Zweibad-Lith (Update)

Da habe ich Dinge in meiner Kind- und Jugendzeit gelernt und gehört, die neuste Erkenntnisse über den Haufen werfen: Ein Rechenfehler macht Spinat zur Eisenbombe, Cola zerfrisst den Magen und es gibt noch kleinere Teilchen als Protonen, Elektronen und Neutronen. Glücklicherweise ist die Fotografie vom Sinneswandel nicht ausgeschlossen: In älteren Schriften wird das Zweibad so beschrieben, dass erst ein feinkörniger, danach der hart arbeitende Entwickler zum Einsatz kommt. Irgendwann hat sich die Sache umgekehrt, wofür es sicherlich gute Argumente gibt.

Zweibad-Lith, wobei die Effekt-bringende Lith-Entwicklung im zweiten Entwicklungsschritt erfolgt. Nach neuster Lesart ein No-Go, was mich nicht abhält es doch so zu tun. Ursprünglich war von mir angedacht, die fehlende Schwärzung bei der Pinselentwicklung durch ein Zweibad im satten Lith-Entwickler zu kompensieren. Warum? Pinsle ich mit einem frischen Positiventwickler in der Belichtung herum, schreite die Entwicklung so schnell voran, dass das Ergebnis den Look des Martyriums zeigt. Deshalb greife ich lieber zu einem betagten Entwickler, passe die Entwicklung prinzipiell darauf an und gebe etwas mehr Licht dazu. Nimmt die Schwärzung nicht mehr zu, wandert der Abzug nach einer kräftigen Zwischenwässerung in den satten Lithentwickler. Nach einer gewissen Wartezeit (30 bis 60 Sekunden) nimmt die Schwärzung zu, ohne dass es zur lithtypischen Farbigkeit und zur Entwicklung der belichteten, aber noch nicht anentwickelten Partien kommt.

Beim Spiel mit den Parametern (ein nahezu verbrauchter Entwickler möchte jedes Wochenende neu einbelichtet werden) ist mir aufgefallen, dass sich unter Umständen die lithtypische Infektiöse Entwicklung als auch die Farbigkeit einstellt und das sogar bei Papieren (Foma/Rollei Vintage), die in der klassischen Lithentwicklung versagen. Sie scheinen ein gewisses Entwicklungs-Level zu benötigen, das man offenbar durch Anentwickeln erreichen kann. Spaßeshalber habe ich das ADOX MCP derselben Prozedur unterzogen. Es ist deutlich schneller als Foma/Rollei Vintage-Papiere, benötigt einen kräftigren Ansatz des Lithentwicklers, kommt aber nur schwer und beinahe farblos an die lithtypische zweite Phase heran. Der eingefleischte Lith-Fan würde sagen gar nicht heran. Um den Vorspann etwas abzukürzen … einfach hier lesen.

Meine bisherigen Experimente bezogen sich auf den Rollei Lith-Entwickler. Durch meine eigenen Lithentwicklungen ist mir bekannt, dass der Rollei Superlith ein anderes Entwicklungsverhalten zeigt. Schaut man sich bei Moersch Photochemie um, wird der Moersch Easy Lith im Zusammenhang mit der Lith-Rückentwicklung empfohlen beziehungsweise als Paket angeboten. Dazu kommen noch die zahllosen Beispielbilder von Wolfgang Moersch selbst. Insofern musste ich – für mein eigenes Ego – diesen Weg ausprobieren. Das Ergebnis hat mich, obwohl ich um die Unterschiede des normalen und Superlith weiß, überrascht. Es scheint, als spielen Anentwickeln und Superlith besser zusammen. Neben dem Anentwickeln bis zu dem Punkt, indem sich erste Bildspuren abzeichnen, kann ich in dieser Kombination auch über die Länge der Belichtung das Ausbrechen der Infetiösen Entwicklung steuern. Es ergeben sich eine Reihe von Freiheitsgrade, wie zum Beispiel weiche Belichtung und harter Lithprint.

Beim Anentwickeln bin ich mittlerweile von meinem Abwaschwasser-Entwickler abgekommen. Bessere Dienste leistet mir der Moersch Fatman. Ihn alleine als Positventwickler verwendet, repräsentiert er für mich einen Vintage-Look abseits der heute üblichen Schatten- und Kontrastbetonung. Der Moersch Fatman braucht seine Zeit, bis sich erste Bildspuren zeigen und springt auch danach nicht sofort auf Maximum. Werden Partien bei der Pinselantwicklung angefeuchtet und der Entwickler stehen gelassen, entstehen in diesen Randbereichen – für mich – schöne Brauntöne. Ähnlich verhält sich auch der Moersch Sepia-Positiventwickler.

Im Nachgang habe ich das Datenorakel zum Thema Zweibad-Lith, wobei die Lithentwicklung im zweiten Schritt erfolgt, umgeschaut. Und siehe da, ich bin glücklicherweise nicht der Einzige mit solch abtrünnigen Ideen. Sicherlich kommt die Frage nach den Vorteilen, dem Besseren. Darum geht es zumindest mir nicht: Mein Antrieb ist die Pinselentwicklung mit dem Lithprinting zu kombinieren, wobei unbelichtete und nicht anentwickelte Partien möglichst nicht in die lithtypische Farbigkeit oder gar in die Infektiöse Entwicklung gehen sollte. Der Vorteil liegt also für mich nur in der Art und Weise, wie ich zu einem bestimmten Bildausdruck gelange.

Derzeit arbeite ich mehr mit Zweibad-Lithprints, weil sie mir pointiert kontrastbetont und weniger körnig erscheinen. Zudem zeichnet sich, je nach Grad des lokalen Anentwickelns und dem Papier eine gewisse Mehrfarbigkeit ab, wobei hier der Rollei Superlith in Kombination mit den Foma/Rollei Vintage-Warmton-Papieren deutlich bessere Ergebnisse abliefert.

Update 07. März 2016
Bezüglich der Farbigkeit habe ich für das Adox MCP einen anderen Weg gefunden:

Der Abzug ist leicht länger zu belichten und zu entwickeln. Danach ist der Abzug zu bleichen (Moersch Bleicher (Hexacyanoferrat/Bromid)) und zu wässern. Anschließend kommt der Abzug in ein Lithbad (Rollei Superlith 1+100). Mit etwas Geduld setzt nach ein paar Minuten die lithtypische Farbigkeit ein.

Autor: makkerrony

Der Macher des Lichtbildprophet ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben.