Werde ich zur Fotografie nach Literaturempfehlungen gefragt, dann sind es Bildbände und Biographien. Ich finde man lernt aus ihnen genau das Rüstzeug, was man für das bewusste Aufnehmen von Bildern braucht. Es sind nicht die Kameraeinstellungen, das Fabrikat oder der Pixelprinz, der das Bild macht. Ich muss es mit meinen Augen sehen. Nicht wie es ist, sondern so, wie ich es sehen möchte.
Müssen es unbedingt Fachbücher zur Fotografie sein, dann ist es Helmut Stapf’s ‚Fotografische Praxis‘ oder ‚Die Photographie mit Bromsilbergelatine und die Praxis der Moment-Photographie‘ von Ludwig David und Charles Scolik. Wem das alles zu angestaubt ist und altbackend erscheint, dem empfehle ich Jost J. Marchesi’s Photokollegium. Wer sich alle genannten Literaturquellen reinzieht, dem wird auffallen, wie nachlässig Autoren der Neuzeit mit dem alten Wissen umgehen, einfach Dinge weglassen oder nicht in der Lage sind eine Aussage fundierte zu belegen.
Häufig ist in Biografien zu lesen, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt der Fotograf den Wunsch verspürte, eine eigene Kamera zu bauen. Die eigenen Erfahrungen und die Monotonie der digitalen Präzisionsfotografie lassen diesen Wunsch auch in mir aufkommen. Nur habe ich noch nicht die optimale Lösung ähnlich der eierlegenden Wollmilchsau für mich gefunden. Deshalb habe ich es vorgezogen zunächst einmal so zu tun als ob und fertige Bausätze der Recesky TLR und Lomography Konstruktor bespielt.
Letztgenannter Bausatz wwurde von mir so aufgebaut, wie es die Anleitung vorgegeben hat. Ich habe lediglich auf das Lametta, sprich das Bekleben und Labeln der Kamera verzichtet. Ansonsten war dieser Bausatz – ein Geburtstagsgeschenk – kein großer Freudenspender. Wenigstens ist die Kamera so schlecht, dass sie für meine Lichtbildkunst gut genug ist. Sie passt in das Geldgeil-Konzept der Lomografischen Gesellschaft: Lieblos-Plastik für viel Geld. Um diese Aussage zu verstehen empfehle ich meine Gedanken zur lomografischen Holga 120 zu lesen.
Die Recesky TLR entsprang dem ‚Das Franzis Kamera Baubuch – Mit Modellbausatz für eine voll funktionsfähige zweiäugige Spiegelreflexkamera‘. Ich hätte den Bausatz auch ohne Franzis Beiwerk kaufen können, war aber absolut auf das angepriesene Zusatzangebot gespannt. Immerhin soll es sich um einen kampferprobtes fotografisches Multitalent und Autoren handeln. Heute würde man die Zugaben ins Reich des Postfaktischen stecken. Man merkt dem Autoren an, dass er die unkomplizierte und effektive Arbeitsweise bevorzugt und deshalb keinen Draht zum Analogen hat. Folglich ist das, was dargeboten wird, lieblos zusammengetragener Abfall, der wirklich interessierte Käufer ohne analoge Erfahrungen am Ende verprellt. Aber vielleicht war es die Mission des Autoren Abweichler wieder auf digitale Spur zu bringen.
Der Bausatz lässt einen gewissen Gestaltungsspielraum zu. Erstes Opfer ist die Feder der Verschlusses, die durch Dehnung die Belichtungszeit verlängert. Desweiteren spiele ich mit der Blende, die sich von Hause aus austauschen lässt. Doch statt einfach die Blendenöffnung zu variieren, wird auch mit der Dicke der Blende als auch mit einem zusätzlichen Streukreis experimentiert. Im Ergebnis habe ich ein fotografisches Kamera-Wunderwerk der Imperfektion, die von mir den Zusatz ‚mod‘ erhält. Besagten Streukreis habe ich dem B.I.G. HolgaLomo-Objektiv entlehnt, die neu gestaltete Blende der Recesky TLR mod. wurde im 3D-Druckverfahren hergestellt.
Beide Kameras, die Lomography Konstruktor als auch die Recesky TLR mod. nutze ich ausschließlich im Ausseneinsatz. Mehr gibt es zum bisherigen Abenteuer Kamera-Selbstbau nicht zu sagen. Der Wunsch eine eigene Kamera zu konstruieren und aufzubauen ist wohl in mir noch nicht vollends ausentwickelt.