Jeder Abschnitt ein verbaler Peitschenhieb, maximal sechs Stück an der Zahl, die in meinem Ordnungssystem 2 mal 3 ergeben. Der Wissende erinnert sich an ein paar Regeln, die auf dem Wechselspiel der beiden Zahlen beruhen. Was ich niederschreibe, soll nicht kommentiert werden dürfen. Ihr Narren redet schon genug, ich selbstverständlich auch! Es sind ganz meine Gedanken und darin hat niemand anderes etwas zu suchen. Ich bin alt genug und darf das. Noch!
1 mal 1
Im Laufe meiner fotografischen Jahre habe ich viel zum Thema Bildgestaltung gelesen und selbst zum Besten gegeben. Aus heutiger Sicht sind mir einige Äusserungen eher peinlich, weil einfach unüberlegt dahin gesagt. Gehe ich auf Reisen, habe ich ein Ziel vor Augen. Im ersten Moment liegt der Gedanke nahe, das Sujet zum Ziel zu erklären. Aus meiner Erfahrung möchte ich durchaus einen technischen Parameter statt dem Motiv zum Ziel erklären: Die Dimension und insbesondere das Aspektverhältnis des Ausgabemediums!
1 mal 2
Kann ich diese Frage nicht am Ende meines Workflows beantworten? Theoretisch kann ich in meinem eigenen Schöpfungsprozess alles. Möchte ich jedoch eine besondere geometrische Beziehung zwischen Sujet und dem späteren Bildträger herstellen, komme ich um eine frühzeitige Antwort nicht herum. Sicherlich bietet das Ausgabeformat alle Freiheiten, die ich mir wünschen darf. Niemand zwingt mich am 2 zu 3, 3 zu 4 oder 1 zu 1 festzuhalten. Doch allein der Gedanke, sich der Grenzen des Mediums bewusst zu werden und diese in die Betrachtung einzubeziehen, für zu einem bewussten Umgang mit dem Sujet.
1 mal 3
Zugegeben: Die Frage nach der Größe und dem Aspektverhältnis ist weniger ein technischer Parameter als eher ein psychologischer Bremsklotz, sich noch vor dem Auspacken der Kamera Gedanken zur Gestaltung des Lichtbildes zu machen. Solche Tricks anzuwenden, gar mit einem Handstreich wegzuwischen ist arrogant. Es zeugt von jener Lieblosigkeit, die sich durch zahllose Aufnahmen ziehen: Beneidenswerte Sujets werden ins Zweidimensionale gedrängt, in den Vordergrund gerückt, allein dem Voyeur seine visuelle Befriedigung zu geben.
2 mal 1
Der äußere Rahmen legt den inneren Rahmen fest. Für ihn hat der europäische Kulturraum den sogenannten Goldenen Schnitt auserkoren und zelebriert ihn bis zum Erbrechen. Der Wahn geht soweit, dass selbst die eingekringelt daliegende Katze als ein Beispiel der komplexen Anwendung des Goldenen Schnitts gelehrt wird. Unbestritten ist, dass sich aus dem Goldenen Schnitt eine gewisse visuelle Harmonie ableiten lässt. Den Ursprung beziehungsweise die Frage nach dem Warum ist nicht wissenschaftlich belegt, weshalb man von einer empirischen Größe sprechen kann.
2 mal 2
Abgesehen von der Perversion des Goldenen Schnitt-Konstrukts aus dem vorherigen Abschnitt wird die auch als Zwei-Drittel-Regel formulierte Praxis eher stiefmütterlich angewandt. Die Literatur sieht, wohl im Mangel der Kreativität der Autoren, die Kreuzungspunkte sowie die Linien als das Ziel einer güldenen Bildeinteilung. Entsprechend werden – als belehrendes Beispiel – Möwen vor langweiligen Wellen fliegend bemüht, die gesteigerte Harmonie nach Goldenem Schnitt zu demonstrieren. Mehr Langeweile geht wirklich nicht mehr.
2 mal 3
Sich kreuzende Linien gefasst in einem äußeren Rahmen ergeben Flächen, die sich genauso zur Bildgestaltung nutzen lassen. Hier können – in einer Variante – jene Gestaltungsmittel nutzen lassen, die in Verbindung zur Farbe, Kontrast und/oder Schärfe stehen. Selbige Flächen können aber auch als Element oder Elementgruppe betrachtet werden, die wiederum einen eigenen Gestaltungsspielraum ergeben. Es bleibt aber auch die Abkehr von der äußeren und inneren Bildgestaltung und die Zuwendung anderer Konzepte der Wahrnehmung, beispielhaft sei in diesem Rahmen Wabi-Sabi genannt.