Freiflug für Endgegner

Abstrakt
Wenn euch eure Arbeit, euer Leben oder was auch immer zuviel ist, dann bucht einen Freiflug vom Fernsehturm, doch geht mir nicht mit eurem Destruktivismus auf den Sack!

Ich Depp, Ihr die Wissenden
Wenn ich mich als Anwender eines Dinges an den Hersteller oder Betreiber der Sache wende und mich als Bittsteller nicht unterwürfigst in den Dreck werfe, dann muss ich damit rechnen, zunächst einmal gewaltig gemaßregelt zu werden. Oder ich werde ohne eine psychologische Hauptuntersuchung für senilkonfus erklärt. Da kommt das Angebot zu einem Seminar über Bewältigungsstrategien für herausfordernde Situationen gerade Recht: „Mach dich glücklich!“. Ich möchte nicht glücklich sein. Glücklich zu sein ist die falsche Lebenseinstellung und der erste Schritte hin zur Drogensucht. Ach nein, es muss ja heißen „Stimulierender Genuss eines sozialen Gleitmittels“.

Gefühlt habe ich den Eindruck, dass meine Einwürfe bezüglich einer Fehlfunktion, eines Schadens oder Defektes grundsätzlich falsch und damit umgehend abzulehnen sind. Dabei versuche ich nur mit meinem begrenzten Intellekt das zu beschreiben, was ich vorfinde. Hier und da erlaube ich mir mit meinem eingeschränkten Wortschatz auch noch eine gewisse Erwartungshaltung zu definieren. Ein Beispiel: „Mein“ Arbeitsplatzrechner ist ein kleines Rad im Firmennetzwerk und wenn ich an diesem Rad arbeite, kann ich via Passwort auf alle Mitarbeiterressourcen zugreifen. Ich möchte auf eine Ressource zugreifen, auf die ich eigentlich zugreifen darf, werde aber aufgefordert eine VPN-Verbindung herzustellen. Im Firmennetz VPN? Und wie soll ich dieses VPN-Dingens installieren, wenn ich an „meinem“ Arbeitsplatzrechner nichts installieren darf?

Ich frage nach und bekomme zur Antwort, dass das so richtig ist: VPN. Irgendwie leuchtet mir der Unsinn nicht ein, denn vor der großen Netzwerkreform in der Firma konnte ich ohne VPN, aber im Firmennetzwerk agierend, den gewünschten Dienst nutzen. Andere Dienste, die zum Beispiel vom Home Office aus VPN erfordern, sind aus dem Firmennetz problemlos nutzbar. Also hebe ich diesen Umstand in meiner Antwort auf die Serviceantwort hervor. Es folgt Schweigen. Wochen später versuche ich es noch einmal. Aus dem Firmennetzwerk. Diesmal ist der Dienst problemlos und ohne das angemahnte VPN-Dingens nutzbar. Vielen Dank fürs Bescheid sagen, dass da was dann doch repariert werden musste und dass ich den Hinweis gab, dass da was klemmt.

Was löst diese sofortige Kundenabwehrhaltung inklusive Schweigephase bei der Schilderung eines Vorgangs aus, der für mein Begriff ein Problem darstellt aus? Ist es der Begriff Problem selbst? Wie soll ich sonst sagen: Ein negatives Nutzererlebnis? Kürzlich fand ich ein neues Problem: Via Computerfernsteuerung liegen die Daten auf einem zweiten Volumen völlig offen rum. Der Netzwerkhäuptling lehnt diese Behauptung ab und weist mich darauf hin, dass ich selbst auf meine Daten aufpassen muss. Ich erwidere ihm, dass ich das gerne täte, nur nicht die entsprechenden Rechte an meinem Arbeitsplatzrechner habe. Auch diese Behauptung sieht der Häuptling als falsch an und empfiehlt mir, zwei bis drei Leute persönlich anzustellen, die die Probleme exklusiv für mich beheben. Ich verstehe weder die Unsachlichkeit noch diesen Lösungsansatz nicht. Support, das Heilige unschlachtbare goldene Kalb. Gott erschafft, von Gewährleistung will er aber nichts hören.

Bei meinem genossenschaftlichen Betreiber des Betonpalastes bin ich es gewohnt, ein Mietkundenddepp zu sein. Wenn ich irgendetwas am Zustand meiner Höhle anzumerken habe, dann kenne ich es, grundsätzlich ins offene Dienstleistungsmesser zu rennen. Ohne ein Foto des bemängelten Objekts geht hier gar nichts. Selbst ein kalter Heizkörper muss fotografiert werden. Nicht ich darf fotografieren. Nein, der Hausmanager benötigt dafür einen Termin und meine Freizeit, um ihn das Palasttor zu öffnen. Ich soll das gottgleiche Wesen ausreden lassen, darf aber selbst nicht ausreden. Eine Beweisführung nach den Gesetzen der Physik: Bullshit. Da ist etwas, aber nicht das, was ich sage. Welche Flüssigkeit kann vom Dach ins Hausinnere dringen? Bitte jetzt nicht Wasser a la Regen sagen. Das ist falsch!!! Es ist was ganz anderes, etwas völlig plötzlich und für alle Beteiligte unerwartet. Die Kirsche auf der Sahnetorte ist das „Angebot“, dass ich mir eine andere Wohnung suche und man dann meine jetzige Wohnung richtig ordentlich auf Vordermann bringt. Diese Bemerkung habe ich schlichtweg überhört. Ich bleibe hier. Jetzt erst Recht.

Ein anderes Problem in der deutschen Serviceswüste: Warum muss ich eigentlich ein Telefon haben und wer kann mich zwingen, die Telefonnummer rauszugeben? Ich bevorzuge die klassische Kommunikation via geschriebenes Wort auf Papier oder, wenn es schon so ein neumodischer Kram sein muss, die elektronische Nachricht. Ich glaube der Homo digitalis nennt es E-Mail. Ich habe festgestellt, dass Anrufe immer zur falschen Zeit kommen und selbst wenn ein fernmündliches Gespräch zustandekommt, es die Abläufe nicht wirklich beschleunigt.

Es wird ja viel darüber spekuliert, welche Auswirkungen dieses ganze Coronadingens auf Mensch hat. Egal ob geimpft oder infiziert. Das elektronische Nachrichten missverständlich geschrieben oder gelesen werden, das war schon vor der Pandemie so. Dass die Servicemensch angepißt ist, wenn Kundemensch um Hilfe und Unterstützung ersucht, wenn Kundemensch abfordert, wofür Servicemensch bezahlt werden, dann läuft da irgendetwas gewaltig unrund im Getriebe. Es gehört wohl zu den Nachcoronageflogenheiten dazu, als Kunde jetzt erst Recht ein Stück Scheiße zu sein, weil ich mir erlaube den gepflegten Trott Anderer durcheinander zu bringen.

Hat sich Mensch in den fast drei Jahren Pandemie geistig zurückentwickelt? Sieht er in allem einen Fressfeind oder eine akute Bedrohungslage? Es kann nicht sein, was nicht in sein Weltbild passt. Leidet Mensch Dank 3 Jahre Corona an akutem Fantasiemangel und latentem Wissenüberschuss? Was ihr tut, trägt in mir zur maximalen Verwirrung bei. Bin ich ein Vollkloppibehindi, der nur wirres Zeug labert und eure wertvolle Langeweile stören will? Mensch, hast du dein Gehirn ausgeschissen? Mich beruhigt nur eins: Wenn anderes (nicht Kundenservice-)Mensch dasselbe Problem hat. Mich beunruhigt nur eins: Wenn anderes Mensch sich wegen der ruppigen Umgangsmethoden nicht traut, auf das Problem hinzuweisen.

Zur Erklärung: Der Mensch, die Menschen = Mensch; ein Wort für alles, egal ob biologisch oder gefühlt.

Autor: makkerrony

Der Blog 'Lichtbildprophet' ist dem fotografischen und gemalten Bild verpflichtet, erhebt keinen Anspruch auf Perfektion und ordnet sich selbst dem Dilettantischen Depressionismus zu.