Tausend Worte

„Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“

Ich boykottiere diesen schwulstigen Spruch. Er wird von denen gebraucht, die viel erzählen, aber nichts zu sagen haben. Man stelle sich bitte vor: Jeder Instagram-Post dürfte mit tausend Worten auf mich einprasseln. Ungestraft und ich wäre zum Zuhören verdammt. Mir fällt die Vorstellung schwer und ich wüsste, dass mir irgendwann verbal der Kragen platzt.

Ein Bild schweigt. Gott sei Dank. Ein Bild muss schweigen. Es ist meine Fantasie, die in meinem Kopf aus einem Bild Worte und mehr macht. Deshalb glaube ich, dass es keine „bösen“ Bilder gibt. Erst der Mensch macht mit seinen Gedanken, seiner Fantasie etwas Böses daraus.

Ein schwarzes Bild. Nein, es geht nicht um Black Lives Matter.
Ich krieche förmlich ins Bild, erahne so etwas wie digitales Korn. Zu mehr reicht meine Fantasie gerade nicht. Fotografische Höhlenmalerei, leider digital. Wer erfindet das Smartphone mit Analogkamera? Ich frage bei ihr nach und es ist ein Selfie im Dunklen. Erst dachte ich an ein Video und regle deshalb den Ton hoch. Auf das Selfie hätte ich natürlich selbst kommen können. Was schicken wir uns auch sonst zu.

Kein Licht, ich wäre nicht auf die Idee gekommen zu fotografieren. Fotografieren ist Malen mit Licht. Ohne Licht, keine Fotografie. Verzicht üben. Zugegeben, der hochgerüstete Digitalfotograf knipst auch bei fast keinem Licht und nennt das Rauschen grosskotzig Korn. Meine Stadt Berlin ist wegen der gewaltigen Lichtverschmutzung in der Nacht so hell, dass am Abendhimmel kaum noch ein Stern zu sehen ist. Da kann man auch zu jeder Nachtzeit knipsen. Es stört keinen. Mich schon.

Es geht in Bildern nicht um Realität. Bilder sollen Empfindungen wiedergeben. Also alles einsteigen, mein Gedankenkarussell beginnt sich zu drehen:

Ein Bild, schwarz, ich sehe nichts, symptomatisch. Für mich.

Drei Prozent Anteil am Licht für mich, da kann ich nichts sehen. Wenig bis gar nichts. Wobei ich in dunklen Räumen und nach einer gewissen zeitlichen Eingewöhnung noch gut Lichtlecks entdecke die andere so nicht sehen. Aber das tut der Sache hier keinen Abbruch. Drei Prozent, da bleibt nur schwarz. Vielleicht anthrazit. In dem Moment ein nutzloses Bild. Wie die Kunst. Kunst ist auch nutzlos. Aber inspirierend. Liegt in uns noch Inspiration? Sie fragt mich nach der Zufriedenheit, ob wir so zufrieden sind. Zufrieden geht so nicht und doch weiss ich es nicht, Achselzucken, denke eher an einen Glücksfall. Es bleiben die Zweifel, gerade weil keine Ruhe einkehren will. Ich suche eine Lösung, keine Schönfärberei, keine Schwarzmalerei. Allheilmittel Liebe. Jeder von uns ist getroffen. Nur viel hilft viel ist eben nicht. Seelenschaden. Wie lege ich Illusionen auf Masse? Kurzschluss. Alles was an Energie da ist, wird sofort in die Erde abgeleitet. Kleine und große Energien. Keine Träume, keine Fantastereien. Gefühle pulverisiert. Aber nein, da sind permanente Störgeräusche als eine Art Last, die mehr und mehr zur Belastung wird. Kurzerhand die Alternative Kompromiss. Der Kompromiss muss jedem wehtun, sonst ist es kein Kompromiss.

Das Gedankenkarussell ändert die Drehrichtung:

Ich werde nicht früh wach. Ich sehe mich vielmehr der morgendlichen Attacke sogenannter Hummeln im Hintern ausgesetzt!

Das hat nun nichts mit dem Thema über meine Gedanken zu einem Bild in Vollschwarz zu tun. Doch der Gedanke ist da. Denn wieder hat mich etwas herausgetrieben statt in Ruhe weiterzuschlafen. Ich kann den Gedanken deshalb nicht wegschicken. Ich lese was sie schreibt und es kommt mir ein „Der Mann, er denkt und lenkt“ in die gedachte Quere. Ein anderer Kanal: Feedback und natürlich ist das Umfeld Schuld. Mein Sarkasmus ist gerade grenzenlos und ich denke an einen Deckenventilator, mit Knofi-Duftsäckchen und Musik als Stimulus. Damit hat sie sich qualifiziert von mir nicht weiter beachtet zu werden.

Wir gehen durch den Wald, es regnet. „Chaos und unverständlich“ merkt sie an und es stimmt. Irgendwie sind wir gedanklich gerade einen Schritt aufeinander zu gegangen. So geht es mir jedenfalls gerade. Gehirnmatsch. Denkpüree. Wie heisst das Reh mit Vornamen? Kartoffelpü! Ich weiss nicht was sie mit Chaos & Co. konkret in meinen texten meint. Es geht zu viel zu schnell verloren. Aber ja, alles geht gerade wild durcheinander. Drunter und drüber. Der Ruhepol ist verrutscht, gestört. Unrund und Unwucht. Wenn die Unruh aus der Ruhe kommt, dann stimmt der Takt nicht mehr und die Uhr läuft falsch. Vor oder nach, es ist egal. An den Zeigern stimmt die Zeit nicht mehr.

Nutzlos und doch inspirierend. Was macht Kunst anders als ich. Kunst hat nichts mit Eingebung, höhere Ebene oder Bewusstseinserweiterung zu tun. Kunst ist Handwerk, Arbeit und ein Zeitfresser. Geld frisst sie auch. Ich finde das Upcycling genial. Altem einen neuen Sinn geben. Es ist sinnlos etwas zu tun, was kein Ziel hat. Dann sei es wenigstens noch nachhaltig. An einer Arbeit erfreue ich mich, da ich etwas geschaffen habe, was ich mir auch noch Morgen und Übermorgen anschauen kann. Doch grad möchte ich den Kopf in den Sand stecken, richtig feige sein und nichts hören wollen. Irgendwann ziehe ich ihn wieder heraus und wenn keiner guckt, dann renne ich ganz schnell weg. Möchte und Will wie Perlen aneinandergereiht ohne zu fragen, was ich gern täte. Mir bleibt das Muss.

Dieses Bild, nur schwarz, digital krisselig, viele Gedanken in meinem Kopf und WordPress meint, ich habe just an diesem Punkt über 880 Worte zum Thema in die Tastatur gehauen. Irgendwo im Schwarz ist sie, so als ob sie sich vor mir versteckt. Eine lieb gemeinten Geste wird zum emotionalen Flächenbrand. Das ist doch das, was Kunst anrichten soll. Die Mehrheit der Betrachter sieht nur das schwarze Bild, für einen Tag scheinsolidarisches Pausenzeichen bei Instagram. Ich gehe innerlich durch die Decke. Eine verrückte Zeit, die mir wenig Raum lässt. Die mir den eigenen Raum nimmt.

Die tausend Worte um ein Bild, was jetzt entstehen soll, fast nur schwarz, habe ich trotz Gedankenkonfetti nicht erreicht! Ziel verfehlt. Außerdem, Bilder schweigen und das ist gut so.

Autor: makkerrony

Der Macher des Lichtbildprophet ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben.