Ist es mein Eindruck oder ein Ausdruck?

Sonntag. Wir haben uns wieder früh verabredet, wollen malen und noch ein bisschen fotografieren.

Irgendwie spielte der Zufall mit, machte aus einer Maske auf einer Malunterlage und dem ersten Gedanken am Erhalt der Szene ein Bild. Der erste Gedanke, bei ihr, bei mir. Am Ende unserer zeit werden es mehr Fotos als Pinselzüge. Und es entwickelt sich eine einstündige Diskussion um eine Arbeit, die ich nunmehr einer dritten radikalen Überarbeitung unterzogen habe. Zwischendurch war ich der Meinung, sie sei nun gut. Doch nach einer Woche Distanz und meinem Vergessen fehlt mir beim neuen ersten Blick die Zufriedenheit über mein Tun. Doch jetzt, sie ist begeistert. In mir ist schon ein gutes Gefühl, doch ich warte lieber noch eine Woche ab, ob an dem so bleibt.

Ich bin wieder zu Hause, esse was und ziehe mich in meine Höhle zurück. Arte zeigt einen Beitrag über Monet und den Impressionismus. Es geht um Eindrücke, die Impression, das sich Lösen vom gemalten Fotorealismus. Die Fotografie als Vorlage für Gemälde, impressionistische Gemälde. Was mache ich eigentlich? Lasse ich mich von meinen Eindrücken leiten, wenn ja welche, und bringe diese in heftiges Klecksen und wilden Strichen auf die sinnbildhafte Leinwand? Oder ist es doch eher der Ausdruck, die Expression, die mich in den Zufall treibt.

Die Vorstellung einer Kategorie, eines Stils, ist wie eine Barriere, eine Grenze, eine Mauer. Erst neulich merkte ich, wie sich eine mir selbst auferlegte Festlegung zur Fessel wird. Manchmal verfalle ich dem Wahn, warum auch immer. Es ist eine Dummheit, da ich weiß, dass es hinderlich ist. Nun beim Ansatz mich irgendwie einzuschränken, müsste der kreative Teufel in mir gegen mein Schienbein treten. Anders höre ich damit wohl nicht auf.

Die dreifach Überarbeitung. Aus einem völlig bunt aus Plakatfarben wird ein schwarzer Überzug, der das Bunte darunter in Spachtelzügen freigibt. Darüber verschiedene Spielarten des Zufalls. Immer wenn ich das Ergebnis sehe, spüre ich Langeweile. Eine Konversation zwischen dem Bild und mir, nur um Zeit totzuschlagen. Irgendetwas Interessantes ist da schon, doch es wird kein leidenschaftliches Gedankengefecht.

Samstag schleiche ich mich ins Atelier, versinke in die ernsthafte Absicht, mit Varianten des Blau neu anzufangen. Einfach so. Viele Farbtupfen, mit dem Spachtel breit gezogen. Erst auf die Mitte fixiert, irgendwann den Rand mit einbeziehend.

Vor und in mir entstehen Gedanken eine Stadt. Blaue Stunde, schwarzer Himmel droht. Der Tag hat alle. Dazwischen Annahmen von Wolken, etwas Licht. Irgendwie ist überall Licht. Die Stadt kann nicht mehr anders in der Nacht als mit Licht zu zeigen. Die Stadt eine Dirne, die alles zeigt um alles in sich reinzulassen. Müsste ich nicht elf Etagen Treppen steigen, ich wünschte Berlin den Blackout. Anders kann man dem modernen Menschen nicht mehr entgegenkommen um ihm zu zeigen, was Dunkelheit wirklich ist.

Da etwas gelb rein, dort etwas grün. Hohe Häuser, höher Häuser für mehr Mieteinahmen. Da ist ein roter Fleck. Ihn hatte ich in der zweiten Variante einmal gesetzt. Das gekleckste Szenario davor gebe ich deshalb den Projekttitel ‚Liebende und Nacht‘. Dieser Utopie möchte ich mich nicht hingeben. Für Liebe ist kein Platz. Dann lieber blaue Stunde, das Kurz vor dem Dunkel, welches es in der Großstadt nicht mehr gibt.

Die Nacht. Dunkel, nur noch Sterne. Eigentlich das nunmehr übermalte Ergebnis. Schlafen und die Frage, wache ich morgen früh wieder auf? Ich erinnere an eine Zeit, wo der Wecker mir als ersten Blick des Tages die 4:44 angezeigt hat. Fast so etwas wie eine Konstante in dem Abschnitt meines Lebens. Ich wusste, einen weiteren Tag gewonnen zu haben und ich hoffe, dass er für mich gut wird. Diese drei Vieren, sie wurden ein magisches geheimes Zeichen zwischen mir und meinem Wecker. Wenn es bei dem blauen Bild bleibt, dann ist der rote Fleck mein Wecker, ohne unsere Geheimzahl zu verraten. Um uns herum die große unvernünftige Stadt. Laut, hell, hetzend und hoch, als möchte sie demnächst die Wolken auch noch ärgern.

Nächster Tag.
Sie schreibt mir und schwärmt vom blauen Bild, meiner 4:44.

Autor: makkerrony

Makkerrony, der Macher des Lichtbildprophet, ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben. Ein Mensch behauptete mal, Makkerrony sei ein guter Fotograf, hat allerdings einen denkwürdigen Geschmack. Jemand anderes meinte, Makkerrony könne einen Haufen Hundescheisse fotografieren und es sehe gut aus. Ein Model lehnte die Arbeit mit dem Lichtbildprophet ab, weil seine Bilder so aussehen, als müsse sich das Model anstrengen.