Alles begann mit einem Baum-Foto, abgestorben und am Wegrand stehend. Ich diskutierte mit dem Fotografen über eine andere Perspektive. Ein paar Monate später fuhr ich nach Maichingen und machte meine Fotos von diesem Baum. Digital, was ich bis heute sehr bedaure. Denn trotz mehrerer Absichtserklärungen meinerseits habe ich es nicht hinbekommen, mich noch einmal auf den Weg zu machen. Mittlerweile könnte, weil Jahre her, der tote Baum Geschichte sein.
Für eine Ausstellung ließ ich den Baum in Schwarzweiß auf Leinwand drucken. Roswitha Skowasch, sie hielt die Eröffnungsrede auf der Vernissage, meinte zu mir, dass für sie dieser Baum sinnbildlich für meine Person steht. Ich kann damit bis heute nichts Richtiges anfangen. Irgendwie habe ich den Bezug zum Alter verloren und kann mittlerweile den dritten Geburt-Tag begehen.
Eine zeitlang bin ich mit dem Bus einen Weg gefahren, der an einem alten abgestorbenen Baum vorbeiführte. So oft nahm ich mir vor dorthin zu laufen und ihn zu fotografieren. Irgendetwas hielt mich davon ab. Zur Halbzeit der Chemotherapie, die Praxis befand sich im Sommerurlaub und verschaffte mir so vierzehn Tage mehr ‚Erholungszeit‘, zog ich mit einer lieben Freundin als Begleitung los. Jetzt sollte es soweit sein. Doch die Enttäuschung war groß. Der eine Baum entpuppte sich als großer toter Strauch mit mehreren Stämmen.
Wieso, weshalb und warum, ich habe keine Ahnung, wann mir der Baum des Lebens in den Kopf schoss. Es war wieder ein Baum und mir fiel auf Amazon ein Kettenanhänger auf. Ihn nahm ich als Vorlage und übertrug die Idee als Schablone auf eine Schiefertafel. So ganz gefiel mir das Kopieren der Idee nicht, vor allem weil es mit an der Interpretation meines Ergebnisses fehlt. Mit mir allein im Atelier, kommen eine Reihe von Gedanken in mir auf:
Der Baum des Lebens muss so hoch sein, dass seine letzten Arme in den Himmel greifen. Der Baum des Lebens muss so tief sein, dass seine letzten Arme in die Glut der Erde greifen. Anders lässt sich ein Gott für alle Menschen nicht erklären. Es ist ein Unterschied, ob ich mit einer Sache zufrieden bin oder zufrieden sein muss. Letztgenanntes hat mittlerweile kaum noch eine Chance in meinem Leben. Ich bin kein gläubiger Mensch und doch denke ich darüber nach, ob es einen Gott gibt. Die Atheisten können mir auch nicht beantworten, was vor ihrem Urknall gewesen ist. Eine Entscheidung muss in der Gegenwart für die Zukunft, nicht für die Vergangenheit getroffen werden. Es gibt die grossen Dinge, die mit gebührendem Abstand alles klar und deutlich erscheinen lassen. Gehe ich einen Schritt zu weit, dann sehe ich die zahllosen Details, die das grosse Eine viel zu komplex erscheinen lassen. Das bedeutet für viele Angst, weshalb sie sich lieber wieder in die grosse Gleichgültigkeit stürzen. Die eigene Zufriedenheit bedeutet für mich bereit zu sein, trotz aller erlebten Tiefen und Krisen das Leben noch einmal genau so zu leben. Jeden neuen Tag sehe ich als meinen Kampf für die eigene Zufriedenheit.
Und während ich am Malen meines Baum des Lebens bin, halte ich on Worten fest, was mich leitet. Er ist so anders und ich sollte immer erst nach dem Finale über das reden, was mich dazu bewogen hat.
Der Baum in analog wäre ein echt klasse Bild geworden.
Vllt. siehst du irgendwann einen ähnlichen Baum, der auch etwas ganz besonderes an sich hat.