Das Muss der Rechtfertigung

Sie bringt mir zwei Gläser Käsecreme mit.

Denn irgendwann haben wir darüber geredet, dass die Käseflips von Kaufland gar nicht richtig nach Käseflips schmecken. Also tunke ich sie in diese chio Käsecreme und schon schmeckt der Käseflip nach Käse.
Plus scharf.
Lecker.
Bei ihrer Einkaufstour entdeckt sie, dass die Käsecreme im Angebot ist.
Theoretisch bekomme ich zwei Gläser zum Preis von einem Glas.
Nun ist das mit dem Essen so eine Sache bei mir.
Was mir fehlt beziehungsweise verlorengegangen ist, ist das Appetitgefühl. Folglich stehe ich unentschlossen wie ein Nörgler da und kann mich nicht entscheiden, was ich gerne möchte. Entsprechend zurückhaltend bin ich auch beim Einkauf der verspeisbaren Waren.
Denn das was da ist, muss ja auch gegessen werden.
Immerwieder fällt mir da ein Spruch aus meiner Kindheit ein: Die hungrigen Kinder in Chile und Vietnam würden sich freuen, wenn sie jetzt etwas zu essen hätten.
Um ihr einen Gefallen zu tun, nehme ich zwei Gläser.
Sie sorgt sich um mich und irgendwie werden die beiden Gläser schon alle. Denn mein neuster Gourmet-Coup sieht so aus: Im Ofen zubereitete Steakhouse Pommes mit Käsecreme genüsslich verspeisen.

Da sind sie nun.
Zwei Gläser Käsecreme.
Ich nehme sie vom Atelier mit in mein Luxusappartement.
Zufällig lese ich auf dem Einkaufszettel Käsecreme und streiche den Eintrag durch.
„Wir brauchen keine Käsecreme. Ich habe zweimal mitgebracht.“
„Von wem hast du die?“
Ich bereue es etwas gesagt zu haben.
Einfach die beiden Gläser ins Lebensmittelfach gestellt, sie kauft auch Käsecreme weil gerade im Angebot und dann die Schelte abholen, dass ja noch zweimal Käsecreme da ist.
Wie kommen die Gläser zu mir? Ich kann nicht sagen, dass sie sie mitgebracht hat, obwohl wir so verblieben sind, dass ich nicht sage wann ich sie sehe.
Soll ich sagen: „Ich bin in den Supermarkt gegangen und habe Käsecreme gekauft.“
Das ist so unglaubwürdig, gerade weil ich mich beharrlich weigere zu wissen, wo der EDEKA um die Ecke ist.
Ich habe einer alten Oma zwei Gläser Käsecreme aus ihrer Handtasche geklaut, bin dann schnell und ausdauernd weggerannt?

Kann Frechheit neben bodenlos auch deckenlos sein?

Was waren das für Zeiten, als das Patriachat als die bewährte wie auch bevorzugte Gesellschaftsordnung unter den Menschen galt. Während Frau die Höhle in Schuß hielt, die Fressfeinde züchtigte und gemeinsam mit ihnen Beeren pflügte, ging der Mann auf Bärenjagd. Kam er nach Hause, waren alle froh, dass es Fleisch zwischen die Zähne gab und niemand wagte zu fragen, woher der Herr der Höhle das Felltier hat. Keine Veganer, keine Versuche des Weibs, selbst jagen zu wollen, keine wandelbaren Geschlechter, Mann war Mann und unangefochten Chef der Sippe. Heute muss ich mich wegen zweier Gläser Käsecreme erklären, weil ihr im Sog der Ereignisse eingefallen ist, dass ich all die Jahre auch noch da war.

Ich hab das Zeug zum Sprottenharpunier.

Warum muss ich mich für jeden Furz bis ins kleinste Detail rechtfertigen?
Reicht es nicht, dass zweimal Käsecreme da ist und gut ist?
Ich mag Eifersucht nicht.

Letztendlich bemühe ich eine Notlüge.
Ich habe gerade keine Lust mich mit irgendjemand zu streiten.
Das bringt nichts.
Ich schweige dann lieber und ziehe mich in meine Blase zurück.

Autor: makkerrony

Makkerrony, der Macher des Lichtbildprophet, ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben. Ein Mensch behauptete mal, Makkerrony sei ein guter Fotograf, hat allerdings einen denkwürdigen Geschmack. Jemand anderes meinte, Makkerrony könne einen Haufen Hundescheisse fotografieren und es sehe gut aus. Ein Model lehnte die Arbeit mit dem Lichtbildprophet ab, weil seine Bilder so aussehen, als müsse sich das Model anstrengen.

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