Über Götzen, Idole und ohne roten Faden

Wer behauptet, er/sie habe immer so gedacht und gehandelt, der/die lügt. Oder hat sich der menschlichen Fähigkeit seiner persönlichen Weiterentwicklung beraubt. Bei allen Theoriegedanken, die man sich erlesen und erfragen kann, der größte Wissenszuwachs ergibt sich aus dem bewußt Erlebten. Diese Erfahrung und Praxis ist es, die den Menschen weiterbringt. Er muss es nur wollen.

Wer mir etwas schreibt, der sollte davon ausgehen, dass ich nicht seinen Blick und sein Leben vor Augen habe. Es bedarf also der Zeit und Worte mir zu schreiben, was seine Gedanken sind. Erst dann kann ich hinreichend verstehen worum ich gebeten werde.

Zu Zeiten meiner digitalen Fotografie fand ich Newton und Riefenstahl toll. Da ist die Perfektion Helmut Newton’s auf den einen Schuß hinzuarbeiten und Leni Riefenstahl’s direktes dem Betrachter gegenüberstellen ihrer nubischen Schönheiten. Ich mag bei den Maler Tangy und Dali, aber auch Picasso’s reduzieren der Realität auf wenige geometrische Elementarzellen.

Experimentelle Fotografie und Dunkelkammer als ‚Verfremdung‘ zu postulieren verweist auf den beschränken Horizont des Autors. Also lasse ich es, mir Gedanken über den Kauf des Zweibänder zu machen.

Den wohl wichtigsten Schalter haben jedoch die Arbeiten Miroslav Tichy in mir ungelegt. Zum einen fasziniert mich die Komplexität der Einfachheit, mit der seine Bilder entstanden. Wer sich abseits des Mainstream-Bokeh mit Unschärfe in der Fotografie uaseinandersetzt, der weiß wie schwer es ist gute Unschärfe zu erzeugen. Über Tichy fand ich zur Unschärfe als Gestaltungsmittel.

Ich habe Jahre digitaler Fotografie gebraucht, um den Bildern ihre Schärfe und Präzision zu nehmen und doch war das, was dabei rauskam so unnatürlich anders. Also legte ich die Digitalkamera beiseite und versuchte mich mit der Analogfotografie. Was ich nun schuf, näherte sich meinem Wohlgefallen an. Doch erst die unscharfe Projektion der Negative im DIY-Vergrößerer gab der ganzen Sache eine Handschrift, der Fotografische Depressionismus.

Mir fällt es schwer Fotografie als kreatives Werkzeug zu sehen, wenn lediglich Realitätsnähe und dokumentarischer Eifer auf höchstem technischen Niveau Antrieb ist. Da mir aus berufenen Mündern ein ‚merkwürdiger Geschmack‘ sowie ‚Intellektfreiheit‘ attestiert wurde, nehme ich gern die Rolle des Sonderlings ein. Sie hält mir die Masse vom Laib und ich werde nicht gezwungen, langweilige Gefälligkeiten anzufertigen. Ich lehne ab, werde ich um etwas ‚Schönes‘ gebeten. Ich will nicht schön, mir steht gutschlecht viel besser!

Die logische Konsequenz des Tichy-Schalters ist das analoge Arbeiten und der Einfluß der Zeit. Digital am Computer geht alles schnell und sind maßlose Überzeichnungen möglich. Ihnen fehlt es jedoch an dem zufälligen Moment, an dem Unverhafften in der Gestaltung. Digital kann nur das, was ihm programmiert wurde. Mehr nicht. Die analoge Vielfalt und die beinahe chaotische Komplexität der Zufälle macht die Einzigartigkeit dieser Technologie aus. Man muss nur den Mut besitzen auch die analogen Regelwerke der Technikdiktatoren aus seinem Kopf zu verbannen und nach der hochgelobten Freiheit wirklich zu denken und zu handeln.

Gedanken um ein Bild – Wie kann ich hier nur an ein perfektes Abbild in höchster Präzision denken? Die Aufnahmetechnik hinterlässt Spuren, werden verheimlicht und verwischt. Es entsteht eine Reizüberflutung, die das menschliche Auge so nicht sieht. Wieso wird nicht die Imperfektion ‚aller Beteiligten‘ zum Gestand der Arbeit gemacht. Warum darf der Zufall keine aktive oder passive Rolle im Bild spielen? Die Realität entpuppt sich eher als Traumwelt, der moderne Fotograf ist ein Traumtänzer und die begeisterte Masse ein Club der leicht zu langweilenden Narzissten.

Das Chaos der analogen Welt verschlingt Zeit. Mein Kopf braucht Zeit, um möglichst nicht abgelenkt viele Gedanken zu denken. Nach dem Ende der Chemotherapie dachte ich, möglichst schnell möglichst viel nachzuholen. Unter diesem Druck fiel es mir schwer überhaupt kreative Gedanken zu fassen. Eher räumte ich in der Vergangenheit auf. Und zudem, was meine Hände irgendwie schufen, konnte und kann ich keine Verbindung aufbauen. Es die Zurücknahme des Kreativturbos sorgte für eine Gelassenheit und Geschwindigkeit, mit der ich mir mein Leben gestalten kann.

Jedes meiner Bilder will mit Bedacht und Händearbeit geschaffen und nicht mit wenigen Fingertipps oder Mausklicks erzwungen werden!

Gibt es eigentlich gute moderne Meister? Als mir das fotoMAGAZIN noch kostenlos hinterher geworfen wurde, durfte ich jeden Monat erfahren, wer ein Fotografischer Meister der Moderne ist. Mit dieser exklusiven Auswahl an Ideenlosigkeit kann ich nichts anfangen. Bemühe ich die Vereinsmeierei der Gesellschaft für Fotografie e.V., dann überkommt mich im Bad der Realität pure Langweile. Schaue ich mich im exklusiven Zirkel der Deutsche Gesellschaft für Photographie (DGPh) e.V. um, verspüre ich neben Augenschmerzen auch im Magen eine Reizüberflutung. Und dafür bedarf es einer ‚Berufung‘ in den erlauchten Kreis? Im übrigen hasse ich Lauch!

Mir fällt ‚Vanny Deluxe‘ ein, das verblasste Supermodel auf model-kartei.de. Vor Jahren schrieb sie mich für ein Shooting an, wollte Geld dafür. Ich sagte nein, worauf hin sie mich fragte, ob sie es nicht Wert sei? Was für eine grenzenlose Selbstüberschätzung. Später hat sie auf Schein-Domina und Pseudo-Haue gemacht. Was für eine Karriere. Wie die von ‚Jill Berlin‘. Webcam-Girl, Talkshow-Dauergast, Silikonhupen, Striptease-Schule und ewig 30 Jahre alt. Dann irgendwann wurde sie doch vierzig um heute, wieder Jahre später junge 42 Jahre zu sein.

Können wir heute noch Entscheidungen treffen und auch die entsprechenden Konsequenzen tragen? Ich glaube, dass das heute nicht mehr geht. Jeder braucht ein ‚Zurück zum Anfang‘-Szenario, weil im Nachgang die Spielregeln nicht gefallen und alles auf eine Niederlage hindeutet. Die Chance in der Niederlage wird nicht gesehen. Alles muss ein Erfolg sein, selbst wenn es der größte Fehler oder Schwachsinn ist.

Warum verfällt der Mensch immer erst dann in Betriebsamkeit, wenn ihm das Wasser schon über die Oberkante seiner Unterlippe schwappt? Warum bemüht der Mensch nicht seinen eigenen Geist, statt stets und ständig nach ‚Fachliteratur‘ zu suchen? Was sich heute schon alles ‚experimentell‘ nennen darf, ich bin erstaunt.

Dafür, dass so viele ‚Fotografen‘ angeben eine Kamera hätte sie ihr gesamtes Leben begleitet, haben sie über die Jahre nichts dazugelernt. Oder sie lügen.

Der Gedankenstrang des Beitrags geht total verloren. Ständig werde ich unterbrochen, verliere den Faden, weshalb sich kein roter Faden aufbauen kann. Ich soll jemanden zum Geburtstag gratulieren, den ich selbst höchst selten zur Gratulation an meinem Geburtstag gesehen habe. Also warum soll ich ihr gratulieren?

Experimentell Fotografie geht so: Nimm ein neuzeitliches Buch und finde die Stellen, wo dir gesagt wird wie du – nach Ansicht des Autors – Fotografie zu machen hast. Lies danach Bücher über die Historie der Fotografie und du erkennst, dass das Regelwerk nur ein Abbild fotografischer Stilrichtungen ist. Am besten verbrenne die Bücher der Neuzeit und besorge die Literatur aus den Anfangstagen der (analogen) Fotografie. Lies nach, welche Wege es mit welchen Konsequenzen zum Bild gibt. Versuche dich in der Dunkelkammer und wenn nichts gelingen will, dann führe einen Standardprozess durch, um danach wieder experimentell zu agieren.

Ist das Pochen auf Individualität nicht eher ein Zeichen für Faulheit?

Es wird angetreten, jetzt alles anders und besser zu machen. Die Intention und Motivation bestand schon damals, als man den jetzigen Zustand geschaffen hat. Doch das mag man heute nicht hören wollen. Und so geht damit völlig unter, dass das, was heute neu und besser geschaffen werden soll, damals abgeschafft wurde.

Man weiß gerade nicht, ob man noch etwas braucht oder nicht! Wie kommen Menschen mit dieser Einstellung durch’s Leben? Liebesleben, Essen, Trinken, Schlafen oder Computer benutzen? Alles nur eine zufällige Sache und später mal gucken, ob man davon was braucht? Die Krönung der Schöpfung menschlicher Unvernunft ist, sich dann über den Wissenden schwingen und beim Scheitern auf Unschuld machen zu wollen. Auch das Chaos will planvoll angegangen werden.

Auch wenn ihr betont mit Gefühl, Emotionen und was weiß ich noch alles ans Werk zu gehen: Die Bilder sprechen die Sprache des Kopfes, der Vernunft, des Sieges der Technik über den Menschen. Dabei war es der Mensch, der die Technik geschaffen hat.

Sie lasen eine Spirale der Unterbrechung, bei der dann irgendwann der rote Faden verloren ging.

Autor: makkerrony

Makkerrony, der Macher des Lichtbildprophet, ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben. Ein Mensch behauptete mal, Makkerrony sei ein guter Fotograf, hat allerdings einen denkwürdigen Geschmack. Jemand anderes meinte, Makkerrony könne einen Haufen Hundescheisse fotografieren und es sehe gut aus. Ein Model lehnte die Arbeit mit dem Lichtbildprophet ab, weil seine Bilder so aussehen, als müsse sich das Model anstrengen.