Suchen, finden und Manipulation

Ich suche nach einem Begriff, selbstverständlich mit Google. Microsoft und Edge wollen, dass ich Bing nehme. Doch was mir hier gezeigt wird, trifft selten meinen Nerv. Selbst wenn mein erstes Ich das zweite Ich, den Lichtbildprophet, sucht, lässt mich Bing so klein und unbedeutend erscheinen. Google hat mich eindeutig mit mehr Treffern besser auf den Schirm. Die Kehrseite der Medaille: Das Suchergebnis bei Google besteht ausschließlich aus Werbung. Kein Link ohne den Anzeige-Hinweis. Gefühlt ist mir das bisher noch nicht untergekommen.

Zwischen den Feiertagen. Wie gehabt sitze ich vor meinem iMac und möchte mich bei Google und den Ex-‚webmaster tools‘ einklinken. Die Datenkrake verweigert mir den Zugriff, weil mein Verhalten verdächtig sei und man bei Google – selbstverständlich NUR zu meiner eigenen Sicherheit – alles zum Schutze meiner Persönlichkeit unternimmt. Ich muss mich irgendwie zusätzlich identifizieren und den Zugriff von einem – für Google – unbekannten Gerät legitimieren!

Haben die Burschen in den USA den Arsch offen? Dieser Rechner, jungfräulich bei Apple erworben, werkelt in meinem Namen seit über einem Jahr im Internet herum und hat sich mehrmals erfolgreich auch bei Google angemeldet. Nun auf einmal ist er böse und unbekannt? Oder schmeckt es dem Datengiganten überhaupt nicht, dass ich Anfragen zu meinem Standort und jede Form der Personalisierung meines Internetbrowsers ablehne? Zudem wird nach jedem Internetgang der Cache so gut wie möglich gereinigt und gelüftet. Internet ist wie auf Toilette gehen: Nach dem Kacken werden die Hände gewaschen!

Über die Feiertage muss ich mein Smartphone rauskramen, weil Trump’s Jünger den Lichtbildpropheten durchleuchten wollen: Wo hält er sich auf, welche Endgeräte nutzt er und was hat er so allein vor dem Rechner alles gemacht. Erst ein Code besänftigt das sammelwütige Datenschwein und lässt mich in die geschützte Area. Unterdessen wurden weitere zig Mails und SMS losgetreten, um mich vor einem angeblichen Missbrauch zu warnen. Habe ich jedoch das getan was ich getan habe, also mich bei Google angemeldet, dann ist alles gut und ich muss nichts weiter tun. Welche Blödbacke da drüben über dem Teich hat Langeweile und spielt Nutzeraufscheuchen?

Hat mir Google eigentlich jemals dafür gedankt, dass ich so profilierungssüchtig bin und eine Webseite betreibe, die Google in seinem Index listet und man mit meinem Wettbewerb mit anderen Lichtbildgöttern Geld verdient? Eigentlich müsste jeder Inhaltanbieter für jeden Tag online solch eine Danksagung von Google, Bing & Co. Erhalten. Ohne uns Selbstdarsteller gäbe es euch Futzi’s nicht. Stattdessen plustert ihr euch wie Gott auf und meint mir diktieren zu können, wie ich euer Spiel zu spielen habe. Lieber sterbe ich unbekannt und verarmt, aber mit mir und meiner Kunst im Einklang.

Immer öfter bekomme ich eingeblendet, dass Google & Co. Meinen Standort erfragen möchten. Ich lehne bewusst ab, weil es euch verdammt noch einmal nichts angeht. Ihr personalisiert mir schon viel zu viel. Ich möchte aber keine gefilterte Meinung wie die Timeline in Facebook. Allmählich habe ich die Schnauze gestrichen voll dem Zuckerberg die dumme Angewohnheit abzugewöhnen, mir die realen Neuigkeiten in chronologischer Reihenfolge und keine Heile Welt-News anzuzeigen. Ich war so rotzfrech und habe es gleichgetan, wie Facebook es in der Werbung vormacht: Ich bekomme nur die Aktualisierungen und Benachrichtigungen von den Leuten, die mir wichtig sind. Also bekomme ich von Niemanden eine Benachrichtigung oder Neuigkeit eingeblendet. Das fordert Facebook heraus, dass ich mir neue Freunde suchen solle beziehungsweise ich mir die Einschränkungen im Interesse meines Nutzererlebnisses noch einmal überlegen solle. Ihr könnt mich mal, gerne auch kreuzweise.

Nutzererfahrung. Nutzererlebnis. Ich hasse die Begriffe. In der Rangordnung der Hasswörter stehen sie gleich auf mit ‚Lebensqualität‘. Dieses Wort habe ich zum ersten Mal wenige Stunden vor Beginn der Chemotherapie gehört. Und es war mir sofort unsympathisch. Der Professor, der nach Wochen der Ungewissheit, mir versucht zu erklären, welche Perspektiven ich außer der Krebserkrankung und dem naheliegenden Tod noch hätte, tut sich – aus Gründen – schwer von Heilung und Genesung zu sprechen. Lieber verwendet er dieses unsympathische ‚Lebensqualität‘. Heute habe ich den Eindruck, er hat es als Mediziner verstanden, dass selbst nach einer Heilung/Genesung das Leben nach der Krebserkrankung ein völlig anderes und vor allem für den Normalo schwer vorstellbares Leben ist. Es geht nicht um Dankbarkeit, Demut und den Wunsch fortan Mutter Theresa sein zu wollen. Es geht vielmehr darum zur Erkenntnis zu gelangen, mit wieviel sinnlos Unnützen man seine Tage und Wochen verbracht hat.

Auf meinem Laptop treibe ich die Standortverweigerungshaltung auf den Pseudo-Höhepunkt. Ich habe Windows 10 im Falle der Frage angewiesen, meine Position mit Grönland anzugeben. Mir ist natürlich klar, dass das alles Augenwischerei ist. Es gibt die IP-Adresse und andere Mittel und Wege, wenigstens ansatzweise nachzuweisen, dass es sich bei Grönland um eine alternative Wahrheit meiner aktuellen Position handelt. Die Krönung der Perversion um den eigenen Willen liefert Apple und sein aktuelles iOS. Deaktiviere ich im Schnellzugriff das WLAN – es wird nach Apples Bekunden unbedingt zur genauen Standortpositionierung gebraucht – bleibt es dennoch aktiv. Nur der Zugriff auf das aktuell benutzte Wireless LAN wird abgeschaltet. Für wie bescheuert halten mich Jobs Nachfolger? WLAN aus, dann aus. Wenn ihr das per Software nicht hinbekommt, dann müsst ihr eben eine Schalter nach außenlegen, der das bewerkstelligt.

Man ist also von allen Seiten bemüht zu wissen, wo ich mich aufhalte und was ich tue. Für mein Nutzererlebnis und Kaufverhalten. Ich bin keine Frau – was sich jetzt nicht gegen Frauen gerichtet – die nur ans Shoppen denken. Ich bin auch kein Mann, der nur ans Poppen denkt. Was für die Schaltung von Werbung für Bordelle oder Quickie-Stationen im Wohnwagen sprechen könnte. Ein Negativerlebnis des Nutzererlebnisses ist für mich Amazon. Ich kaufe einen Gegenstand A und bekomme weiterhin Angebote für andere Gegenstände A eingeblendet. Oder mir wird in der Werbung Damenkleidung untergejubelt. Entweder ist der Dealer wirklich so schlecht oder die fahren eine Strategie, die ich noch nicht durchschaue.

Ich wehre und weigere mich ein vorgefertigtes Meinungsbild vorgesetzt zu bekommen. Egal wie es motiviert ist. Es soll sich kein Unternehmen darüber Gedanken machen, ob ich ein glücklicher Mensch bin. Genauso kann ich auf Facebook-Empfehlungen verzichten, mir die Krebs-Selbsthilfegruppe XYZ mal anzugucken und toll zu finden. Ich denke über den Bildungsstand zu verfügen, meine eigene Meinung haben zu können. Genauso wenig brauche ich Gesetze warmduschender Politiker, die nur ihre Meinung als die einzig wahre Meinung ansehen. Diese Gesetze führen nur dazu, dass große Internetunternehmen blindlinks Meinungen generieren, die in ihren Augen nur noch gesetzeskonform sind. Denn alles andere würde nur zusätzlichen Aufwand und damit Geld kosten, das nicht in den Arsch der fetten Aktionäre geblasen werden kann. Wenn etwas verboten gehört, dann alles das, was unsere Bequemlichkeit fördert. Sowohl im geistigen als auch im körperlichen Sinn. Der Mensch wird für seine ureigenen Zwecke immer den Weg des geringsten Widerstands wählen. Und genau daran wird er als Spezies auch zugrunde gehen.

Wir sollten eigentlich wissen, wie dumm Maschinen und Programme sind. Sicherlich können sie lästige, sich ständig wiederholende Abläufe für uns übernehmen und halbwegs sicher ausführen. Doch wenn es darum geht, dass diese dummen Maschinen und Programme für mich Entscheidungen treffen und diese Entscheidungen nicht deutlich als maschinelle Manipulation gekennzeichnet sind, dann hört für mich der Spaß auf. Schon als iPhoto zum ersten Mal meine Bilddatenbank nach ‚Gesichter‘ durchflöht hat, habe ich eine Abneigung gegen diese Automatismen entwickelt. Zunächst einmal geht es einer dummen Software überhaupt nichts an, welche Person dahintersteckt. Angesicht der Konnektivität zum weltweiten Datennetz ist es ein Leichtes Bild und Personeninformation an einen Server außerhalb meiner vier Wände zu senden. Des Weiteren werden für diesen Prozess ohne Rückfrage meine – technischen – Ressourcen aufgebraucht.

Leide ich unter Verfolgungswahn? Sehe ich als alter Mensch, als digital immigrant, einfach nur schwarz?

Stell dir vor ich habe zwei Geräte mit je einem eigenen Zugang in das digitale Netzwerk. Ich nutze jedes auf dieselbe Weise, mit dem Unterschied, dass ich auf dem einen Gerät meine Identität verberge. Und nun führe ich auf beiden Geräten denselben Schritt aus, stelle die gleiche Frage und bekomme doch zwei Antworten: Eine die mir gefällt, weil es eine Maschine und ein Programm aus meinem Tun abgeleitet hat und eine Antwort die mir nicht gefällt, aber der Realität entspricht. Im ersten Fall werde ich – dem positiven Nutzererlebnis wegen – wissentlich belogen. Ich kann mir gut vorstellen, dass allein der positiven Botschaft wegen viele diesen Weg bevorzugen, weil ‚Es wird ja schon nicht so schlimm werden!‘.

Unsere Faulheit und Trägheit wird sich mit jeder neuen technologischen Errungenschaft bequem steigern lassen. Bald wird die geschriebene Sprache keine Rolle mehr spielen. Gesprochene Sprache wird uns dominieren. Wieso umständlich Wörter trotz Schreibhilfe tippen? Man müsste – für den Empfänger und sein Verständnis – vielleicht doch den Text querlesen und korrigieren. Gesprochen ist das völlig egal. Wenn dann noch ein Sprachklops wie Google Übersetzer den Transfer in eine andere Sprache übernimmt, kann man sich den Deutschunterricht in der Schule sparen. Ohnehin fehlt es heute bereits an Lehrern und selbst ein Bürger ohne Migrationshintergrund spricht wie ein Affe aus Hamudistan. Der moderne Mensch – männlich wie weiblich – interessiert sich heute doch nur für Titten, wie er viel Geld mit wenig Arbeit macht und wenn er merkt, dass das Beschiss ist: Wie bekomme ich von dem Verbrecher mein Geld wieder zurück. Leute, so funktioniert das Leben nicht!

Es ist eine digitale Übermacht, die den Menschen versklavt und wir Menschen schauen gemütlich auf der Couch sitzend freudestrahlend zu. Weil es so bequem und einfach ist. Maschinen und Programme geben vor, wie unsere Meinung auszusehen hat. Der Sklave braucht nichts entscheiden, denn die Entscheidung ist bereits für ihn gefallen. Das rosarote Lametta für die Willenlosen liefern die viralen Meinungsverkünder, die auf der Leiter eine halbe Sprosse über der kaltgestellten Masse stehen. Es macht keinen Sinn sich vor einem Haufen Idioten hinzustellen und ihm begreiflich zu machen, wozu der Mensch eigentlich im Stande ist etwas zu leisten und wer im Augenblick der wahre Verlierer ist. Kritik am System der gezielten Verdummung und geförderten Bequemlichkeit ist – unter Strafe – nicht gewünscht, weil sie das System als Gesamtheit infrage stellt.

Will ich etwas Klares wie die Realität die mich umgibt, dann blicke ich ins Leben. Das beschäftigt mich genug. Ich habe die Lust verloren klare Bilder zu zeichnen. Klare Bilder sind für mich die Steilvorteile für eine Welt, in der ich entmündigt werden soll. In den Maschinen und Programme mein Denken übernehmen. In der ich zum Handelnden auf Vorlage degradiert worden bin. Ich zeige gute wie schlechte Fragmente der jeweiligen Technologie, mit der meine Bilder entstehen. Sucht jemand im Internet auf Grundlage einer meiner Arbeiten nach ähnlichen Bildern, soll Google es schwer haben wirklich Ähnliches – ausgenommen meine eigenen Arbeiten – zu finden. Ich bäume mich gegen die Meinung auf, weil die Meinung falsch ist. Es soll der Fehler und das Scheitern zu sehen sein. Mein Ergebnis, das Bild, soll von mir gedacht und gemacht sein. Ich habe eine Idee von Träumen und Wünschen, versteckt hinter Raster, Korn, Flecken und Unschärfen. Die Maschine und ein Programm sind dabei ein – hilfreiches – Mittel zum Zweck, nicht jedoch die Ergebnislieferanten mit zwei oder drei Fingertipps auf irgendein Display.

Autor: makkerrony

Makkerrony, der Macher des Lichtbildprophet, ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben. Ein Mensch behauptete mal, Makkerrony sei ein guter Fotograf, hat allerdings einen denkwürdigen Geschmack. Jemand anderes meinte, Makkerrony könne einen Haufen Hundescheisse fotografieren und es sehe gut aus. Ein Model lehnte die Arbeit mit dem Lichtbildprophet ab, weil seine Bilder so aussehen, als müsse sich das Model anstrengen.