Wo ist da was anders?

Beim Einläuten des Shut- und/oder Lockdown tönen die Propagandisten, dass nichts mehr so sein wird wie bisher. Stimmt. In der Nacht des Shut-Lock-Down herrschte Ruhe. Ja, ich bin geneigt zu sagen es herrschte Stille. Das war es dann aber schon. Die besonders Kühlen unserer Zeit nutzten die freien Pisten für ein Autorennen gegen sich selbst. Wenn der Puller klein ist, braucht Mann irgendetwas, womit er zeigen kann ein echter Pavian zu sein. Shutdown, Lockdown, was bedeutet das eigentlich. Egal, es wird nach einem Vierteljahr immer noch betont, dass dieser Virus neuartig ist.

Unser Umgang mit den Helden, über die heute keiner mehr redet: Das neuartige Corona – COVID-19 – Virus hat den Abstand des Menschen zum Mensch nur noch vergrössert. Das social distancing wurde zum social media distacing ausgeweitet. Bestand auch dort eine Ansteckungsgefahr? Klar, was Verdummung und latente Blödheit angeht schon. Aber auch COVID-19? Wo ich erwartet habe, das zusammengerückt und nachgedacht wird, kam es zu allerlei Kuriositäten. Corona und der Zwang zur Distanz hat das Zweckbündnis der Langeweile gegen die Einsamkeit salonfähig gemacht. Ohne den tagtäglichen Lärm und die permanente Ablenkung hat der Shutdown die Lästigkeit des selbstgewählten Lebenspartners und der eigenen Brut offenbart. Der Schrei nach Hilfe ist gross. Das ist einfacher statt im Moment der Ruhe und Befreiung von der Lärmverschmutzung zu überlegen, wie jeder für sich selbst sein Leben neu aufstellen kann. Die Gedanken der ersten Lockerungen drehten sich um den Frisör und die Urlaubsreise. Gibt es keine anderen Probleme? Die Natur kann sehr hart sein und ausgerechnet die Bestie unter den Lebewesen, der Mensch, mimt als Gutmensch getarnt die Weichflöte.

Ruhe und Stille nutzen, überdenken und dann handeln. Nein, jeder blickt nach oben und hofft auf die Stimme aus dem Off, die verrät wie es weitergeht. Gott, er sitzt ganz oben auf der Leiter, feilt sich in Ruhe seine Fingernägel, blickt kurz nach unten in die Milliarden großer Augen die ihn anstarren: „Ich hab nichts damit zu tun, Adam und Eva’s Kinder. Einer von euch musste eine Fledermaus essen. Nun seht zu, wie ihr damit klarkommt. Ihr sagt ja, dass der Einzelne wichtiger ist als die Gemeinschaft.“

Uns Mensch (richtig, Mensch) ist vieles wichtig, nur nicht das was wichtig ist. Wichtig in unserer Zeit, die politische Korrektheit. Mohrenstrasse – Möhrenstrasse. Hysterie der Politischen Korrektheit in der Medienlandschaft: Progressiver Internet-Mob, das große Reinemachen, menstruierende Person statt Frau, die neue kulturelle Hygienekultur. Eure perfekte* Welt ist das Ende des Menschen! Ihr Gut- und Bessermenschen da draußen, haltet einfach Andersdenkende aus. Schluss mit eurer faschistoiden Ideologie des moralischen Großreinemachen!

Grob ordinär!

Und ich persönlich? Ich bin keinen Deut besser. Ich ertappe mich bei der Lüge, nur nicht um das eine Mal noch zu gefährden. Mal kann so etwas wie die Lüge geschehen. Die Wiederholung ertrage ich nicht, weil es einfach meinem Gedanken der Selbstbestimmtheit widerspricht. Die durch die Medizin erhaltene Lebensqualität ist für mich, der Gefühle real erleben möchte, eine schallende Ohrfeige. Was die Ärzte sich als Lebensverlängerung an die zurecht stolze Brust heften, ist für mich der innere Suizid! Ich kann nur noch von dem träumen, wie es mal war. Erleben ist seit meiner dritten Geburt passe. Das zu erkennen hat Opfer, zu viele Opfer, vor allem unschuldig gefordert.

Ich möchte mir eine Hoffnung geben. Die grosse Liebe eines wundervollen Menschen hat mir gezeigt, dass ich an einer Stelle verloren bin. Es muss diese eigene Welt in meinen Gedanken sein, damit ich weitermache. Metallisches Flachband lässt sich nicht mit gelegentlichem Schleifen feinsten Sandpapiers schärfen, denn das Leben ist endlich und meine Geduld noch viel kürzer. Es bedarf mehr und ich bin jetzt überzeugt, dass all die Mühe sich so nicht lohnt.

Meine Gefühlswelt hat etwas von einem Stummfilm. Da sind die bewegten Bilder. Sie sind da, egal wie oft ich sie abspiele, vor oder zurück, es bleiben immer dieselben. Nichts ändert sich und es wird sich nie ändern. Gelegentlich eingeblendete Texte markieren den Weg, den ich als Betrachter gedanklich zu gehen habe. Ohne diese Krücken blieb zuviel Spielraum für unbeabsichtige Gedanken. Das Entscheidende ist der Mensch am Klavier. Er liefert den Ton zum Film. Wie möchte ich das nicht unwichtige Mittel der Gestaltung kontrollieren? Es kann alles geschehen, die alten Bilder selbst ändert auch die modernste Musik nicht.

Wenn das richtige Falsch richtig falsch ist. Im Atelier bin ich wieder allein, aber ich fühle mich nicht einsam. Es hat gebraucht das zu erkennen. Mit meinem Verhalten müsste ich es dir so einfach wie möglich machen. Wie soll ich uns beschreiben? Schritt für Schritt!? Sie sind schneller da, als ich es befürchtet habe: Nächte, allein, die da kommen und gehen. Es ist schwer wenn man besessen hat, ohne Widerrede abgeben muss, um das Wichtigste behalten zu können: Das eigene Leben auf unbestimmte Zeit. Es ist kein schöner Deal und davon war auch nie die Rede. Es geht nicht um ein Leben nach Krebs, es geht ums seelische Überleben nach Krebs.

* perfekt = perficere = zu Ende bringen

Autor: makkerrony

Der Macher des Lichtbildprophet ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben.

5 Gedanken zu „Wo ist da was anders?“

  1. @ ronaldo capybara: Das ist schön, dass du deinen Frieden damit geschlossen hast und ich bin immer wieder beeindruckt wie positiv du das siehst und nimmst und nicht aufgibst und dankbar bist.

  2. @ ZweifelnHochZwei: Irgendwie habe ich meinen Frieden damit geschlossen. Statt durch den unentdeckten Hodgkin draufzugehen darf ich weitermachen und ich habe seit Anfang 2017 einige Dinge erlebt, die vorher undenkbar waren. Ich möchte deshalb nicht undankbar sein und versuche das, was noch geblieben ist, möglichst intensiv zu genießen. Ob das verdient ist oder nicht, ich bin dankbar und genieße was geht.

  3. @ ronaldo capybara: Ich hoffe sehr, dass du noch ein sehr sehr langes Leben führen darfst und du das Ganze inkl. neuen ‚Konsequenzen‘ nicht nochmal erleben musst. Es ist mehr als nur verständlich, dass du in der Jetztzeit noch was vom Leben haben möchtest. Und es ist so schade und traurig, dass dir so viel genommen wurde und sich manches nach gar nichts anfühlt oder noch wie betäubt… das tut mir so leid und das hast du nicht verdient😥.

  4. @ ZweifelnHochZwei: Ich sehe das Ganze so, dass eine einzelne Zelle in mir warum auch immer eine Veränderung vorgenommen hat, die letztlich zum Hodgkin Lymphom geführt hat. Eine Laune der Natur … durch Zufall noch früh genug entdeckt und – nach jetzigem Stand – erfolgreich behandelt. Seitdem bin ich mir aber nicht mehr sicher, wirklich ein langes Leben führen zu dürfen. Es kann wieder so kommen, völlig unvorbereitet und wer weiß, was dann die ‚Konsequenzen‘ sind. Deshalb möchte ich in der Jetztzeit etwas vom Leben haben, auch wenn mir ein nicht unwesentlicher Teil der ‚männlichen Freuden‘ genommen worden sind und alles sich nur noch wie betäubt oder nach gar nichts anfüllt. 😢

  5. Ein schöner Beitrag, auch wenn der zweite Teil sehr traurig ist. Die Gefühlswelt wie einen Stummfilm zu erleben… schrecklich … das mag ich mir gar nicht vorstellen. Viele reden vom Überleben und über das Leben nach dem Krebs … über das seelische Überleben redet keiner bzw. kaum einer. Viele denken, dass das Leben danach genau wie vorher ist … aber das ist leider nicht so und das kann es auch gar nicht sein … Es ist mehr als schade, dass du das erleben musst, das hast du nicht verdient.

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