Elendes Miststück!

Manchmal können selbst Kraftausdrücke nicht das beschreiben, was mir bei ihr durch den Kopf geht. Sie macht einen auf berühmt, ist bei genauem Hinschauen aber das wohl billigste Gestell mit zweifelhaften Bekanntheitsgrad. Während die Polymer-Büchse nach außen hin Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt, trägt sie schnippisch im Gewand einer Jungfrau den Dolch hinter ihrem Rücken. Borderline-Syndrom auf Valium ist die noch höfliche Umschreibung ihres paradoxen Ichs. Sie ist eben nur ein billiges Plastik-Flittchen! Blond, natürlich blond und genau so blöd, wie es der Volksmund behauptet!

Ich rede von der Holga 120. Mir nicht ganz untypisch, hat auch sie einen Kosenamen wegbekommen: Gina. Klingt niedlich und friedlich, doch sie hat es Faustdick hinter den Ohren. Dazu muss man sie nur mal in die eigenen Hände nehmen. Die Holga versteht sich! Sind da irgendwelche freudschen Parallelen zu lebenden Frauen? Könnte durchaus sein! Nur nicht zur Jungfrau Maria ‚Gina-Lisa Lohfink‘, eher zu einer Gina Geraldine.

Als Grobmotoriker habe ich ein massives Problem mit ihrer Leichtigkeit, weshalb ich gern ein Gewichtstuning a la Canomatic vornehmen möchte. Blei, in Klumpen gegossen und irgendwo im Gehäuse platziert. Im nächsten Schritt bedarf es einer Optimierung an den beiden seitlichen Schiebemechanismen, welche die Rückwand am restlichen Kameragehäuse halten.

Mit einem efke 100 geladen, löste sich beim Herausholen der Knipskiste aus meiner Kameratasche besagte Rückwand und legte bei herrlichen Sonnenschein den Film frei. Ca. die Hälfte des Streifens war damit belichtet. Die ach so tugendhafte Gina legt sich schnell mal frei … zu frei. Schöne Scheiße sag ich da nur!

Dieser Trabant unter den Billig-Kameras lag bei mir drei Jahre ungenutzt herum. Ich muss mich korrigieren, denn die Aussage ist nicht ganz richtig. Nachdem ich das Teil käuflich erworben habe, schmiss ich sofort einen Film rein und wollte loslegen. Beim Auslösen bemerkte ich, dass der Verschluss eigenartige und vor allem unterschiedliche Geräusche machte. Also den Film wieder raus. Ganz im Dunklen versteht sich.

Dieser knipsende Plastikbomber beinhaltet doch wirklich Metall, welches munter an sich selbst herumschleift. Dementsprechend hängt mal der Verschluss, oder auch nicht. Es hat fast 3 Jahre gedauert, bis ich mich dem Problem annahm. Zur Probe hundert Mal ausgelöst und der Verschluss sprang immer wieder in die Ausgangsposition zurück. Neuer Versuch mit neuem Film. Den teilbelichteten Film hatte ich zwischenzeitlich für einen anderen Test geopfert.

Ein grande malheur de kack jagt das nächste: Es folgt der bereits erwähnte kurzzeitige Verlust der Rückwand und die spätere Feststellung nach dem Entwickeln, dass die Filmmaske nicht zur gewählten Film-Positionsanzeige passt. Ich bin eben eine echte Triefnase. Die eine Hälfte des Films ist fehlbelichtet, in der anderen Hälfte überschneiden sich die Bilder. Für unter 40 Euro darf ich eben kein Knips-Wunder erwarten.

Ich bin eine Triefnase? Blödmann passt wohl besser! Mein Missgeschick muss ich einfach nur anders verkaufen. Als Kunst und mit viel Weitblick herbeigeführt! In voller Absicht passen der Filmmasken-Einsatz und das Guckloch in der Rückwand nicht zusammen. Wie ein Lichtdompteur lasse ich pures Tageslicht ins Kamerainnere. Alles im Auftrag der Kunst!

Ich bin einfallsreich und so geil … wenn es um Ausreden geht! Man darf eben nicht die Qualitäten dieser Plastik-Gina vergessen. Sie weist nahezu alle optischen Fehler auf, die man als Kamera nur haben kann. Mitte scharf, zum Rand zunehmende Unschärfe und Abschattung. Das ist in den “geglückten” Aufnahmen mehr als deutlich zu sehen. Der flexible Knipser muss die Gegebenheiten nur geschickt für sich ausnutzen!

Zwiegespräch mit mir selbst: “Das ist doch das, was du schon immer haben wolltest! Also hör auf zu jammern und mach das Beste draus!”

Auf geht’s!

Autor: makkerrony

Der Macher des Lichtbildprophet ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben.