die ‚Knall auf Fall‘-Entwicklung, wie sie heute praktiziert wird, liegt mir überhaupt nicht. Ich bin eher der Quäler mit dem Pinsel – was der Farbigkeit und Farbstoffbild (Restbild) zuträglich ist – in meiner Abwaschwasser-Arbeitslösung.

Schaue ich mich im Internet um, gibt es so etwas wie eine Szene um diese uralten Fotoplatten aus Glas. Es finden sich sogar Leute, die fotografische Glasplatten digitalisieren aber auch restaurieren. Es finden sich Leute, die die Funde mangels Interesse verkaufen, je nach Sujet (zum Beispiel Erotik, Militaria oder Semi-Bekanntheiten) zu recht gepfefferten Preisen. Was es nicht zu geben scheint sind Leute, die einen persönlichen Bezug zu den Großformat-Negativen haben und Dank eines Fotolabors einfach nur wissen wollen, was in der Invertierten darauf zu sehen ist. Irgendwie schade, wie uns in der Modernen der Sinn für die Neugierde abhanden gekommen ist. Finde ich zumindest.

Ich möchte mich mit meinen zusammengefundenen ‚Glasplatten‘ nicht auf ein Sujet festlegen. In diesen Negativen sehe ich vergessene, zurückgelassene Zeitzeugen. Ja, es geht mir um diese Emotion der scheinbaren Armseligkeit und doch glückliche Menschen gewesen zu sein. Immer dann, wenn sich die Gelegenheit bietet, günstig neue ‚alte‘ Glasplatten zu schießen, greife ich zu. Jede ist eine Herausforderung, daraus ‚analog‘ und ohne ‚digitale‘ Helfer ein sichtbares Bild zu machen. Es ist so etwas wie mein Kampf für ein verlorenes Stück, das durch ein Positiv zur Ehre seines Bildschöpfer kommt. Ich gehe nicht den einfachen – schnellen digitalen – Weg. Genauso wenig möchte ich den nagenden Zahn der Zeit, das Vergängliche an unserem Leben, austreiben. Es ist, wie es ist.

Autor: makkerrony

Makkerrony, der Macher des Lichtbildprophet, ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben. Ein Mensch behauptete mal, Makkerrony sei ein guter Fotograf, hat allerdings einen denkwürdigen Geschmack. Jemand anderes meinte, Makkerrony könne einen Haufen Hundescheisse fotografieren und es sehe gut aus. Ein Model lehnte die Arbeit mit dem Lichtbildprophet ab, weil seine Bilder so aussehen, als müsse sich das Model anstrengen.