Ein Bild zur Dummheit des Menschen

Mit ebay bin ich nicht so dicke. Mich zieht es eher nach Amazon. Nicht um Mister Bezos Reichtum zu mehren, vielmehr ist die Angebotspalette einfach unanständig geil. Wenn man auf der Suche nach dem anderen ist, dann ist Amazonien meine erste Wahl. Die Bucht lohnt sich für mich nur, wenn ich altes Fotopapier, vorzugsweise von ORWO, jagen möchte. Oder ich bin voll auf Männershopping und muss mir eine analoge Kamera kaufen, die ich unbedingt haben will aber nie benutzen werde.

Fotopapier. Der Homo digitalis kann damit gar nichts anfangen. Es beschwerte sich mal jemand bei mir, dass man das alte DDR-Zeugs namens ORWO-Fotopapier so schlecht bedrucken kann. Ja, das Leben ist grausam. Zu mir, nicht zu denen, die fotochemisches Papier bedrucken wollen. Woher soll der Homo digitalis wissen, dass Fotos früher etwas anders gemacht worden sind als es heute der Fall ist. Es ist schon lobenswert, dass der digitale Neuzeitmensch noch den Tintenstrahldrucker kennt. Die Grausamkeit mir gegenüber besteht allein darin, dass aufgrund der menschlichen Überheblichkeit die Bildungslücke zum alten Wissen und modernem Halbwissen immer größer wird.

Die Beschwerdeführerin habe ich in Sachen fotochemisches Papier aufgeklärt. Nach ihrer Aussage sollte davon noch etwas da sein. Sie wolle mal schauen. Dann könnte ich das zum Bedrucken ungeeignete ORWO-Fotopapier ja haben und damit meine stylischen Abzüge machen. Ich warte noch heute. Auch das kann ich. Warten. Auf andere.

Das Unwissen um Fotopapier alter Lesart (also kein Papier für Tintenstrahl- und Laserdrucker) geht soweit, das Verkäufer lichtdichte Verpackung an einer Seite aufreissen, fotografieren und so beweisen wollen, dass alles vollständig ist. Die Krönung ist, dass sich diese Helden des Alltags für Fachleute mit jahrzehntelanger Erfahrung halten und dies in ihrem ebay-Profil kundtun ohne rot dabei zu werden. Auf den Fauxpas und die Wertminderung angesprochen, werden die Vollprofis dann auch noch stinkig. Dummheit ist ein aggressiv haftender Virus.

Da ebay gerne möchte, dass ich stets und ständig mich darin aufhalte oder sonst meinen Account killt, melde ich mich nach einer ausgiebigen Shoppingtour wieder ab. Das bringt mich nicht in Versuchung noch mehr sinnloses Zeugs zu kaufen, kostet mich aber in der Bucht meine wertvollen Sterne als Superkäufer. „Ich kann doch für dich in der Bucht nach Fotopapier suchen“ sagt Sie zu mir. OK, ich habe nichts dagegen. Es ist ihre Zeit. Und so wandert via Whatsapp der eine oder andere Link mit potentiellen Angeboten zu mir.

Eines Tages der Aufschrei. Sie wolle, dass ich mir sofort das Angebot anschaue. Irgendsoein bildungsbenachteiligter Vollhonk, ich nenne ihn mal Knut-Lasse, hat einen Original verschlossenen Karton mit ORWO-Fotopapier aufgemacht und den Inhalt fotografiert. Bei Tageslicht. Vielleicht sogar mit kühlem Handyblitz? Der gute Buchtverkäufer hat nichts zu verbergen, muss sich Knut-Lasse gedacht haben. Also knipst er lichtempfindliches Fotopapier als Beweis seiner Seriosität. Knut-Lasse war bestimmt in der Kindertagesstätte im Englisch-Leistungskurs und hat in der Baumschule Singen und Klatschen als Hauptfach gewählt. Seit meinem letzten Besuch in der Bucht ist die Dummheit auf ebay nicht ausgestorben. Sie scheint sich eher pandemisch vervielfacht zu haben.

„Würdest du das nehmen?“ fragt Sie mich. Es ist eine Preisfrage. Das Fotopapier ist für den Präzisionsfreak und Schönfotografen unbrauchbar. Wenn Knut-Lasse wirklich nur kurz unter Tageslicht geknipst hat, dann sind schon eine paar obere Blätter futsch und alle anderen haben einen schmucken schwarzen Rand. Dann darf man nicht vergessen: Die Hälfte des Inhalt liegt in einer anderen Orientierung im Paket. Dadurch entsteht ein Spalt und der Kern des Inhalts wird auch belichtet.

Was ich nicht weiß: Sie bleibt an dem Angebot dran und kontaktiert Knut-Lasse. Der ist sich natürlich keiner Schuld bewusst, hat ja nur kurz Licht ran getan und wenn, dann ist der obere Bogen belichtet. Ja Knut-Lasse, Physik abwählen ist Scheiße. ORWO-Fotopapier gibt es oft papierstark. Dein Fotopapier ist papierstark. Stark ist übertrieben. Papierdünn trifft es besser und durch dünn kann viel Licht, du Torfnase.

Freudestrahlend steht Sie vor mir: „Ich habe ein Geschenk für dich“ und holt den typisch gelben ORWO-Fotokarton heraus. Den von Knut-Lasse. Den geöffneten Karton, um ein Foto vom Inhalt zu machen. Eigentlich mag ich angefangene Kartons mit Fotopapier. Sie sind wie kleine Wundertüten und so manch tolles Bild ist damit entstanden. Solch geöffneten Karton nehme ich im Konvolut mit geschlossenen, Original versiegelte Fotokartons, um das Risiko eines Totalverlusts zu minimieren. Nur verkennen viele Verkäufer den Ernst der Lage offener Kartons mit Fotopapier und wollen für eine eigentlich kostenlose Zugabe unanständig viel Geld.

Lieber Knut-Lasse, danke für deine Wundertüte. Natürlich war nicht nur der erste Bogen zerschossen. Und selbstverständlich hat die Mitte des Fotopapiers auch etwas abbekommen. Mit etwas Geschick und Dank des Lithprozesses lassen sich ein paar wunderbare Einzelstücke anfertigen. Weil der Knut-Lasse ein total blickiger Hund ist, macht er für mich jeden Abzug zum Lotteriespiel. Mehr Spaß kann ich in der Dunkelkammer nicht haben. Und für soviel Dummheit widme ich allen Knut-Lasse, die erst Handeln und auch danach nicht Nachdenken ein Bild. Es zeigt das zweite Blatt nach dem ersten, was ja nur belichtet wurde. Nach Knut-Lasse. Wenn Knut-Lasse nicht dem Irrtum erlegen wäre, sähe er eine wunderschöne nackte Frau und ich dürfte den Abzug nicht auf Instagram zeigen.

Danke an Sie für das tolle Geschenk.

Autor: makkerrony

Makkerrony, der Macher des Lichtbildprophet, ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben. Ein Mensch behauptete mal, Makkerrony sei ein guter Fotograf, hat allerdings einen denkwürdigen Geschmack. Jemand anderes meinte, Makkerrony könne einen Haufen Hundescheisse fotografieren und es sehe gut aus. Ein Model lehnte die Arbeit mit dem Lichtbildprophet ab, weil seine Bilder so aussehen, als müsse sich das Model anstrengen.