Direkt Positiv Denken

Es gibt diesen Roten Faden, einen Handlungsstrang, ohne dessen Erkennung wir nur Chaos sehen. Worum es nachfolgend geht, hat einen solchen, nur weiß ich nicht mehr wo er begann und wo er enden wird. Egal – heute geht es um Arbeiten mit dem Direktpositivpapier.

Prolog
Anfang letzter Woche erreicht mich eine traurige Nachricht: Ein Kollege, er war mittlerweile seit 10 Jahre pensioniert, ist verstorben. Neben der Arbeit verband uns eine Großformat-Kamera, die zunächst bei ihm mehrere Jahre im Büro stand. Zu seiner Verabschiedung ‚erbte‘ ich das gute Stück. Im Trockenlauf schien alles zu funktionieren. Irgendwann landete die Linhof in meinem Atelier und ich benutzte sie dann auch.

Zeit- und Gedankensprung
Die Lumenbox brachte mich auf die Idee, statt des ‚Papiernegativs‘ ein Positivpapier zu verwenden. Dunkel kann ich mich an die größte Portraitkamera hier in Berlin erinnern, in welcher mit solchem Material gearbeitet wird. Derzeit gibt es solches Papier unter dem Namen ‚Imago Direct Positive Paper‘ (Imago DPP). Was eigentlich alles hinter dieser größten Kamera, diesem Papier und der Wiederentdeckung durch Susanna Kraus steckt, klingt und liest sich spannend und wird nur von dem Umstand übertroffen, mit jedem Direktpositiv ein Unikat zu schaffen. Dieser Pfeil trifft mein Lichtbildherz.

Prolog, Zeit- und Gedankensprung vereinen sich
Noch immer sitzt die Nachricht in meinen Knochen. Es liegt wohl am Jahr zuvor und meiner unmittelbaren Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit. Ich lege mir 25 Blatt Imago DPP in ‚9 x 12 cm‘ zu, um damit die Linhof zu bestücken und Aufnahmen in Erinnerung an den Vorbesitzer zu machen.

Der erste Stolperstein ist das Umdenken: Alles ist dem Negativprozess entgegengesetzt. Möchte ich mehr Schwarz, darf ich nicht – wie eigentlich gewohnt – länger belichten. Darüber muss ich erst einmal nachdenken. Meine – Negativtechnik-Literatur – beschreibt das Direktpositiv-Verfahren nicht. Was geschieht dort mit dem Silber im Papier. Das Internet des Google’s ist auch nur ein schwacher Trost. Populistische Pseudo-Fachbeiträge wo ich mich frage, ob die nur voneinander abgeschrieben sind.

Über die Historie des Verfahrens und Papiers, nachzulesen hier, komme ich auf Harman und eine doch etwas längere Beschreibung der Sache. Allmählich meine ich zu verstehen und merke beim Praktizieren der ‚Methodik des unbekümmerten Probierens‘, dass ich nichts verstanden habe. Noch immer kleben Schleimspuren des Negativprozesses an der Schädeldecke fest und kann das, was ich großformatig knipse nicht funktionieren.

In meinem dilettantischen Tun komme ich aber auf einen Weg, dem Direktpositivpapier die Härte zu nehmen und einen eher klassisch weichen Look zu geben. Nein, ich meine nicht das propagierte Vorbelichten: Ich belichte das Imago DPP etwa zwei bis drei Lichtwerte länger. Danach gebe ich das belichtete Positiv in einen typischen Ansatz für die Papierentwicklung im Negativprozess (typischerweise 1 + 9). Nach ein bis zwei Minuten sollte der Print immer noch – weil überbelichtet – weiß sein.

Jetzt schalte ich die normale Beleuchtung meiner Dunkelkammer-Ecke an und schwenke weiterhin die ehemalige Gummibären-Dose, die meine 9 x 12 cm-Entwicklerschale ist. Nach kurzer Zeit baut sich ein (positives) Schwarzweissbild auf, das nicht so kontraststark wie ein richtig belichtetes Direktpositivpapier ist. Im Wesentlichen scheint sich diese Art der Entwicklung über die Überbelichtung und das Nachbelichten beim Entwickeln steuern zu lassen. Inwieweit der Entwickler (Moersch Fatman in meinem Black Hole-Ansatz) und seine Konzentration – bestimmt – eine Rolle spielt, kann ich nichts sagen. Ein 9 x 12 cm Bogen Imago DPP kostet einen Euro und dieser möchte erst einmal verdient werden, um unbekümmert vor sich hin experimentieren zu können.

Halbwegs beglückt, mit diesem Trick wenigstens verloren geglaubt Papiere doch noch zur Herausgabe eines Schwarzweiß-Bildes entwickelt zu haben, verschiebe ich alles weitere auf einen Tag später. In der Zeit dazwischen lese ich, was ich zu lesen bekomme und gehe in mich. Nächster Tag: Alles neu Einmessen, Verlängerungsfaktor berechnen und den Entwickler fetter ansetzen. Die Aussage, Chemie wie beim Negativprozess zu verwenden, verleitet zur Annahme, dass auch die Ansätze dieselben sein müssen. Das ist eine Fehlinterpretation. Ich schaue mir die Ränder der 9 x 12 cm Abzüge an. Die müssten bei einem normalen Direkt Positivpapier-Prozess schwarz sein. Sie sind aber ein schlappes Anthrazit.

Ich rühre den SPUR Straight Black (heißt jetzt SPUR Cool Black) in der Mischung 1 + 2 an. Gefühlt stelle ich später fest, dass der Ansatz noch fetter sein sollte oder man gleich auf einen Kontrastentwickler umschwenken sollte. Zwei Entwicklungsstränge verfolge ich heute: Ein belichteter Imago DPP-Print wird fast wie ein Negativ behandelt (alles dunkel in der Dose, Entwicklungszeit 4 Minuten), der andere Abzug wird abgewandt vom – hellem – Rotlicht prozessiert. Die Belichtung sollte laut Lehrbuch, meiner Belichtungsmess-App und der ISO-Angabe passen. Das Ergebnis ist wie erwartet. Unter Lichtausschluss erhalte ich eine stärkere Schwärzung, wenn sie auch noch nicht so knallig ist wie in den zahllosen Beispielen in der großen weiten Datenwelt. Bezogen auf den Rand des Prints, der eigentlich kein Licht sieht, glaube ich an einen Optimierungsbedarf beim Entwickleransatz.

Der zweite Wurf unter meinem normalen Dunkelkammerlicht wird weicher. Aber: Der sich entwickelnde Abzug ist eine gute Vorlage für die Lith-Rückentwicklung.

NichtNegativ

NichtNegativ
Nr. 1186
Unikat: Bei Kaufinteresse Größe und Medium bitte erfragen
(c) 2017 Lichtbildprophet

Epilog
Unter den Gegebenheit wird es nichts mit der Lumenbox und dem Direktpositivpapier. Das typische ‚easy use‘-Tonfall derer, die aus Marketinggründen die Trommeln schlagen und nicht einmal mit dem Zeug gearbeitet haben, ist das Direktpositivpapier nicht. Wer sich nicht am Preis stört und Bock auf Experimentieren hat, der hat ein schönes Spielzeug gefunden. Irgendwo habe ich gelesen, dass man das Papier bei Fehlbelichtungen auch ein paar Wochen/Monate liegen lassen kann und das latente Bild dadurch verschwindet. Ich würde mir mehr echte Fakten und Zahlen wünschen. Das ‚Harman Direct Positive Paper‘-PDF ist da deutlich auskunftsfreudiger als das, was ich dazu im Hans O. Mahn (maco photo)-PDF zu lesen bekomme.

Autor: makkerrony

Der Macher des Lichtbildprophet ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben.