Es kann eigentlich losgehen …

Drei Wochen lagen die handgefertigten Abzüge zur Serie ‚the erotic side of the photographic depressionism‚ in meiner englischen Buchpresse aus handverlesenem Birkenholz. Zwischendurch habe ich wieder und wieder geschaut, ob sich die Flügelmuttern mit großen Flügeln noch ein Stück weiterdrehen lassen. Aber nein, irgendwann ist mal Schluss damit, kommt nach fest nur noch los. Während der Ungeduld im Warten mache ich neue Abzüge, es kam sogar zu einem Shooting. Welch reizendes und offenes Wesen.

Letztes Wochenende konnte ich mich nicht zu noch mehr neuen Abzügen auf 18 x 24 cm-ORWO Fotopapier hinreißen lassen. Stattdessen etwas Emulsionslift, ein wenig aufräumen und eben Lithprints scannen. Hatte ich zwischendurch ein paar Zweifel am Thema, zeigt die pressungsbedingte Auszeit ihre Wirkung. Ich kann ein zufriedener Mann sein, der viele schöne und vor allem besondere Frauen vor seiner Kamera stehen hatte. Diese Art des Lobgesangs an die holde Weiblichkeit möchte ich gar nicht so singen, geht es doch bei der Fotografie ’nur‘ um Äußerlichkeit. Die inneren Werte sind es, die einen Menschen wertvoll und für mich besonders machen. Doch auch da kann ich zufrieden sein. Außer dem Model fällt wegen einem neuen Stecher ein, dass die Bilder von damals sie ja nicht wirklich stören aber nun heute beziehungsgefährdend sind. Was soll dieser Scheiß denn bitte?

Für die ersten Abzüge auf steinaltem ORWO-Fotopapier kamen unterschiedliche Packungen aus unterschiedlichen Quellen zum Einsatz. Es ist erstaunlich, wie reaktionsfreudig und dementsprechend unterschiedlich in der Ausarbeitung die Papiere sind. Des Weiteren macht der Lithentwickler nicht den Eindruck, als möchte er in die Knie gehen. Was ist da los? Die Farbigkeit liegt im dunklen Sepiabraun, kann von grün bis magenta changieren. Leider habe ich nicht genug altes fotochemisches ORWO-Dokumentenpapier. Es geht beim Lithen beinahe widerstandslos ins schweflige Braun über. Nur sind diese speziellen Papiere verdammt dünn, dünner als ’normales‘ ORWO-Fotopapier der damaligen Zeit, was ein nachträgliches Kartonieren zwingend erforderlich macht.

Apropos Dokumentenpapier: Da bietet jemand in der Bucht 200 Blatt zum guten Preis. Die Sache entpuppt sich als fette Mogelpackung. Seitlich ist ein Guckloch in die Verpackung gerissen, abgebildet war eine verschlossene Hülle. Des Weiteren war ein Siegel gebrochen und über 100 Gramm Papier entnommen. Herr Verkäufer gibt sich total überrascht, erzählt was vom Pferd und einem unzustellbaren Rückläufer. Das er wie ein Gentlemen die Kosten für die Retour trägt, dazu schweig der Pfeifenheini sich aus. Ich liebe diese Art von Lebenszeitverschwender. Nun ist ebay an der Klärung der Sache dran.

Zurück zum Trocknungsproblemm. Ich habe reproduzierbar ‚bemerkt‘, dass die kleinen Falten besonders am Rand des ORWO-Fotopapiers dann beim Trocknen entstehen, wenn ich sie zu lange in der heißen Trockenpresse lasse. Nehme ich das alte – papierstarke – Fotopapier raus noch bevor der Stoffbezug selbst trocken ist, dann wellt das Fotopapier ’nur‘ in der Gesamtheit etwas. Diese Welligkeit sollte sich besser in meiner Birkenholzpresse herausbügeln lassen.

Ende Februar kann also die Bilderschau unter dem Motto ‚the erotic side of the photographic depressionism‘ beginnen. Die Inspiration zu dem Titel kam mir beim Hören … nein, nicht Pink Floyd … von Klaus Schulze und seiner ‚Dark Side of the Moog‘-Reihe. Während der Arbeit am DIY Vergrößerer, versteht sich. Beim Lithen bin ich betont ruhig ans Werk gegangen. Das belichtete Papier wird nur am Anfang bewegt, bis es sich vollgesaugt hat und zu Boden gesunken ist. Danach bekommt die Schale nur selten einen Schubs. Kurz vor der Maximalschwärze wandert der Abzug ins Wasserbecken und kann da weiterentwickeln. Das Ergebnis soll ein düster-surrealer Mix aus Piktorialismus und Tichy’s Wunderwelt werden, ohne dass die Arbeiten eine blanke Kopie darstellen soll.

Autor: makkerrony

Makkerrony, der Macher des Lichtbildprophet, ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben. Ein Mensch behauptete mal, Makkerrony sei ein guter Fotograf, hat allerdings einen denkwürdigen Geschmack. Jemand anderes meinte, Makkerrony könne einen Haufen Hundescheisse fotografieren und es sehe gut aus. Ein Model lehnte die Arbeit mit dem Lichtbildprophet ab, weil seine Bilder so aussehen, als müsse sich das Model anstrengen.