Hart auf hart

Ich bin ja so ein kühler Extremst-Experimenteller!

Der Vollprofi sieht meine Überheblichkeit sicherlich anders, schließlich beherrscht er allein das Fach. Wenn der Vollprofi seine experimentelle Ader entdeckt, dann geht er richtig kernig zur Sache: Der Könner wechselt vom P-Modus in die manuelle Belichtungssteuerung und klebt sein Kameradisplay ab! Was sind die wahren Profis auf fotocommunity, view und flickr doch mutig.

Ich kann da nicht mithalten, denn ich krepele immer noch auf Film und Handabzügen statt auf teuerstem Tablet oder Ultra HD-TV herum. Mir tut das auch kein bisschen Leid. Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal ein Update in meinen Meopta-Vergrößerer einspielen musste und wieviel mich das ganze Zubehör gekostet hat. Mein rückwärts gewandtes Tun ist nachhaltig, denn ich arbeite mit dem, was ein Meister der leidenschaftlichen Langeweile wegschmeißen würde.

Seit Monaten steht ein Karton im Büro meines Betonpalasts. In der einen Schachtel vermutete ich 18 x 24 cm-Fotoplatten. Lesen hilft auch dem Lichtbildprophet ungemein weiter: Es ist Filmmaterial auf Kunststoffträger. Gefühlt würde ich das Material in die sechziger oder siebziger Jahre des vorherigen Jahrhunderts einordnen. Perutz soll 1964 an Agfa gegangen sein, in dem Dreh denke ich auch war das Herstellungsdatum des Perulith-Films. Sieben Blatt bleiben mir. Da ist eine Belichtungsreihe was für weichgespülte Fotomuschis. Das was beim Belichten und Entwickeln schief geht, verkaufe ich als hohe Kunst. Als Stümper und Dilettant kann ich mir so etwas erlauben. Der nächste Schuss sitzt, Pyrogallol ist halt ein sehr gutmütiger Entwickler und bringt diesen gelb-grünlichen Ton ins Negativ. Die PosaNeg-Reihe ist geboren.

Zwischenspiel: Wie extremst-experimentell ist das denn: Da belichtet so ein Spinner sein Negativ auf einen Negativfilm, der nur für Strich- und Rasterarbeiten geeignet ist. Der Typ, der sich auch noch ‚Poet‘ und ‚Prophet‘ des Lichtsbilds nennt, hat doch überhaupt keine Ahnung. Pyrogallol. Totalst giftig. Kein Wunder, dass der Krebs hatte.

Weiter im Text. Ich spiele mit der Arbeitslösung, muss stärker als bei anderen Abzügen konzentrieren, damit ein gut sichtbares Positiv auf Negativ-Lichtbild entsteht. In jedem Blatt sind Sprenkel zu sehen. Über das Material, seine Herkunft und Lagerung weiss ich nichts. Es lag historischen Negativen bei, war eine Zugabe und der Händler musste sich nicht um die Entsorgung kümmern. Wie bei den alten überlagerten Fotoplatten versuche ich mich in der fotografischen Höhlenmalerei. Bilddeutung.

Warum nur das PosaNeg? Weiß ist nicht gleich weiß. Wenn ich ein Bild rahme, verbringe ich viel Zeit mit den Tonwertabstufungen zwischen Hintergrund und/oder Passepartout und der Arbeit (Beispiel 1 und Beispiel 2). Beim käuflichen Fotopapier bin ich auf das angewiesen, was der Hersteller anbietet. Bei der flüssigen Fotoemulsion bin ich flexibel, allerdings muss jedes Material aufwendig durchgetestet und in der Fotochemie gequält werden. Wenn ich jedoch den Hintergrund einfach so austauschen könnte, dann kann ich die Farbnuance meiner Abzüge nahezu individuell gestalten. Was für eine Freiheit!

In der Bucht schaue ich mich nach anderem Filmmaterial in der Art des Perulith um. Dabei stoße ich auf ORWO FU 5. Das ist ein harter, im blau-Bereich empfindlicher ‚Fototechnischer Film‘. Was zunächst nach Unmengen Licht und langen Belichtungszeiten klingt, entpuppt sich als ziemlich flott. Für erste Versuche greife ich wieder auf Pyrogallol (Bergger PMK) zurück. Nachdem eine Zeit gefunden ist und ein paar Blatt erfolgreich verarbeitet sind, möchte ich ‚Hart‘ mit ‚Hart‘ bearbeiten: Lith-Entwicklung. Dabei ziele ich weniger auf die Farbigkeit als vielmehr auf das grobe Korn der Lithentwicklung ab. Ich bin angenehm überrascht, wie gut sich Lithentwickler und der ORWO FU 5 vertragen. Gegenüber der Papierentwicklung erweist sich diese Kombination als ein Sprinter.

Ein Teil der PosaNeg-Prints geraten etwas dunkel. Zwar ist die Entwicklerschale weiß, doch der Grund ist mehr metallisch grau. Hier meine ich liegt der Grund in der falschen Einschätzung der Lith-Entwicklung. Transparentes Trägermaterial ist halt transparent und kein weißes Papier. Ich habe eine Idee: Die fixierten und gewässerten dunklen Abzüge auf ORWO FU 5 wandern für zwei bis drei Minuten in den Selentoner. Eine Farbverschiebung zu braun-magenta muss zu sehen sein. Nach einem kurzen Zwischenbad gehen die PosaNeg’s in ein Bad mit Farmerschen Abschwächer. Ist der gewünschte Bildausdruck erreicht wird kräftig gespült. Die Mimose in mir badet dann noch einmal im Fixierer bevor es in die Abschlussspülung geht. Fertig ist das meisterliche Ganze.

Frage an mich: Verbinde ich den PosaNeg-Träger dauerhaft oder auswechselbar mit dem Hintergrund? Beim Perulith umschlage ich mit Klarsicht-Klebeband die Bildkante. Beim Halten der Arbeit kann es passieren, dass beide Lagen nicht flach übereinander liegen, was zu einer Unschärfe führt. Für die ORWO FU 5 PosaNeg’s muss deshalb eine andere Lösung her. Ich denke schon an eine dauerhafte Verbindung. Noch sind aberdutzend Blatt glänzendes Tintenstrahl-Druckerpapier da. Sie liefern als Hintergrund ein gutes Ergebnis. Also löse ich Gelatine auf und ‚verklebe‘ beide Lagen miteinander. Ist die Gelatine angezogen, wird zugeschnitten und der nunmehr fertige Abzug kommt unter meine Presssteine. In einer Woche werde ich sehen, ob sich eine schöne Verbindung eingestellt hat und wie der Print wirkt. Gegebenenfalls ist die Oberfläche nachzupolieren. Was für ein Aufwand!

Autor: makkerrony

Makkerrony, der Macher des Lichtbildprophet, ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben. Ein Mensch behauptete mal, Makkerrony sei ein guter Fotograf, hat allerdings einen denkwürdigen Geschmack. Jemand anderes meinte, Makkerrony könne einen Haufen Hundescheisse fotografieren und es sehe gut aus. Ein Model lehnte die Arbeit mit dem Lichtbildprophet ab, weil seine Bilder so aussehen, als müsse sich das Model anstrengen.