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Mich macht dieses Gendern langsam irre. Auf Verdacht muss ich Rücksicht nehmen, dass der mir bis dato unbekannte Mensch in einem anderen „sozialen“ Geschlecht als von mir visuell wahrgenommenen biologischen Geschlecht steckt. Folglich soll ich ihn nicht männlich/weiblich ansprechen und bloss keine Frage zu dem Thema stellen. Damit ich solch Sensibelchen erkenne, deuten sie ihr sozial-biologisches Geschlechtslimbo mit einem englischen Verwirrspiel aus he/she/they an. Mittlerweile ist das für mich so ein Symbol wie die rote Ampel: Umgucken und wenn alles frei ist trotzdem rübergehen.

Das liebe Internet bietet eine Reihe von netten Abhandlungen an, damit ich als Mister political correctness zukünftig in meinen Texten genderneutral Pronomen kann. Aber will ich das? Wird auf meine Gefühle so Rücksicht genommen, dass mir wichtige Aspekte des Lebens sprachliche Freiräume bis in den Alltag gewährt werden? Was ist, wenn ich ab morgen andere individuelle Marker in meinem Leben setze und ein ganz neues „soziales“ Geschlecht für mich beanspruche, nur weil mir beim morgendlichen Stuhlgang ein Furz quer liegt? So einfach ist das nicht? Doch, ich denke schon, sei es zum Beispiel der switch von vegetarisch – vegan – Allesfresser oder die plötzliche Verpolung hetero – lesbisch – hetero, nur weil man sich mal den falschen Stecher ausgesucht hat? Alles erlebt und immer war es mit der Verwandlung so etwas von Ernst, ernster ging es schon gar nicht mehr.

In der Argumentation um das sogenannte „soziale“ Geschlecht geschieht etwas grausames, beinahe perverses und für unsere Zeit so signifikant: Es ist von „häufig“, „typisch“, „gelegentlich“, „weitaus meisten“, „kann sein“, „eine Reihe“ und so weiter die Rede. Mathematik, das logische Spiel mit Zahlen, es ist sehr abstrakt, aber in der Menge definiert. Und genau das fehlt mir. Ich erinnere mich an Aussagen wie „die Studenten haben …“. Nun kannte ich den Sachverhalt um den es ging und daher wusste ich, dass „die Studenten“ lediglich ein Student war, der einfach nicht zugehört hat. Warum muss also jede Banalität sprachlich verelefantet werden? Also die einzelne fliegende Mücke zu einem Schwergewicht wie das asiatisch-afrikanische Rüsseltier aufgeblasen werden?

So ähnlich verhält es sich, könnte das Äußerliche auf eine Herkunft ausserhalb Mitteleuropas hindeuten. Auch hier darf ich kein Fettnäpfchen, sei es auch noch so klein, nur zart streifen, soll ich nicht der ewige Nazi-Deutsche sein. Doch das ganze Vergutmenschen zeigt seine Wirkung: Ich möchte ein besserer Mensch werden und gestehe hiermit öffentlich meine falschen Fehler ein! Deshalb bin ich dafür, dass Menschen, die hypersensibelst individuell sind und nicht auf ihre Individualität angesprochen werden wollen, ein gut sichtbares M auf ihrer Kleidung oder ihrer Haut tätowiert tragen sollen/dürfen/wollen/müssen. M wie Muschi, Mimose oder „Maul halten Fremder, sprich mich nicht an, du Arschgesicht“. Die Dummheit und übertriebene Empfindlichkeit, wie ihr sie in euch tragt, verletzt auch meine Gefühle und ich möchte mich zukünftig wegen euch und meinem sensiblen Magen nicht weiter aufregen.

Autor: makkerrony

Der Macher des Lichtbildprophet ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben.