Schritt ins Licht

Mein erster bewusster Gedanke sind ihre grossen runden Augen, die mich hilflos anschauen. Frequenzanalyse nach Fourier. Mittlerweile ein Standardwerkzeug der Messtechnik und deshalb wichtig das zu lesen, was der Bildschirm sagt beziehungsweise nicht sagt. Es folgen andere Begegnungen und sie wird mir erst später mit ihrer Erinnerung helfen, dass es diese Ereignisse gab. Meine Gedanken an sie machen hier und da einen großen Sprung. Nur ein Gedanke, der an ihre sinnlichen Lippen, und ich wollte immer wissen wie es sich anfühlt, sie zu küssen. Es gibt einen gedanklichen Zwischenhalt und in dem steht sie mit ihrem Typen am Fenster und quatscht. Ich habe immer versucht Verlockungen vorzubeugen und eine Barriere aufgebaut. Eine Frau, die meine Tochter sein kann, das ist nichts für mich. Viel zu jung, zu unerfahren und für den Hirsch in der Kiste halte ich mich auch nicht. Irgendwann meinte sie, sie sehe in mir so etwas wie ein Vater. Die Rolle steht mir eher und ich nehme sie an. Ich war an ihr als Modell interessiert und irgendwann waren wir zum Vorgespräch im Restaurant gelandet, später stand sie vor meiner Kamera. Damals war das Atelier Flackerlight noch in einem Bürogebäude am Heizkraftwerk Marzahn zu Hause.

Der Blinde sieht auch in Dunkelheit nichts.

Das Leben stellt sich nicht hin und erzählt bereitwillig, was es mit dir vor hat. Du musst schon einiges bewegen, um es selbst herauszufinden. Wenn Lebenslinien sich entwickeln, dann können sie auch auseinander gehen. Bei den jungen Frauen, die mir als Modell über den Weg laufen, ist es oft der gottgleiche wie auch übermächtige Partner, sich einstellender Nachwuchs und der unbändige Wille, endlich etwas eigenes zu besitzen und ein Haus zu bauen, selbst wenn das Eigenheim noch jahrzehntelang der Bank gehört. Zwar haben wir noch Kontakt, sind gelegentlich auch mal auf Tour, doch der Kontakt wird nicht mehr so intensiv wie vorher. Ein anderer bestimmt ihr Leben. Nur einmal gibt es für ein paar Stunden wieder etwas mehr Nähe statt Distanz. Ich musste sie förmlich zum Treffen zwingen. Ein sonniger Tag, Alt-Marzahn und wir reden über die Ereignisse der letzten Wochen. Wir reden auch darüber, wie es mit mir weitergeht. Sie war eigentlich die einzige, die sich dafür interessiert hat und das, obwohl sie dieses Treffen nicht wirklich wollte. Nach der Zeit folgen recht schnell wieder Monate und Jahre der relativen Stille. Über Absichten geht es nicht hinaus. Kein Wunder, es wird geheiratet und es soll gebaut werden. Das Standardprozedere halt und wer nach der Vernunft lebt, der lässt seinen Geist verkümmern.

Du musst aufhören dich um mich zu sorgen.

Im Eindruck der aufkommenden Corona-Pandemie sehen wir uns wieder. Das Jahr ist den zweiten Tag alt. Die Anzahl der Besuche steigt. Für mich hat sich irgendetwas an ihr verändert. Was auch immer sie verändert hat, es hat sie reifer gemacht. Sie ist freundlich und liebenswert wie immer, wir haben sofort wieder den Draht zueinander. Doch ich höre keine bedingungslosen Lobgesänge mehr. Ihr Gesicht, ihre Mimik zeigt eine erwachsene, phasenweise nachdenkliche Frau. Vielleicht ist es Enttäuschung in ihr und sie weiss es nur noch nicht. Und sie lässt Nähe zu. Vorbei der Vatergedanke. Der Altersunterschied ist zwischen uns nie ein Thema und wird erst später von außen hereingetragen. Im Auf und Ab der Gefühle braucht es Wochen und Monate, wo andere nur Minuten oder Stunden benötigen. Ein erstes „Ich liebe dich“, körperliche Nähe, der erste Kuss. Der Wunsch nach mehr wächst. Es ist keine Liaison, was sich hier entwickelt geht weit darüber hinaus und wird für einige Probleme sorgen. Es geht um den Schritt ins Licht, raus aus unserem Versteck. Gedanken müssen neu und vor allem öffentlich gedacht werden. Pläne werfen sich über den Haufen und andere Ziele sind zu definieren. Es ist etwas, nur alles anders als gedacht. Erst in solchen Situationen zeigt sich, was wirklich Liebe und Respekt bedeutet. Und es werden neue Dinge entdeckt, die bisher unentdeckt blieben.

Ketzer dürfen nicht in Frieden ruhen.

Wir haben oft darüber geredet, was wäre wenn es damals, also ganz am Anfang, zwischen uns anders gelaufen wäre.
Ich meine, wir hätten nie eine Chance gehabt. Die Bedingungen hätten eine Beziehung gar nicht zu gelassen. Außerdem brauchte es in meinem Leben diesen Punkt, diesen unerwarteten Tritt gegen das Schienbein, dass ich für ein paar Monate um mich selbst kämpfen musste. Erst ab diesem entscheidenen Moment bin ich in der Lage so ein zauberhaftes Wesen wie sie auch wirklich wertzuschätzen und ihre Liebe als ein großes Geschenk zu betrachten. Nein, wir brauchten diese Zeit selbst wenn es bedeutet, heute um uns kämpfen zu müssen.

Lichtbildperle, ich liebe dich!

Autor: makkerrony

Makkerrony, der Macher des Lichtbildprophet, ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben. Ein Mensch behauptete mal, Makkerrony sei ein guter Fotograf, hat allerdings einen denkwürdigen Geschmack. Jemand anderes meinte, Makkerrony könne einen Haufen Hundescheisse fotografieren und es sehe gut aus. Ein Model lehnte die Arbeit mit dem Lichtbildprophet ab, weil seine Bilder so aussehen, als müsse sich das Model anstrengen.

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