Die ersten Versuche mit der ebenfalls gerbenden Pyrogallol-Ersatzflüssigkeit Brenzcatechin sind gelaufen. Ich habe mich in Belichtungen am Vergrößerer und im Kontakt probiert. Auf Foma-Warmton läuft alles auf ein grünstichiges Sepia hinaus, wobei es mir neben der Farbigkeit auch das unsatte Schwarz angetan hat. Neutralton-Papiere zeigen sich in meinen Augen etwas widerspenstiger und weniger bunt. Entwicklungszeiten (auf Sicht) um die 15 Minuten lassen Zeit zum Nachdenken und Sinnieren. Kann das echte Pyrogallol des Bergger PMK Moersch’s Tanol toppen? Lohnt sich die Investition in den Entwickler? Und was sind die Argumente, die gegen Pyrogallol sprechen?
Ich zitierte den Großmeister des farbigen Schwarzweißbildes:
‚Die bei weitem intensivste Farbe erzeugt Pyrogallol. Zumindest für die Positivtechnik sollte man von dieser Substanz die Finger lassen. Pyro ist giftig, verdünnte Arbeitslösungen oxidieren rasch, dass jeder Print anders aussieht, außerdem ist es bei den benötigten Mengen ziemlich teuer.’*
* Aus: Farbe für Schwarzweiß – Kreative Tonungstechniken, Wolfgang Moersch, www.moersch-photochemie.de
Nach der Freude über die Farbigkeit jagt die ‚Giftigkeit‘ einen gehörigen Schrecken ein. Ich möchte weder die Fachmeinung in den Wind schlagen, noch in das Horn des Verniedlichens stoßen. Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Was die Giftigkeit des Pyrogallol angeht, so ist für mich sie unstrittig. Das gilt aber auch für Hydrochinon, dem man in den entsprechenden Sicherheitsdatenblätter auch Karzinogenität bescheinigt. Mein Hodgkin-Lymphom lässt grüßen! Auch eine angerührte Caffenol-Lösung würde ich trotz anderslautenden Internetquellen nicht trinken wollen. Und selbst wenn hydrochinonfrei und Zitronensäure auf dem Label prangt, hat die Arbeitslösung nichts auf der Haut oder im Körper zu suchen. Man spricht nicht umsonst von Fotochemie und bei Chemie sollte immer ein Alarmglöckchen schellen.
Einweghandschuhe gehören zum guten Ton der Dunkelkammerarbeit. Eine schmucke Schürze (bei mir eine Hummer-Grillmeister-Kochschürze) um die Lenden geworfen sieht zwar wahnsinnig lustig aus, in der Regel ist es dunkel und kaum jemand sieht diese Verkleidung. Eine ordentliche Belüftung oder kräftiges Lüften in Hellphasen ist immer gut. Damit sollten eigentlich Gedanken an einen zusätzlichen Atemschutz hinfällig sein. In der Regel sind die Chemiekalien verbrauchsfertig angerührt, müssen lediglich vermischt und können sofort angewendet werden. Ungeachtet der Einmalhandschuhe ist abschließendes Hände und Gesicht waschen angesagt. Und: Idealerweise sollten Lebensmittel- und Hygienebereich vom Spielplatz mit Fotochemikalien getrennt sein. Genug der ‚Verhaltensregeln‘.
Was Meister Moersch nach dem ‚giftig‘ im obigen Zitat schreibt, sind in meinen Augen genau die Argumente, die für Pyrogallol sprechen. Zugegeben, die gegerbte Gelatineschicht auf dem Papierabzug muss etwas mit Bienenwachs nachgepflegt werden. Doch gerade dieser historisch belegte Unkontrast und das Unsatte macht den Einsatz verdammt attraktiv. Was die mangelnde Standfestigkeit betrifft, ist sie einer übertriebenen Erwartungshaltung geschuldet. Wenn letztendlich die Farbigkeit stimmt und ein sensationell anderes – antikes – Ergebnis zu erwarten ist, dann hat das seinen Preis.
Bergger PMK kaufen oder nicht. Da gibt es noch FRANALOG Edeldruck: Stainol macht mir den Eindruck des Moersch Tanol, basiert Stainol auch auf Brenzcatechin. FRANALOG Pyrogallol-Kit erinnert mich an Bergger’s PMK, nur das bei Bergger kein ’spezieller‘ Fixierer beigepackt ist. Ich arbeite überwiegend mit alkalischen Fixierer, brauche also den ‚Speziellen‘ nicht unbedingt. Ansonsten bezieht sich ‚Pyrol (P1)‘ auch auf Gordon Hutchings Formulierung des PMK, was sich nur im Lumiere Shop nachlesen lässt. Dagegen bietet FRANALOG den ‚Pyrol (P2)‘ an, dessen wahres Geheimnis (wie auch bei Pyrol (P1)) erst nach dem Kauf im ausführlichen Beipackzettel erklärt wird.
Ich bin verwirrt, zumal in dem Zusammenhang auch noch Antonino Zambito auftaucht. Er hat das Werk ‚think analog‘ im Franzis Verlag herausgebracht. Mit Grauen denke ich an den Bausatz ‚Spiegelreflexkamera selberbauen‘, ebenfalls aus dem Franzis Verlag und mit einer Textbeilage (ich nenne es aus Gründen nicht Buch) von Antonino Zambito versehen. Dafür wurde auch noch Geld verlangt und das nicht wenig. Antonino Zambito, literarisch überwiegend digital unterwegs, unternimmt gelegentlich Ausflüge ins Analoge. Fein, dagegen ist nichts einzuwenden. Ein Besuch seiner Webseite und die Kombination mit dem Franzis Verlag erzeugt in mir ein ungutes Bauchgefühl. Hier möchten ein paar Ganzganzschlaue – im Stil des Kamera-Selbstbau – auf der analogen Welle mit schwimmen und es ist ihnen eigentlich egal, welches Halbwissen unter die Masse gestreut wird. Hauptsache analog und damit ziemlich kühl.
Nach Bekunden von Bergger wird der PMK in Deutschland hergestellt. Ist es Ruppichteroth oder Hürth? Oder eine andere Stätte abseits meines Wissensradars? Angesichts der Ergebnisse mit dem Brenzcatechin im Tanol muss ich den nächsten Schritt gehen. Einer meiner beiden Fotochemie-Dealer des Vertrauens bietet Bergger PMK, jedoch kein Pyro-Produkt von FRANALOG an. Dazu kommen die ’speziellen‘ Zugaben, die erst in der ausführlichen Beschreibung nach Kauf erklärt werden. Ich fühle mich an den Spürsinn-Nepp um teure ‚Straight Black‘ Entwickler-Bleichen im Cyanotypie-Tonerset erinnert. Irgendwann folgt die Rache, in wessen Namen auch immer und siehe da, Spürsinn ist insolvente Vergangenheit.
Fortsetzung folgt.