Ich soll? Zum Beispiel locker bleiben?

Drei Monate ist es nun her, dass mir die Postbotin eine offizielle Benachrichtigung in den Briefkasten steckt und mich auffordert, ab dem nächsten Tag binnen sieben Tage eine Sendung abzuholen. Konkret handelt es sich um einen bestellten Kosmetikartikel, den Amazon per DHL/Deutsche Post-Brief verschickt hat.

Am nächsten Tag sorge ich für etwas Hektik hinter der Posttheke. Man kann die Warensendung nicht finden, ‚wird wohl der Briefträger vergessen haben raus zu packen‘ und ich solle zwecks Lösung des Problems eine Servicenummer anrufen, die mir sagt wie es weitergeht. Den Anruf tätige ich, die fühlen sich nicht zuständig und ich soll mich an Amazon wenden. Das tue ich, Amazon storniert binnen weniger Stunden, meine Prime-Mitgliedschaft wird – kostenlos – um einen Monat verlängert. Fehlt nur das Pflegeprodukt, das der schnöde Straßen- und Einkaufcenterhandel nicht anbietet.

ICH soll! ICH verschenke Lebenszeit!

Ich bestelle (Probe-)Fotoabzüge bei Saal Digital und falle fast vom Glauben ab: Bei meinen favorisierten Formaten registriere ich eine Preiserhöhung von bis zu 100%. Man hat bei Saal Digital sehr lange die Preise stabil gehalten, das auf niedrigen Ausgangsniveau. Es war eine Frage der Zeit, wann eine Erhöhung erfolgen wird. Ganz nebenbei stelle ich fest, dass man im Auswahldialog der Formate die Software verschlimmbessert hat.

Jeder Bestellung folgt die Aufforderung seine Meinung zu sagen. Ich tue mein Verständnis aber auch mein Unmut über die Preiserhöhung kund, zumal diese Erhöhung dem Kunden nicht vorher kommuniziert wird. Saal Digital tut das, was in der Servicewüste Gang und Gebe ist: Man sitzt den Kundenfrust schweigend aus.

Nach den Probeabzügen muss ich die Abzüge für die Ausstellung bestellen. Trotz der Preiserhöhung tue ich es wieder bei Saal Digital, denn die Preise – Rabattaktionen der Konkurrenz ausgenommen – sind immer noch gut. Wie gewohnt geht alles recht schnell, nur DHL hat keine Lust. Trotz Ankündigung liefert der Gelbe Riese erst am nächsten Tag aus.

Ich öffne die Verpackung und kippe aus den Latschen: Vor der Preiserhöhung wurden die Abzüge noch in Papier eingewickelt. Jetzt wird alles lieblos in den malträtierten Versandkarton (Abzüge 30×45 cm) gequetscht. Außerdem befindet sich eine weitere Versandtasche mit kleineren Abzügen. Hochzeitsfotos, hier in Berlin, irgendwo entlang der Frankfurter Allee.

Gerne sage ich noch einmal Saal Digital meine Meinung, schmiere die Preiserhöhung und den Qualitätsabbau fett auf deren Stulle. Diesmal kommt eine Antwort, sogar innerhalb von 24 Stunden. Wie nicht anders zu erwarten rechtfertigt man, nach elf Jahren Preisstabilität, den gewaltigen Preissprung. Ich werde gebeten einen Reklamationsprozess auszulösen und so eine Neuproduktion zu veranlassen. Ich verstehe nicht: Das Ganze wegen des fehlenden Einschlagpapier und dem Frisbee-Werfen beim Bearbeiten des Versandkartons? Die Fehllieferung soll ich zurückschicken und bekomme für meine Unkosten einen Gutschein!

ICH werde gebeten! ICH verschenke für einen Gutschein Lebenszeit!

Ich glaube an die Macht des Internets: Wer in Berlin (Rathaus Lichtenberg) geheiratet hat, bei Saal Digital 8 Fotos 13×17 cm und 15 Fotos 13×19 cm bestellt hat, kann sich zweck Übergabe bei mir melden. Vorausgesetzt der- oder diejenige kann beweisen, dass es seine Fotos sind. Und: Die Bilder müssen brav bei Saal Digital bezahlt werden! So wie ich brav meine großen Abzüge aus dem drangsalierten Versandkarton ohne Einschlagpapier bezahlt habe.

Nächste Baustelle: Blau.de. Prepaid-Karte für Datentarif. Versand der Karte mit DPD. DPD behauptet diesen Brief zugestellt zu haben, nur der Briefkasten ist leer. DPD kontaktieren: Die Kundenabwehr funktioniert perfekt. In den FAQ’s wird die heile Welt beantwortet, am Telefon kämpft man mit einem Sprachautomaten. Kontakt per Formular, man verspricht ganz schnell zu antworten. Das ist nun drei Tage her! Auf Twitter reagiert DPD_de binnen Minuten. Kann aber nicht helfen, weil ein Brief. Am nächsten Tag verspricht man das Depot über den Verlust des DPD-Briefes zu informieren. Seitdem herrscht auch hier Schweigen!

Parallel Blau.de kontaktieren: Wie sich die Bilder in der Abwehr des zahlenden Kunden gleichen. Heile Welt auch hier in den FAQ’s, einen Zugang zu einer Hotline-Nummer findet man nur abseits der Telefonica-Imperiums. Warteschleife, zwanzig Minuten im Mobilfunk. Man schickt eine neue SIM-Karte. Glücklicherweise diesmal mit der Deutschen Post. Die hat gerade Bock Briefe auszutragen und in den richtigen Briefkasten zu werfen. Blau.de überzeugt nun damit, dass nach erfolgreicher Registrierung und Aktivierung die SIM-Karte noch nicht scharf ist. Also 14 Stunden nach PostID via iPhone und so. Ein Registrieren in ‚Mein Blau‘ geht auch nicht, die SIM-Karte ist nicht aktiv und man kann deshalb nicht das vorläufige Passwort empfangen. Hier nagelt der Stratege aus der Blau.de-Kundenservice-Abteilung demselbigen – Kunde – geschickt ins Knie. Die Krönung der Kundenverarsche: Der Tarifzähler tickt brav herunter ohne dass der Kunde irgendetwas geboten bekommt. Zugegeben: Streß und widerliche Hintergrundmusik in der Hotline.

ICH werde hingehalten. ICH verschenke Lebenszeit!

Wieso darf ein Unternehmen Anlaufstellen zu echten Menschen derart verstecken? Warum werden FAQ’s wider dem realen Kundenerleben geschrieben? Warum darf mich jeder melken und muss nichts in Gegenleistung dafür tun? Wahrscheinlich bin ich noch nicht tief genug in dem Blödmodus der Medienindustrie eingesunken. Wahrscheinlich sind meine grauen Zellen noch zu sehr aktiv, dass das Einlull-TV und Matsche-Internet an mir abperlt. Ihr da draussen baut Bockmist und ich werde für einen Gutschein gebeten eure Arbeit zu machen. Gott sei Dank gibt es da Lichtblicke wie Amazon oder Telekom: Kleine Makel – so wie wir alle – aber am anderen Ende sitzen echte Menschen. Das kostet, doch genau für den menschlichen Aspekt zahle ich gerne.

Autor: makkerrony

Makkerrony, der Macher des Lichtbildprophet, ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben. Ein Mensch behauptete mal, Makkerrony sei ein guter Fotograf, hat allerdings einen denkwürdigen Geschmack. Jemand anderes meinte, Makkerrony könne einen Haufen Hundescheisse fotografieren und es sehe gut aus. Ein Model lehnte die Arbeit mit dem Lichtbildprophet ab, weil seine Bilder so aussehen, als müsse sich das Model anstrengen.