Das Gewisse an der Ungewissheit

Im Wesen Mensch scheint erblich die Sehnsucht zu stecken, einen Blick durch die Tür des Lebens werfen zu müssen um zu erfahren, was hätte aus einem alles werden können. Auf der einen Seite verstehe ich den Gedanken, lehne ihn jedoch genauso kategorisch ab. Das ohnehin schon wenig entscheidungsfreudige Mensch-Wesen wäre tagtäglich am gucken, um ja das Beste aus seinem Leben zu machen. Dabei verliert das Angstwesen völlig aus dem Blick, dass es eigentlich selbst den eigenen Weg beeinflussen kann. Der Zufall, der glückliche Moment, kann und muss ohne Frage behilflich sein. Das Ausgestalten des Weges verbleibt allein beim Menschen selbst.

Ich bin das Ohr, der Mund sind die anderen.

Ziele definieren. Wünsche definieren und aussprechen. Was ist daran so schwer? Sie tickert mich an, worüber ich mich freue. Es ist still geworden zwischen uns. Oft trennen sich – heimlich, still und leise – auf die Weise gemeinsame Wege. Das sagt zumindest meine Erfahrung aus zwanzig Jahren Menschenfotografie. Der fehlende Wille bricht die gute Absicht. Es ist immer auch eine Frage, wie tief und weit das Interesse am jeweils Anderen ist. Darin liegt nicht selten eine grosse Diskrepanz. Verständlich, geht es doch nur um eine Zweckverbindung, außerdem zeitlich befristet. Was sie gerade schreibt, es sieht für mich nach einem losen Smalltalk via Messanger aus. Ich kann daraus nicht ersehen, dass sie sich eigentlich mit mir spontan treffen und reden möchte. Das Ziel mag definiert sein, der Wunsch ist für mich nicht klar ausgesprochen. Verbaler Hick Hack, Missverständnisse und so bleibe ich am Ende etwas grummelig auf meiner Wohnlandschaft liegen und versuche weiter herunterzukommen.

Steinchen können nie ein Fels sein.

Zur Zeit helfe ich aus, obwohl ich nicht muss und mir außer Mehrarbeit keinerlei Vorteile daraus erwachsen. Also ich sehe schon Vorteile für mich, die einfach zwischenmenschlicher Natur sind, meinen Blick über den Tellerrand schweifen lassen und eine wichtige Geste zum Funktionieren einer Gemeinschaft darstellen. Helfen und helfen lassen fristen heute ein Dasein wie ein gut sichtbares eitriges Geschwür, dass den Hilfesuchenden öffentlich als Schwächling an den Pranger stellt. Der Helfende ist als Idiot auch nicht viel besser dran, gerade wenn die Hilfe „unter dem eigenen Niveau“ ist und deshalb den vermeindlich Bessergestellten gar nichts angeht. Armer Mensch, was tust du dir selbst nur an.


Normal ist, woran man gewöhnt ist.

Wir verabreden uns und sind Stunden unterwegs. Kein auf die Uhr gucken, Hand in Hand durch ihr Ghetto schlendernd. Einfach reden. Über uns, das Geschehene und die Gegenwart. Erstaunlich oft spricht sie in ihren Vorstellungen über unsere Zukunft. Das freut mich und schürt Hoffnung in mir. Mir gegenüber klar ausgesprochen und in die Hand versprochen, wie ich es hin und wieder für sie tun muss, das ist mir in der ungewissen Situation mehr Gewissheit. Es gehört wohl zu den Ungerechtigkeiten des Lebens, dass sie für mich nicht in die Hand verspricht, dafür ihre Zweifel zweifelt. Sie bekundet stattdessen, mich nicht mehr vom Haken zu lassen. Gern hänge ich an ihrem Haken und wehre mich nur zum Schein gegen meine Gefangennahme durch sie. Im Jetzt sind wir gemeinsam unterwegs, beobachten all die Anderen die sonst uns beobachten und am Ende des vielleicht letzten gemeinsamen Spaziergangs stellen wir für uns fest, dass es der bisher beste Spaziergang einer gemeinsamen Zeit war. Jeder Beziehung sollte man diese Zeit gönnen, ohne Druck über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu reden. Mit Liebe und im gegenseitigen Respekt.

Augen verraten, was der Mund nicht sagt.

Es bleibt die Gewissheit, dass nichts gewiss ist.
Das was ist, darf nie zur Selbstverständlichkeit werden.
Es muss immer das Besondere bleiben, das gepflegt und geliebt werden will.
Und wenn das, was sie zu mir meinte zur Gewissheit wird, bleibt mir ihr nur zu sagen, dass ich alles daran setze, dass sie ihre Entscheidung nicht bereut.
Wir müssen nur ein Ziel definieren und Wünsche für den anderen deutlich hörbar aussprechen.

Beschäftige dich nicht nur mit dir selbst. Beschäftige dich mit den Menschen um dich herum, die sich die ganze Zeit mit dir beschäftigen.

Autor: makkerrony

Makkerrony, der Macher des Lichtbildprophet, ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben. Ein Mensch behauptete mal, Makkerrony sei ein guter Fotograf, hat allerdings einen denkwürdigen Geschmack. Jemand anderes meinte, Makkerrony könne einen Haufen Hundescheisse fotografieren und es sehe gut aus. Ein Model lehnte die Arbeit mit dem Lichtbildprophet ab, weil seine Bilder so aussehen, als müsse sich das Model anstrengen.

2 Gedanken zu „Das Gewisse an der Ungewissheit“

  1. Ein wunderschöner Beitrag … der mich doch teilweise sehr berührt, einfach schön geschrieben💚💚💚
    Der letzte Abschnitt … ich kann dir zustimmen😘

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